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Umstrittenes Wirken Kardinal Faulhabers in der NS-Zeit

Experten diskutieren öffentlich eine mögliche Platzumbenennung in Würzburg

Würzburg (POW) Experten haben öffentlich über das Wirken von Kardinal Michael Faulhaber in der NS-Zeit diskutiert. Die Debatte fand am Dienstag, 28. Juni, im Museum Kulturspeicher in Würzburg statt. Trotz der ambivalenten Persönlichkeit Faulhabers und seines uneindeutigen Handelns stand am Ende ein einstimmiges Plädoyer gegen eine Umbenennung des nach ihm benannten Platzes in Würzburg.

Vier Jahre lang hat die Würzburger Kommission zur Überprüfung von Straßennamen verschiedene Namensgeber untersucht. Im Fokus standen jene, die die NS-Zeit als Erwachsene erlebt haben. Ende 2020 legte die Kommission ihren Abschlussbericht vor. Im Fall des Kardinal-Faulhaber-Platzes kam die Kommission zu keinem Urteil. Vielmehr schlug sie aufgrund der uneinheitlichen Forschungsergebnisse eine öffentliche Diskussionsrunde mit hochrangigen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen vor, die als ausgewiesene Experten zum Thema Faulhaber gelten.

Dr. Wolfgang Weiß, Professor für Fränkische Kirchengeschichte und Kirchengeschichte der Neuesten Zeit an der Universität Würzburg, skizzierte zunächst die Biografie Faulhabers. Michael Faulhaber wurde 1869 in Heidenfeld im Landkreis Schweinfurt geboren. 20 Jahre später trat er in das Würzburger Priesterseminar ein. Nach der Priesterweihe 1892 folgten Promotion und Habilitation in Würzburg und Rom. Laut Weiß steht Faulhaber in Würzburg vor allem für die besonders heftigen Auseinandersetzungen um eine Neuausrichtung des deutschen Katholizismus nach dem Kulturkampf. Zur entstehenden Weimarer Republik habe er zeitlebens ein schwieriges Verhältnis gehabt. 1917 wurde Faulhaber Erzbischof von München und Freising. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tod 1952. Bereits am 18. September 1952 erhielt der Kardinal-Faulhaber-Platz seinen Namen.

Die Runde der Impulsreferate eröffnete Professor Dr. Andreas Wirsching, Lehrstuhlinhaber für Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er betonte, dass sich Faulhaber in erster Linie als Seelsorger und somit unpolitisch verstand. Doch liege hier bereits das Problem. Jeder Kardinal komme auch heute noch in Situationen, wo er politisch relevante Entscheidungen treffen müsse. „Er ist – ich spitze es zu – damit im Grunde einer Lebenslüge aufgesessen, wie sehr viele konservative Personen seiner Zeit“, sagte Wirsching. Politisch sei Faulhaber vor allem ein Gegner der Weimarer Republik gewesen. Er habe den Sittenverfall beklagt und den Kommunismus bekämpfen wollen. Dies sei eine breite Überschneidung mit dem Programm Hitlers 1933. Dennoch sei Faulhaber bis zur Machtergreifung Gegner des Nationalsozialismus gewesen. Danach finde sich bei Faulhaber jedoch eine Nähe zur NS-Diktatur, die er als eine legitime Staatsmacht anerkannt habe. Dennoch ist Faulhaber laut Wirsching ein Gegner des Rassismus gewesen. Er galt sowohl vor 1933 als auch nach 1945 als Judenfreund. Allerdings habe Faulhaber unterschieden zwischen getauften Juden, sogenannten nicht-arischen Christen, und Mitbürgern jüdischer Religion. Für erstere habe er sich eingesetzt, für letztere nicht. „Nähe zum NS-Regime ja, Distanz zu essentiellen Bereichen des NS-Regimes auch ja. Das Bild bleibt ambivalent“, schloss Wirsching.

Auch Dr. Antonia Leugers, Wissenschaftliche Projektmitarbeiterin an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Erfurt, zeigte dieses ambivalente Bild auf. Auf der einen Seite habe Faulhaber 1923 in einer Predigt betont, dass jedes Leben kostbar sei, auch das der israelitischen Mitbürger. Außerdem sei Faulhaber später ein Ansprechpartner für Widerstandskämpfer wie Georg Angermeier gewesen, der die deutschen Bischöfe zum Widerstand ermutigen wollte. Auf der anderen Seite sei Faulhaber tief gezeichnet gewesen von der deutschen Revolution 1918/19 und habe sich auf die Seite der Ordnung und somit des rechten Lagers gestellt. Außerdem gelte er als Unterstützer der nationalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher. In der Rezeption werde Faulhaber einerseits als politischer Agitator betrachtet. Andererseits sei er der katholische Bischof, der für universalistische Werte eingetreten sei. „Leider geht es bei Faulhaber hin und her“, sagte Leugers.

Hans-Joachim Hecker, Jurist und langjähriger stellvertretender Leiter des Stadtarchivs München, betonte vor allem den historischen Kontext. Auch er kritisierte an Faulhaber, dass er mit der Staatsform der parlamentarischen Demokratie bis zuletzt gefremdelt habe. Allerdings sei er damit im Katholizismus nicht allein gewesen. Außerdem gelte es zu beachten, dass die Bischöfe plötzlich Getriebene in einer kirchenfeindlichen Atmosphäre gewesen seien. Darüber hinaus führte Hecker an, dass auch in der Zeit des Nationalsozialismus der Kanzelparagraph gegolten habe, wonach Geistliche verhaftet werden konnten, wenn sie politisch aufreizend Stellung bezogen.

Das Treffen Faulhabers mit Adolf Hitler 1936 bezeichnete Hecker als untauglichen Versuch, die katholische Kirche und politische Instanzen zu einem geregelten Nebeneinander zu führen. Es sei politisch unklug gewesen, jedoch werde aus den Tagebüchern Faulhabers deutlich, dass er Hitler vehement widersprochen haben muss. Die Ambivalenz im Wirken Faulhabers erklärte Hecker mit dem totalitären System, in dem das freie Reden schwieriger wird. Man versuche eher über Umwege das Ziel zu erreichen und erreiche es dann doch nicht. „Ich plädiere immer dafür, die Akteure aus ihrer Zeit heraus zu verstehen“, sagte Hecker.

Professor Weiß verwies in seinem Statement auf schriftliche Werke Faulhabers. So würden seine Adventspredigten heute geringgeschätzt, obwohl sie frech formuliert seien. Faulhaber betone darin den übervölkischen Charakter des Christentums und den sittlichen Charakter des Alten Testamentes und des Volkes Israel. Außerdem habe er mit dem siebenarmigen Leuchter ein Symbol des Judentums in seinem Bischofswappen und somit ein Zeichen der Verbindung zum Judentum. Hinzu komme die Enzyklika „Mit brennender Sorge“, an der Faulhaber mitgewirkt habe. Die deutschen Bischöfe hätten von 1933 bis 1936 die Erfahrung gemacht, dass mehr getan werden müsse, und wollten Rom für sich gewinnen. „Wenn es im Herbst 1933 ein Dutzend Faulhabers gegeben hätte, wäre manches vielleicht auch glücklicher gelaufen. Man hat oft den Eindruck, man ist sehr auf Faulhaber fokussiert“, erklärte Weiß.

In der Abschlussrunde sprach sich keiner der vier Experten für eine Umbenennung aus. Hecker merkte an, dass der Entzug einer Ehrung tiefer fallen lässt, als eine Verleihung heben würde. Man könne streiten, ob Faulhaber mehr hätte tun können, aber er sei nicht in menschenverachtende Verbrechen verstrickt gewesen, die dem Grundgesetz oder der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte widersprechen würden. Weiß ergänzte, dass es schwierig zu überprüfen sei, ob jemand zu wenig getan habe. Auch Wirsching möchte eine Umbenennung auf Täter und Menschen begrenzen, die nachweisbar moralisch niederträchtig gehandelt hätten. Das sei bei Faulhaber nicht der Fall, auch wenn er nicht mehr als Vorbild dienen könne. Wirsching führte an, dass es um eine Umbenennung und nicht um eine erstmalige Benennung gehe.

Als einzige sprach sich Leugers für eine Kontextualisierung aus. Sie brachte den Vorschlag, das Zwiespältige und Ambivalente der Persönlichkeit Faulhabers mit einem Spalt im Straßenschild zu verdeutlichen und eine Erklärtafel zu ergänzen, denn „wir haben wirklich ein Problem mit Faulhaber. Auf jeden Fall muss man ihn erklären und die Diskrepanzen offen legen“, beschloss sie den Abend. Eine Entscheidung mussten die Experten nicht treffen. Das wird Aufgabe des Würzburger Stadtrates sein.

Alexandra Thätner (Würzburger katholisches Sonntagsblatt)

(2722/0781; E-Mail voraus)

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