Würzburg (POW) Erstmals hat der bundesweite Tag der Religionen am Mittwoch, 27. Oktober, in Würzburg stattgefunden. Unter dem Motto: „…und wie soll es weitergehen? Religionen als Hoffnungsträger“ gab es neben Ausstellungen und Vorträgen auch ein Treffen des „Runden Tisches der Religionen“ in Würzburg.
Thilo Sarrazins Aussagen und die Rede des Bundespräsidenten Christian Wulff zum Tag der deutschen Einheit waren dabei zwei zentrale Themen, mit denen sich der Runde Tisch in Würzburg befasste. Die Aussagen Sarrazins und manch‘ verzerrte Meinungsäußerung in den Medien hätten nicht zu einer Förderung des Dialogs zwischen den Religionen beigetragen, kritisierte Dr. Franz Brendle, Geschäftsführer des Runden Tisches der Religionen, bei einer Pressekonferenz im Rathaus. Oft ginge es den Medien nur um Polarisierung. Der Hamburger Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke betonte, „der Runde Tisch setzt sich für ein gelungenes Miteinander der Religionen ein. Oft müssen wir aber auch Verstimmungen wieder korrigieren, die durch falsche Medienberichte entstanden sind.“ Er hob hervor, dass er die katholische Kirche als Freund der Muslime sehe. „Wir leben in einer freien Gesellschaft, daher müssen andere Religionen akzeptiert werden, und auch das Recht, gar nicht zu glauben, muss gewährleistet sein.“
Der evangelische Bischof Dr. Martin Hein zeigte sich überrascht, wie in der Gesellschaft auf die Rede des Bundespräsidenten am Tag der deutschen Einheit reagiert worden sei. Wulff hatte gesagt, der Islam sei ein Teil von Deutschland und mit dieser Aussage zum Teil heftigen Widerstand ausgelöst. Hein betonte: „Dieses Beispiel zeigt, wie mühsam der Weg der Verständigung ist, und dass wir noch lange nicht am Ziel angekommen sind.“ Als Grund für die Empörungen über Wulffs Rede nannte Burhan Kesici vom Islamrat ein „großes Missverstehen in der Gesellschaft“. Der Bundespräsident habe mit seiner Rede nicht ausdrücken wollen, dass der Islam Deutschland vereinnahmen könne. Vielmehr hätte er sagen wollen, dass Muslime in Deutschland willkommen sind. Jaschke sieht in der Diskussion ein Zeichen, „dass wir auf allen Ebenen stärker miteinander reden müssen“. Christliche und muslimische Gemeinden müssten vor Ort noch enger zusammenarbeiten. Gemeinsame Feste könnten beispielsweise helfen, Vorurteile gegenüber Andersgläubigen abzubauen.
Jaschke sieht die Herausforderung der Religion darin, dass sie sich nicht instrumentalisieren lassen dürfe. Für Hein steht der Glaube zwar bei den Menschen „hoch im Kurs“, aber sobald es um die Institution Kirche geht, seien viele skeptisch. „Hier müssen wir etwas ändern“, sagte er. Nach den Worten von Dr. Henry Brandt, für die jüdische Religionsgemeinschaft am Runden Tisch, muss Religion „den Menschen die Richtung weisen“. Sie würden in einer verführerischen und schnelllebigen Welt im Glauben Halt suchen.
Zum Motto des diesjährigen Tags der Religionen gab es am Mittwochabend im Würzburger Rathaus einen Vortrag des Religionswissenschaftlers Dr. Hermann Häring aus Tübingen. Er war viele Jahre als Theologieprofessor in Nimwegen tätig. Bis November gibt es zum Tag der Religionen verschiedene Ausstellungen und Vorträge in Würzburg. Dr. Dagmar Fügmann vom interreligiösen Gesprächskreis Würzburg zeigt sich mit dem Besuch der Veranstaltungen bisher sehr zufrieden. Im Jahr 2011 findet der Tag der Religionen in Hagen statt. Das Motto lautet dann: „Religionen – Brücken oder Blockaden der Integration?“
Der Runde Tisch der Religionen existiert seit 1998 und trifft sich zweimal im Jahr. Ihm gehören Repräsentanten der großen Religionsgemeinschaften an: Bischof Dr. Martin Hein (evangelische Kirche), Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke (katholische Kirche), Dr. Assaad Elias Kattan (orthodoxe Kirchen), Dr. Ajjub Köhler (Zentralrat der Muslime), Burhan Kesici (Islamrat), Bekir Alboga (türkisch-islamische Union DITIB), Dr. Henry Brandt (jüdische Religionsgemeinschaft), Dr. Alfred Weil (Deutsche Buddhistische Union) und Dr. Nicola Towfigh (Nationaler Geistiger Rat der Bahai).
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