Liebe Schwestern und Brüder,
die frohe Botschaft der Osternacht breitet sich über diesen ganzen Festtag aus: Christus ist auferstanden – und so, als könne man es gar nicht glauben, wird noch einmal hinzugefügt: Er ist wahrhaft auferstanden!
Zwischen Verkündigung dieser Nachricht, die menschliches Leben auf den Kopf stellt, und der Annahme dieser Botschaft klafft ein weiter Graben. Die Angst, man könne doch nur einem frommen Märchen aufsitzen, lässt so manchen unserer Mitmenschen den Sprung in den Glauben hinein nicht wagen.
Es wäre zu schön, um wahr zu sein – denkt so mancher im Stillen. Und in der Tat: Das eigentliche Geschehen der Auferstehung entzieht sich menschlicher Beweise. Keiner war bei der Auferstehung dabei.
Ich denke auch, dass der Vorgang der Auferstehung mit der Kamera nicht hätte festgehalten werden können. In der Auferstehung Jesu öffnet sich der Himmel in unsere geschöpfliche Wirklichkeit so, dass er unserem innerweltlichen Zugriff dennoch verborgen bleibt.
Der gekreuzigte Herr wird aus dem Tod heraus in das göttliche Dasein hinein genommen. Er gehört damit schon in die uns noch verborgene Wirklichkeit Gottes. Und doch, kann er sich uns so mitteilen, dass die Begegnung mit dem Auferstandenen real erfahrbar wird.
Da ist Maria von Magdala, die in aller Frühe zum Grab Jesu eilt, um seinen Leichnam zu salben. Als sie das leere Grab vorfindet, läuft sie im Gedanken daran, dass der Leichnam Jesu gestohlen worden sei, aufgeschreckt zu den Aposteln.
Petrus und Johannes überzeugen sich sofort, dass das Grab leer ist. – Mehr erfassen sie noch nicht.
Maria dagegen, die vor dem Grab steht und über die vermeintliche Wegnahme des Leichnams Jesu weint, sieht ihn plötzlich hinter sich stehen – ohne ihn zunächst zu erkennen. Sie spricht mit ihm in der Annahme, er sei der Gärtner, und sie erkennt ihn erst als den Herrn, indem er sie bei ihrem Namen gerufen hat.
Am Abend begegnet der Auferstandene den Aposteln im Abendmahlssaal. Er kommt durch verschlossene Wände und Türen. Den enttäuschten Emmausjüngern gibt er sich beim Brotbrechen zu erkennen. Vielen anderen zeigt er sich auf unterschiedliche Weise: Er zeigt seine Wundmale, lässt sich von Thomas anfassen und isst mit den Aposteln. Allen diesen Begegnungen ist die eigenartige Ambivalenz von Nähe und Distanz, von Begegnung und Abstand, von Vertrautheit und Fremdheit zu Eigen.
Seine Auferstehung war kein Zurückkehren in die irdische Lebensweise, sondern ein sich Zeigen aus der Seinsweise Gottes heraus. So schrieb Paulus im Römerbrief: „Wir wissen, dass Christus von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn.“ (Röm 6,9)
Genau das macht den Osterjubel aus: Weil Jesus uns diese neue Wirklichkeit in seiner Auferstehung gebracht hat, wird auch unser Leben nicht im Tode ausgelöscht. Mit ihm haben wir die berechtigte Hoffnung, ebenfalls aufzuerstehen und ohne Begrenzung in das Leben Gottes hinein zu finden.
Viele Frauen und Männer haben uns in ihrem Lebenszeugnis an diese Osterbotschaft herangeführt. Sie haben aus tiefem Vertrauen in dem Satz Jesu: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20) gerade in den schweren Stunden ihres Lebens Trost und Halt gefunden.
So schrieb Alfred Delp SJ noch wenige Wochen vor seiner Hinrichtung: „Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen. Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den schönen und in den bösen Stunden hängen und erleben sie nicht durch bis an den Brennpunkt, an dem sie aus Gott heraus strömen. Das gilt für das Schöne und auch für das Elend. In allem will Gott Begegnung feiern und fragt und will die anbetende, hingebende Antwort. Dann wird das Leben frei in der Freiheit, die wir oft gesucht haben.“
Amen.