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„Verdankte Existenz“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann zum Fest der Darstellung des Herrn, zum 40. Priesterjubiläum und zum Tag des geweihten Lebens am 2. Februar 2009 im Kiliansdom zu Würzburg

Liebe Schwestern und Brüder,

in dieser Stunde ruft uns Christus zu: „Bleibt in meiner Liebe! … Ihr seid meine Freunde“ (Joh 15,9.14)

Heute, am Fest der Darstellung des Herrn, das wir auch als den Tag der geistlichen Berufungen feiern und in das ich mein 40. Priesterjubiläum einbinden darf, soll diese Einladung Jesu Mitte und Garant unseres Dankes für die Berufung sein: „Bleibt in meiner Liebe!...Ihr seid meine Freunde“. Mit dieser Einladung, die die Züge einer Beziehung trägt, dürfen wir – in Übereinstimmung mit der Gesinnung Christi – gleichsam von Herz zu Herz leben. (Vgl. Kongregation für den Klerus: Welttag zur Heiligung der Priester 2005)

Wir dürfen uns erinnern, dass unsere Existenz eine verdankte Existenz ist, die sich verschenkt. Wir sind gerettet, um zu retten; geliebt, um zu lieben. Christus ist Ausgangspunkt, Mitte und Ziel jeglicher Berufung. Das Geheimnis und der Schlüssel unseres geistlichen und priesterlichen Lebens ist die leidenschaftliche Liebe für Christus. (Vgl. ebd.)

Liebe Schwestern und Brüder,

haben wir noch die erste Liebe? Schauen wir auf den Mensch gewordenen Gott, der 40 Tage nach seiner Geburt – der jüdischen Tradition gemäß – in den Tempel gebracht wurde und Gott gleichsam zurück geschenkt wurde. Der greise Simeon – und mit ihm die Prophetin Hanna – preist im Tempel Gott, dass er das „Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2,32) noch vor seinem Tode sehen darf. Aber er macht auch ganz deutlich, dass sich an Christus die Geister scheiden werden: „… er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.“ (Lk 2,34)

Wie war und wie ist es bei uns mit dieser Entscheidung? Was hat uns bewogen, den geistlichen Weg einzuschlagen?

Ich kann hier und jetzt nur für mich sprechen: Priester werden wollte ich von Klein auf. Zum einen erlebte ich die entbehrungsreiche Nachkriegszeit als Folge der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft mit verheerendem Krieg und entsetzlicher Shoah, die nie geleugnet werden darf. Zum anderen spielte dabei das überzeugende Verhalten der Pfarrgeistlichen eine Rolle, die ich in ihrer auf Christus ausgerichteten Lebensform kennen gelernt habe. Später eröffneten sich andere Möglichkeiten, die ich aber verwarf, weil die Faszination Jesu Christi in mir immer mehr Raum gewann.

Mein Theologiestudium absolvierte ich in Bonn während des Zweiten Vatikanischen Konzils. Damals, inmitten des deutschen Wirtschaftswunders, das viele in seinen Sog zog, besann sich unsere Kirche deutlich vernehmlich auf Jesus Christus und formulierte die Theologie neu im Blick auf ihre globale Verantwortung. Vielen von uns wird noch im Ohr sein, was Papst Johannes XXIII. ausrief: „Macht die Fenster und Türen der Kirche weit auf.“ Es war eine Aufbruchsstimmung zu spüren.

Auf der anderen Seite erlebten wir den gewaltsamen Aufstand der so genannten 68er. Bis in die Störungen der Vorlesungen an den Universitäten hinein drangen die Parolen vieler Jugendlicher, die einen anderen Staat und eine andere Gesellschaft wollten. Zwei Stichworte mögen genügen: Auf der einen Seite Baader-Meinhof und auf der anderen Seite als Opfer Martin Schleyer.

Von der Weihe an, in der durch das Konzil weiter entfalteten Liturgie beheimatet, erlebten wir gegen den Trend einer sich säkularisierenden Gesellschaft einen kirchlichen Aufbruch, der sich in der Gründung zahlreicher neuer Pfarrgemeinden und spektakulärer Kirchenneubauten manifestierte. Viele Gremien wurden gegründet, Mitverantwortung in die Hände der Laien gelegt und das stets wachsende Engagement der Ehrenamtlichen begrüßt.

Heute hat sich die Situation grundlegend verändert: Wir müssen einen wachsenden Gläubigen- und Priestermangel feststellen. Die Zahl der geistlichen Berufungen geht dramatisch zurück. Natürlich gibt es dafür plausible Gründe. Aber das Problem ist vorhanden. Größere territoriale pastorale Strukturen, die sich zum Beispiel in der Gründung großer Pfarreiengemeinschaften niederschlagen, sind ein weiteres Faktum.

Die sowohl im wirtschaftlichen als auch medizinischen Bereich gegebene Überschreitung der ethischen Grenzen stellt uns vor eine dramatische Entwicklung, die noch keine Zeit vor uns in dieser Radikalität und Schärfe erlebt hat. Auch hier sollen nur einige Stichworte genannt werden: Genmanipulation, Forschung an embryonalen Stammzellen, Selektion der Kinder (zumal der Behinderten) im Mutterleib, eine wachsende Zahl von Tötungen ungeborener Kinder bis hin zu Sterbehilfe und Euthanasie kranker und alter Menschen.

Nach dem Zusammenbruch des osteuropäischen Kommunismus und dem wieder erstarkten Kapitalismus im Westen mit den katastrophalen wirtschaftlichen Folgen kommt jetzt ein neu erwachender militanter Atheismus hinzu, der den Gang auf die Straße unternimmt: In London, Barcelona und anderen Städten fahren zur Zeit 800 Busse mit Parolen durch die Straßen wie :“Eine schlechte Nachricht: Gott gibt es wahrscheinlich nicht. Die gute Nachricht: Du brauchst ihn nicht.“ Selbst die italienische „Vereinigung der rationalistischen Atheisten und Agnostiker“ lässt schon einmal probeweise zwei Busse mit ähnlichen Parolen durch Genua rollen. (Vgl. Die Tagespost, 24.01.09)

Mit dem Versuch, sich an die Stelle Gottes zu setzen, ethische Grenzen zu überschreiten und die ‚Werte’ aus der Rationalität und Logik herzuleiten, geht der an Naivität grenzende Glaube an die Neutralität und den Segen der Wissenschaft einher. Die Folge dieses Desasters auf wirtschaftlichem Gebiet erleben wir zurzeit in der Banken- und Wirtschaftskrise.

Wissenschaftliche Vernunft kann keine ethischen und sozialen Werte schaffen. Ethische Werte sind uns vielmehr im Glauben vorgegeben und im Leben erprobt. Die eigentlichen Quellen, aus denen sich christliche Wertvorstellungen ableiten, sind die Evangelien und die zehn Gebote. Gerade weil sie uns vorgegeben sind, können sie auch nicht durch diktatorische Entscheidungen oder demokratische Vorgänge außer Kraft gesetzt werden. Was die Welt ohne diese Grundlagen wäre, lässt sich leicht ausrechnen: Das Recht liegt dann beim Stärkeren. Das Eigentum des Schwächeren hat keinen Bestand. Lügen gehören zum Alltag. Töten ist erlaubt. Sexuelle Ausbeutung bleibt ungestraft.

Wir dagegen stehen mit unserem Leben für das christliche Menschenbild ein, das von der Gottebenbildlichkeit des Menschen ausgeht und darin die unantastbare Würde eines jeden Menschen verankert sieht. Im Nächsten begegne ich Christus.

Die kirchliche Soziallehre bezieht daraus die Konsequenzen: Solidarität mit den Armen, Benachteiligten und Schwachen, Eintreten für die Grundwerte Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe (Pacem in terris), Bewahrung der Schöpfung, Verantwortung für das Gemeinwohl, Anerkennung des Wertes der Arbeit, (Rerum novarum und Laborem exercens), Schutz der Familie und Achtung vor dem Leben.

Liebe Schwestern und Brüder,

bei einem Treffen mit meinem Weihekurs zum silbernen Priesterjubiläum stellte ein Mitbruder die Frage: „Was haben wir eigentlich nach 25 Jahren priesterlicher Tätigkeit erreicht?“ Die Antwort fiel sehr nüchtern aus. Aber einer aus unserer Runde sagte: „Gott hat uns bei der Weihe nicht verheißen, dass wir Erfolg haben werden – wer von uns kann schon den Erfolg mit den Augen Gottes ermessen? – aber er hat uns gesagt, dass wir Salz der Erde und leuchtende Stadt auf dem Berge sein sollen ( vgl. Mt 5,13).“ An Christus schieden und scheiden sich die Geister – damals wie heute. Er beruft und er sendet uns, Sauerteig in der Gesellschaft zu sein. Wer hindert uns daran?

Bei einer ökumenischen Begegnung vor wenigen Tagen in Würzburg berichtete ein koptischer Bischof aus Ägypten, dass er eine wachsende Zahl von Konversionen zum Christentum feststelle. Er habe daraufhin einen Katechumenen gefragt, was ihn bewogen habe, zum Christentum zu konvertieren. Dieser habe geantwortet: Die Liebe. Es sei die Entdeckung, dass Gott die Liebe sei, dass diese Liebe sich in Christus verleiblicht habe und durch die Christen weiter getragen werde.

In dieser Stunde ruft uns Christus aus dem Johannesevangelium zu: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. … Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“ (Joh 15, 9,10,14)

Papst Johannes Paul II. hat uns in seinem letzten Gründonnerstagbrief geschrieben: „Vor allem im Zusammenhang mit der Neuevangelisierung haben die Menschen das Recht, sich an die Priester zu wenden in der Hoffnung, in ihnen Christus ‚sehen’ zu können (vgl. Joh 12,21).“ Und Papst Benedikt XVI. sagte zu Beginn seines Pontifikates auf dem Petersplatz im April 2005: „Es gibt nichts Schöneres, als … (Christus) zu kennen und die Freundschaft mit ihm an andere weiterzugeben. Die Aufgabe des Hirten, des Menschenfischers erscheint oft mühselig. Sie ist jedoch groß und schön, da sie im letzten Dienst an der Freude ist; an der Freude Gottes, die in unsere Welt eintreten möchte.“

Möge die Gottesmutter, die uneingeschränkt den Willen Gottes lebte und sensibel die Worte des greisen Simeon und der Witwe Hanna in ihrem Herzen bewahrte (vgl. auch Lk 2,19), unsere Mittlerin und Fürsprecherin sein.

Amen.