Würzburg (POW) Langsam über den Weihnachtsmarkt schlendern, an Heiligabend unter dem Weihnachtsbaum sitzen, die Feiertage mit der Familie genießen, zur Ruhe kommen: Das erhoffen sich viele von der Zeit um das Weihnachtsfest. Doch dann endet die Vorbereitungszeit in Stress, Geschenke müssen gekauft und das Essen vorbereitet werden. An Weihnachten wird über politische Themen, Präsente oder das Leben der Kinder gestritten. Angelegenheiten, „die das ganze Jahr schwelen, werden plötzlich aufs Tapet gehoben“, sagt Pastoralreferent Klaus Schmalzl. Seit 30 Jahren arbeitet er in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) Würzburg. Er weiß, dass Stress und Streitigkeiten zu Weihnachten manchmal normal sind, aber auch, wie man sie reduzieren kann.
POW: Herr Schmalzl, Weihnachten gilt als besinnliche, friedliche Zeit. Dennoch erleben viele sie als stressig. Woran liegt das?
Pastoralreferent Klaus Schmalzl: Es gibt das Diktat der Wirtschaft, des Konsums, dass gekauft werden muss. Dem können wir uns nur begrenzt entziehen, es ist aber ein Stück weit möglich.
POW: Wie entziehen wir uns dem Stress in der Vorweihnachtszeit?
Schmalzl: Wie im gesamten Leben hat jeder von uns auch in der Vorweihnachtszeit die Aufgabe, eine gute Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu schaffen. Neben Zeiten, in denen es viel zu tun gibt, braucht es Phasen, in denen man zur Ruhe kommt. So kann man die Adventszeit auch genießen. Es kann eine schöne Zeit sein, es muss nicht nur eine stressige sein.
POW: In diesem Jahr ist die Welt angesichts der Kriege in der Ukraine und in Palästina weit entfernt vom weihnachtlichen Ideal einer friedlichen Welt. Wie wirkt sich das aus?
Schmalzl: Die Zeit um Weihnachten ist für viele Menschen schon immer eine sensible Zeit. Es ist die dunkle Jahreszeit. Da kommen manchmal Gefühle von Traurigkeit, Enttäuschung, Ärger oder Schuld hoch. Das ist normal. Gleichzeitig feiern wir am Weihnachtsfest mit der Geburt Jesu das christliche Ideal einer friedlichen, gerechten und liebevollen Welt. Einer Welt, in der Menschen gut miteinander umgehen. Ich glaube, dass sensible Menschen in diesem Jahr nicht einfach Weihnachten feiern können, ohne die restliche Welt mit im Blick zu haben.
POW: Das Thema „Krieg“ könnte auch zu Streit in Familien führen. Was raten Sie diesbezüglich?
Schmalzl: Manchmal habe ich den Eindruck, die Menschen warten nur darauf, dass sie vor dem Weihnachtsbaum sitzen, um strittige Themen anzusprechen. Die Frage von Krieg und Frieden und von Palästina und der Ukraine muss man nicht am Christbaum klären, in dieser sensiblen Zeit, in der die Nerven manchmal etwas blank liegen. Ich rate eher dazu, strittige Themen in einer ruhigen Minute im restlichen Jahr zu besprechen.
POW: Auch die Wahlen in Bayern sind noch nicht lange her. Gilt hier das Gleiche?
Schmalzl: Solange politische Diskussionen in einem friedlichen Rahmen bleiben und sich die Personen zivilisiert streiten können, meinetwegen. Aber ich erlebe oft, dass es dann zu größten Krächen kommt. Ich würde versuchen, das zu vermeiden.
POW: Was empfehlen Sie für ein friedliches, entspanntes Weihnachtsfest in der Familie?
Schmalzl: Es lohnt sich durchaus, die Zeit des Zusammenseins reflektiert zu begrenzen und sich gegenseitig Luft und Abstand zu geben. Zwischendurch auch mal Zeit für sich alleine einplanen, in der man an die frische Luft geht, Bewegung hat. Das sind Dinge, die helfen, in der eigenen Mitte zu bleiben. Gleichzeitig ist Weihnachten eine Zeit, in der man Dankbarkeit zeigen kann. Dankbarkeit als Eltern den Kindern gegenüber oder als Kinder den Eltern gegenüber. Zeit, um als Partner einander zu sagen: Es ist schön, dass es dich gibt. Das ist wichtiger, als über Wahlentscheidungen oder das Studium zu diskutieren.
POW: Sie haben selbst drei erwachsene Kinder: Wie wird ein Weihnachten bei Schmalzls friedlich?
Schmalzl: Uns helfen klare Absprachen: Wer ist wann da und wie lange sind wir beieinander? Alle drei Kinder werden dieses Jahr mit uns feiern. Aber wir werden nicht Stunden oder gar Tage aufeinanderhocken. Meine Kinder haben ja auch ihr eigenes Leben, zwei von ihnen sind bereits verheiratet.
POW: Und wenn es an Weihnachten doch zu Streit kommt: Was dann?
Schmalzl: Es ist gut, rechtzeitig auseinanderzugehen. Lieber erst einmal durchschnaufen, Abstand gewinnen und nach einer Pause einen neuen Versuch starten. Die Dinge in einem ruhigen Ton und im Guten ansprechen und klären. Verletzender Streit an Weihnachten muss nicht sein.
Das Interview führte Christina Denk (POW)
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