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Dokumentation

„Vertrauen in Gott macht stark“

Predigt von Weihbischof Ulrich Boom am Hochfest Fronleichnam, 11. Juni 2020, auf dem Würzburger Residenzplatz

„Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein“ (vgl. Dtn 8,3). Wir haben es erfahren in den letzten Wochen und Monaten. Wir brauchen mehr als nur Lebensunterhalt. Wir spüren, wenn uns menschliche Nähe fehlt, wenn wir isoliert, auf Abstand leben müssen. Wir merken, dass all die Sicherheiten, die wir haben, doch nicht alles sind. Es muss im Leben mehr als all das geben. Ein kleines Virus weist uns in die Grenzen, führt uns die Begrenztheit unserer Möglichkeiten vor Augen.

Vor diesem Hintergrund höre ich das Wort von dem Jesuitenpater Alfred Delp neu: „Brot ist wichtig, Freiheit ist wichtiger, am wichtigsten aber ist die ungebrochene Treue und die unverratene Anbetung“ (Delp, Gesammelte Schriften, Bd. 4, S. 236). Pater Delp, 1907 in Mannheim geboren, schreibt dies 1944 aus dem Gefängnis in Berlin Tegel in einer Meditation zum „Vaterunser“. Am 2. Februar 1945 wird er zum Tod verurteilt und noch am gleichen Tag in Berlin Plötzensee erhängt. Er, wie auch der große evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, gehörten zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus, standen in Verbindung zum Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Für mich zwei große ökumenische Heilige. Bonhoeffer wurde am 9. April 1945, kurz vor Kriegsende, in Flossenbürg hingerichtet. Sein Todestag fiel in diesem Jahr auf den Gründonnerstag. Vor 75 Jahren haben diese beiden Märtyrer für den gekreuzigten und auferstandenen Christus mit ihrem Leben Zeugnis abgelegt. Sie wussten sich einem höheren Herrn verpflichtet, der eben nicht Brot auf Zeit oder Brot und Spiele gibt, sondern das lebendige Brot, das ewiges Leben schenkt (vgl. Joh 6,51f.). Dieses Brot ist der Herr selbst.

„Brot ist wichtig“ – Wir brauchen immer etwas für unseren Lebensunterhalt. Es gibt kein hartes Brot, es wird gewiss oft hart verdient, es ist hart, wenn wir kein Brot haben.

„Freiheit ist wichtiger“ – Das meint nicht alles tun und lassen zu können. Meine Freiheit endet da, wo die Freiheit des Nächsten beginnt. Der Mensch ist niemals Besitz des anderen. Er ist einzigartig, welcher Hautfarbe, Religion, welcher Nation und Orientierung auch immer. Der Schöpfer hat uns in Freiheit entlassen, aus Liebe. Wer liebt, schenkt Freiheit.

Doch bei allem „am Wichtigsten aber ist die ungebrochene Treue und die unverratene Anbetung“. Delp sagt dies aus dem Gefängnis. Über allem steht das grenzenlose Vertrauen, die unverbrüchliche Treue, die mir geschenkt wird und die ich gebe. Für die Gläubigen ist es im letzten Gott. Aber genauso gilt dies für das Wort der Treue, das Menschen einander geben. Hier hört alles Rechnen und Zählen auf. Grenzenloses Vertrauen entzieht sich aller Berechnung und führt in die „unverratene Anbetung“, zum Danken und Verehren, zum Schweigen und Staunen.

Dies sind große Worte, wir nähern uns ihnen nur, immer wieder. Delp wusste darum, wie zerbrechlich ungebrochene Treue und unverratene Anbetung sind, wenn er auf dem Weg zum Galgen dem Gefängnispfarrer sagt: „In wenigen Augenblicken weiß ich mehr als Sie.“ Aber diese Worte schenken Kraft und Gott gibt uns diese Widerstandskraft. „Er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen“ (Bonhoeffer DBW 8 (WE) S. 30f).

Wenn wir heute im öffentlichen Raum Eucharistie, die Danksagung, das Abendmahl feiern, ist das keine Demonstration von Glaubensmacht und Glaubensstärke, sondern dass Glauben und Vertrauen in Gott stark machen und ermutigen zu einem Leben, das immer, überall und für jeden zählt. Im Abendmahlssaal teilt sich der Herr im Brot an die Seinen aus. Er kniet sich vor die Seinen. Beides sind Zeichen der Erniedrigung. Er zeigt sich nicht mit Geld und Macht, sondern eben im Brot und im Dienst.

Mich machen die Bilder im Blick auf das Knien bei den „Black Lives Matter“-Demonstrationen nachdenklich. Ist das Knien als Gläubige nicht doch mehr die richtige Haltung als unser Stehen? Mich macht es nachdenklich, wenn wir nicht mehr knien können. Mögen wir die Bibel noch so hoch halten, wenn die Schwachen und Unterdrückten nicht zu ihrem Recht kommen, ist das noch so feierlich vorgetragene Gotteswort eine Worthülse.

Wer sich vor dem Herrn im Brot des Lebens niederkniet, kniet auch gegen alle Gewalt und Ungerechtigkeit dieser Welt nieder. Im Brot des Lebens macht Gott sich klein, lässt sich erniedrigen bis zum Tod am Kreuz, um uns zu zeigen, auf wessen Seite er steht – auf der Seite der Schwachen, Ausgegrenzten und Unterdrückten.

„Esst, was ihr seid: Leib Christi! Werdet, was ihr esst: Leib Christi!“, rät uns der heilige Augustinus.

Fronleichnam – der nachgeholte Gründonnerstag, das Mahl vor dem Leiden des Herrn lädt uns ein, vor dem demütigen Gott, der in Jesus von Nazareth Mensch geworden ist und sich uns im Brot des Lebens schenkt, die Knie zu beugen. Das heißt aber auch die Knie beugen für die Menschen, die von Übermenschen zu allen Zeiten, wann und wo auch immer, unterdrückt und ausgegrenzt werden. „Brot ist wichtig, Freiheit ist wichtiger, am wichtigsten aber ist die ungebrochene Treue und unverratene Anbetung“ im Blick auf Gott und seine Menschen. Ein kleines Stückchen Brot grenzt nicht ab, es führt in die Weite Gottes.

Amen.