Würzburg (POW) „Ein Miteinander der Religionen ist nur möglich auf der Basis von Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit“, weiß Dr. Gabriele Lautenschläger (54), Beauftragte für Interreligiösen Dialog in der Diözese Würzburg. Seit 2004 ist die habilitierte Theologin in dieser Funktion tätig. „Der Dialog der Weltreligionen und verschiedenen Kulturen ist eine Riesenbaustelle“, sagt sie und lacht. Immer wieder komme er durch weltpolitische Entwicklungen oder Äußerungen, wie in der Regensburger Rede des Papstes oder durch die jüngst veröffentlichte Handreichung der evangelischen Kirche über „Christen und Muslime in Deutschland“ ins Stocken. Doch Lautenschläger ist optimistisch, dass ihre Bemühungen um einen Austausch der Religionen weiter Früchte tragen werden. „In Würzburg gibt es bereits seit zehn Jahren einen interreligiösen Gesprächskreis. 2005 wurde die Arbeitsgemeinschaft christlich-islamische Begegnung (ACIB) ins Leben gerufen. Auch in Schweinfurt und Aschaffenburg gibt es verstärkt Projekte in diesem Bereich. Ich denke, es wird deutlich, dass in unserer Diözese für den Dialog eine Menge getan wird.“
Als Referentin für interreligiösen Dialog widmet sich Lautenschläger dem Studium der Weltreligionen und beobachtet deren Entwicklung auf internationaler Ebene und insbesondere im Bistum Würzburg. „Wichtig ist die Kenntnis der aktuellen Situation. Welche Religionsgruppen leben in unserem Bistum? Wie sind sie organisiert? Wie viele Muslime gibt es bei uns? Wie viele Moscheen?“ Derzeit steht Lautenschlägers Referat im Dialog mit sunnitischen und schiitischen Muslimen, Menschen jüdischen Glaubens, Buddhisten und Anhängern der Bahá’í-Religion und natürlich mit katholischen und evangelischen Christen.
„Besonderes Gewicht liegt auf dem Austausch mit dem Islam“, sagt Lautenschläger. Etwa vier Prozent der Bevölkerung im Raum Unterfranken sind Muslime. Sie leben vor allem in den drei Stadt- und Landkreisen Aschaffenburg, Würzburg, Schweinfurt sowie im Raum Miltenberg. „Es gibt eine Vielfalt an unterschiedlichen politischen und religiösen Richtungen unter den Muslimen. Im Bereich der Diözese gibt es 52 islamische Vereine, die ich versuche, allmählich kennen zu lernen. Wir stehen aber bislang nur mit einem kleinen Teil von ihnen im Kontakt“, betont sie. Die Arbeit der Vereine sei aber nicht repräsentativ: nur 15 Prozent aller Muslime in Deutschland organisierten sich in Vereinen. „Es sind meist die orthodoxen, praktizierenden Muslime, die in der Öffentlichkeit auftreten.“
Bei den regelmäßigen Treffen mit Muslimen, an denen Lautenschläger teilnimmt, geht es um Dialog: „Deshalb sind es oftmals Gesprächsrunden und keine Vortragsabende“, sagt sie. Ziel sei es, einander besser kennen zu lernen und „zu begreifen, was dem anderen heilig ist und das mit Respekt zu behandeln.“ Grundregel sei Ideal mit Ideal und Realität mit Realität zu vergleichen. „Alles andere schafft Polemik.“
Gesprochen werde über Vorurteile und auch über heikle Themen wie Fundamentalismus und Gewalt. „Wir klammern kein Thema aus. Bedingung ist aber, das alles auf der Basis von Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit geschieht.“ Auch über den Karikaturenstreit, über die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. oder auch über das Kopftuchurteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes wurde debattiert. Natürlich sei das Kopftuch Ausdruck des islamischen Glaubens, sagt Lautenschläger. „Aber der Islam lässt sich nicht auf ein Stückchen Stoff reduzieren.“ Sie kenne Muslime mit und ohne Kopftuch, gläubige und weniger gläubige. Darüber gebe das Kopftuch keine allgemeingültige Auskunft. „In diesem Zusammenhang sprechen wir natürlich auch über die Stellung der Frau, sowohl im Islam, als auch im Christentum“, sagt Lautenschläger.
Sie selbst denke im Hinblick auf die Kopftuchdebatte immer auch an die Bibelstellen, in denen sich Jesus mit den Gesetzeslehrern auseinandersetzt. „Jesus hat nach dem Geist hinter den Buchstaben gefragt. Das tun ebenso viele muslimische Mystiker und auch wir in gewisser Weise mit unseren Gesprächskreisen.“ In der Auseinandersetzung mit Kopftuch, Bilderstreit oder Speisevorschriften werde Christen oftmals erst klar, welche neue Dimension mit Jesus von Nazareth in die Welt gekommen sei: „Eine Freiheit, die ungeheuer anspruchsvoll ist.“
Den Wert des interreligiösen Dialogs sieht Lautenschläger in dem besseren Kennenlernen der verschiedenen Glaubensrichtungen: „Nur wenn wir den anderen kennen, können wir ihn auch verstehen. Juden, Muslime und Christen glauben an den selben Gott, aber nicht an den gleichen.“ Für die Muslime offenbare sich der Wille Gottes im Koran. Für Christen hat sich Gott in Jesus Christus offenbart. „Der Koran sagt: Wenn Gott gewollt hätte, hätte er euch zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Aber er teilte euch in verschiedene Religionen. Wetteifert nun nach den guten Dingen, heißt es in der fünften Sure. Das ist ein guter Ansatz für den interreligiösen Dialog.“
Wie im vergangenen Jahr wird es auch im Sommer 2007 eine Multiplikatorenschulung zum Thema „Christlich-Muslimische Begegnung“ geben. Das Angebot richtet sich an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der Diözese Würzburg. Anmeldung und nähere Informationen bei der Katholischen Akademie Domschule, Am Bruderhof 1, 97070 Würzburg, Telefon 0931/38664512, E-Mail info@domschule-wuerzburg.de, Internet www.domschule-wuerzburg.de.
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