Gottes Geschenk: Sein Reich
Mozarts Spatzenmesse, die unser Domchor heute singt, kann uns an die Devise des heiligen Johannes Don Bosco erinnern; er sagte sich und den Seinen: „Gutes tun, fröhlich sein, und die Spatzen pfeifen lassen.“ In diesem Sinne hat er zahlreichen Kindern und Jugendlichen geholfen. Er handelte anders als die Jünger, von denen wir eben gehört haben, dass sie die Leute schroff abgewiesen haben, die ihre Kinder segnen lassen wollten (Mk 10,13). Don Bosco machte sich die Worte Jesu zu Eigen: „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran“ (Mk 10,14). Im Glauben baute der große Freund der Jugend auf die Zusage Jesu: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat“ (Mk 9,37).
Dabei hat Don Bosco erfahren, dass Kinder wichtige Helfer des Herrn sein können. Sie können uns die Wahrheit vor Augen halten, die uns am Ende des heutigen Evangeliums ans Herz gelegt wird. Mit allem Nachdruck erklärt Jesus: „Amen, das sage ich euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen“ (Mk 10,15). Hier geht es um nicht weniger als um unser Geschick in Zeit und Ewigkeit. Gott will uns in sein Reich aufnehmen und uns so Anteil geben an seinem Leben und Lieben, an seiner Herrlichkeit und an seiner Seligkeit. Gottes Sohn ist Mensch geworden, um die Frohbotschaft von diesem Reich zu verkünden und zugleich den Beginn dieses Reiches in unserer Mitte grundzulegen. Seither stehen die Tore zum Reich Gottes weit für uns auf. Um sie zu durchschreiten brauchen wir keine Prüfungen abzulegen und keine Zeugnisse vorzuweisen. Wir haben auch nicht eine Riesensumme aufzubringen, um uns den Eintritt zu erkaufen. Entscheidend ist, dass wir das Reich Gottes annehmen wie ein Kind. Wie Don Bosco kann uns auch Wolfgang Amadeus Mozart helfen, das in der rechten Weise zu verstehen und anzustreben.
Wie ein Kind Gottes Reich annehmen
Hilflosigkeit
Mozarts Schwester Nannerl, die ihren Bruder wie kaum jemand sonst kannte und liebte, hat gelegentlich geschrieben: „Außer der Musik war und blieb er fast immer ein Kind.“ Die musikalisch Hochbegabte war mit ihrem fünf Jahre jüngeren Bruder innig verbunden. Sie musizierten zuhause und in der Öffentlichkeit miteinander. Waren sie durch Reisen getrennt, schrieben sie sich kindliche Briefe voller Sprachspielereien und Neckereien. Weitere Briefe an andere Adressaten zeigen, dass auch der heranwachsende und selbst der erwachsene Wolfgang Amadeus seine Kindlichkeit keineswegs hinter sich ließ. In einem tiefen Sinn gehörte sie zu seinem ganzen Leben. Mancher mag das als Unreife oder als Marotte eines Künstlers negativ werten und als ein Armutszeugnis ansehen, über das man den Schleier des Schweigens breiten sollte. Ja, Mozarts Kindhaftigkeit ist ein Armutszeugnis; es ist es im besten Sinne des Wortes. Das Kindsein, von dem Jesus spricht, ist ja vor allem dadurch gekennzeichnet, dass das Kind von sich aus ganz arm ist. Arm kommt es in die Welt. Jahrelang ist es darauf angewiesen, dass andere ihm helfen. Das Armsein in diesem Sinne ist genau die Gott gegenüber fällige Grundhaltung. Jesus fordert sie mit allem Nachdruck: „Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt 18,3). Alles hängt daran, dass wir einsehen und bejahen, dass wir von uns aus nichts sind, nichts können, nichts haben, dass wir alles Gott verdanken. Als Erzbischof von München hat unser Papst gelehrt: Wenn der Mensch das so verstandene Kindsein „als Weise des Existierens völlig beiseite wirft, endet er im Nichts, weil er gegen seine Wahrheit steht … Nur wenn er den innersten Kern des Kindseins wahrt, die von Jesus vorgelebte Sohnesexistenz, tritt er mit dem Sohn ins Gottsein ein.“
Ja zum Willen Gottes
Zu dem von Christus geforderten „Werden wie die Kinder“ gehört das einschränkungslose Ja zum Willen des Vaters. So schwer es fallen mag, es vermittelt Geborgenheit und zugleich Freiheit. Mehrfach finden wir in Mozarts Briefen ein Echo dieser allfälligen Entscheidung. Als er erfährt, dass Martha, die Tochter des Hausherrn Johann Lorenz Hagenauer, schwer erkrankt ist, schreibt der Vierzehnjährige seiner Mutter: „hoffe mit der hülf gottes wird sie schon wieder gesund werden, wo nicht, so mus man sich nicht zu starck betrüben, dann der willen gottes ist allzeit der beste, und gott wird schon besser wissen ob es besser ist zu seyn auf dieser welt oder in der andern.“ Als er in Mannheim nicht erreicht, was er sehnlichst erhofft hat, hält er vertrauensvoll fest: „was nutzen doch die überflüssige Speculationen, was geschehen wird, wissen wir doch nicht, doch - - wir wissen es! - - was gott will.“ Um den Vater auf den Tod seiner geliebten Gattin vorzubereiten, sucht er ihn zu ermutigen: „haben wir unser vertrauen auf gott, und trösten wir uns mit diesem gedancken, dass alles gut gehet, wenn es nach dem willen des allmächtigen geht, indemm er am besten weis was uns allen sowohl zu unsern zeitlichen und Ewigen glück und heyl er-spriesslich und nutzbar ist.“ Gott ist „mittleidig, barmherzig und liebreich,“ schreibt der Einundzwanzigjährige seinem Vater . Daraus ergibt sich für die Kinder Gottes der Imperativ: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist“ (Lk 6,36).
Hilfsbereitschaft
Zum Kindsein im biblischen Sinn gehören nicht zuletzt Güte und Menschenfreundlichkeit. Das Kind, das von der Hilfe anderer abhängt, ist schnell bereit, anderen zu helfen. Viele haben erfahren, dass bereits die bekundete Hilfsbereitschaft eines kleinen Kindes einem viel geben kann, selbst wenn diese sich nicht wie gewünscht auswirken kann. Wie leicht lassen sich Kinder gewinnen wenn es darum geht, anderen beizustehen. Denken wir nur daran, wie vielen Menschen durch die Hilfsbereitschaft unserer Kinder beim Dreikönigssingen wirksam geholfen wird.
Viele, die Mozart zeitlebens begegnet sind, und Ungezählte, die nach seinem Tod durch seine Werke ihn kennengelernt haben, stimmen darin überein, dass er in außergewöhnlichem Maß von der Liebe beseelt und bewegt wurde. Nach dem Urteil des Musikwissenschaftlers Karl Storck ist sein „ganzes Wesen Liebe“ . Sein gesamtes musikalisches Schaffen ist ein liebendes Mitteilen dessen, was ihm geschenkt wurde und was ihn im Innersten bewegte. Bei all dem war er einer der „fröhlichen Geber“, von denen der heilige Paulus sagt, dass Gott sie besonders liebt (2 Kor 9,7). Auf seine Weise ist Mozart dem Appell des Völkerapostels gefolgt, der seiner Lieblingsgemeinde schreibt: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt“ (Phil 4,4 f.).
Damit weist uns Mozarts Leben und Schaffen auf einen Grundzug des Gottesreiches hin. Paulus bringt ihn auf den Punkt mit den Worten: „Das Reich Gottes ist … Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm 14,17).
Gottes Reich ist Friede und Freude
Alle Not dieser Welt, die Mozart reichlich zu spüren bekam, alle Enttäuschungen und Leiden, die ihm zuteil wurden, selbst die Macht des Todes haben ihn nicht von seiner Grundhaltung abgebracht. So konnte er inmitten aller Bedrängnisse ein musikalisches Werk schaffen, das vom Frieden und von der Freude beseelt ist. Bewegend bezeugt das der Brief, den er seinem Vater schrieb, als er von dessen schwerer Erkrankung erfuhr. Es ist sein letzter Brief an den Vater, der bald darauf starb. Während viele in solchen Situationen lediglich vom Ernst der Lage ablenken oder aber nur billig vertröstende Worte finden, hat Wolfgang Amadeus den Mut und die Kraft, den Blick auf die Macht und die immerzu gegebene Nähe des Todes zu richten. Dann bekennt er seinem Vater: „ich lege mich nie zu bette ohne zu bedenken dass ich vielleicht: so jung als ich bin: den andern tag nicht mehr seyn werde – und es wird doch kein Mensch von allen die mich kennen sagn können dass ich im umgange Mürrisch oder trauerig wäre – und für diese glückseeligkeit danke ich alle tage meinem Schöpfer, und wünsche sie von Herzen Jedem meiner Mitmenschen“.
Bitten wir den Herrn, dass er uns das wahre Kindsein schenkt, ohne das wir nicht in sein Reich kommen; dass er uns unsere Hilfsbedürftigkeit bewusst macht, uns das rechte Gottvertrauen verleiht und uns zu fröhlichen Gebern macht! Amen.
(4106/1410)