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„Wahrnehmbare Ungleichzeitigkeit“

Interview mit Dekan Jan Kölbel zur Situation im Dekanat Alzenau angesichts der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften

Alzenau (POW) Im Dekanat Alzenau im Westen des Bistums Würzburg steigt die Zahl der Katholiken in den kommenden Jahren wegen des Zuzugs aus dem Großraum Frankfurt/Main eher an. In sieben Pfarreiengemeinschaften und einer großen Einzelpfarrei sollen spätestens ab 2010 die derzeit rund 42.000 Katholiken der 16 Pfarreien, vier Kuratien und sieben Filialen betreut werden. In folgendem Interview spricht Dekan Jan Kölbel (Alzenau) über den aktuellen Stand der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften im Dekanat Alzenau, über Pfarrverbände und über die Seelsorge in Pendlergemeinden.

POW: Wie würden Sie den aktuellen Stand des Prozesses der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften im Dekanat Alzenau umschreiben?

Dekan Jan Kölbel: Es gibt im Dekanat Alzenau eine deutlich wahrnehmbare Ungleichzeitigkeit. Die Pfarreiengemeinschaft „Mittlerer Kahlgrund“ hat heute schon den geplanten Stand von 2010 erreicht und kann als vorbildlich gelten. Andere Pfarreiengemeinschaften befinden sich in der Aufbauphase. Einige Gemeinden müssen sich erst noch auf den Weg machen. Eine Gemeinde – die Pfarrei Kahl am Main – soll als Einzelpfarrei bestehen bleiben.

POW: Wo liegen die besonderen Probleme, wo die besonderen Chancen in Ihrem Dekanat?

Kölbel: Die Probleme sind hier wohl dieselben wie fast überall. Die Pfarreiengemeinschaften werden nicht von vorneherein als Chance gesehen, sondern vielmehr als Notlösung, die dem Personalmangel geschuldet ist. Hier ist viel Überzeugungsarbeit nötig. Zudem müssen sich viele Gemeinden eh' schon seit Jahren einen Pfarrer – plus weitere Hauptamtliche – teilen, so dass mitunter die Frage aufkommt: Warum brauchen wir noch eine Pfarreiengemeinschaft? Hier gilt es zu vermitteln, dass eine Pfarreiengemeinschaft auch die Vernetzung pastoraler Initiativen und die Nutzung von Synergie-Effekten als Chance in sich birgt. Als Chance ist der Umstand zu nennen, dass unser Dekanat einen geschichtlich gewachsenen Raum bildet. Es ist deckungsgleich mit dem ehemaligen Landkreis Alzenau und entspricht im Wesentlichen dem mittelalterlichen „Freigericht“, einer halbautonomen „Bauernrepublik“. Daher resultiert eine gemeinsame „Kahlgründer Identität“. Das zeigt sich auch an zahlreichen Aktivitäten auf Dekanatsebene. Zu nennen wäre hier besonders die Seniorenarbeit und die Arbeit des Dekanats-Jugend-Teams, das die Aktion „edd“ („entdecke dein dekanat“) ins Leben gerufen hat. Auch die Besuchsdienste für das Kreiskrankenhaus in Wasserlos werden auf Dekanatsebene begleitet. Alzenau war auch das erste Dekanat mit einer kooperativen Leitungsstruktur. Das bedeutet konkret, dass es einen erweiterten Dekanatsvorstand gibt, zu dem außer dem Dekan, seinem Stellvertreter und dem Prokurator auch noch zwei hauptamtliche Laienmitarbeiter gehören. Zudem sind wir ein sehr „junges“ Dekanat, was die Altersstruktur der Priester und der weiteren Hauptamtlichen betrifft.

POW: Welche besonderen geistlichen Zentren gibt es im Dekanat und welche Bedeutung haben Sie für die einzelnen Gemeinden?

Kölbel: Zu nennen wäre hier die Wallfahrtskirche „Maria zum Rauhen Wind“ in Alzenau-Kälberau. Hier schlägt das geistliche Herz des Kahlgrundes. Ein eigenes Bildungshaus besitzen wir nicht, doch das Martinushaus in Aschaffenburg und das Bildungshaus in Schmerlenbach liegen nicht weit entfernt. Deren Angebote werden gerade von vielen Ehrenamtlichen gerne angenommen.

POW: Welche Rolle spielen die bestehenden Pfarrverbände?

Kölbel: Der Pfarrverband „Oberer Kahlgrund“ ist durchaus noch eine reale Größe, gerade in Bezug auf die Absprachen der Hauptamtlichen. Der Pfarrverband Mömbris ist in der Pfarreiengemeinschaft „Mittlerer Kahlgrund“ aufgegangen. Auf der Ebene des Stadtgebietes Alzenau gibt es regelmäßige Treffen der Hauptamtlichen, an denen auch die Vertreter der evangelischen Gemeinde teilnehmen, aber als Pfarrverband würde ich das nicht bezeichnen.

POW: Das Dekanat Alzenau grenzt an die Bistümer Mainz und Fulda. Gibt es grenzüberschreitende Kooperationen, beispielsweise im Schulbereich?

Kölbel: Es gibt zwar vereinzelte Kontakte und gerade das Kreuzburg-Gymnasium der Franziskaner in Großkrotzenburg zieht auch viele Schüler und Schülerinnen aus dem Kahlgrund an, aber eine organisierte Kooperation gibt es nicht.

POW: Im Dekanat Alzenau gibt es viele Menschen, die beruflich in den Großraum Rhein-Main pendeln. Wie wirkt sich das auf das Gemeindeleben vor Ort aus?

Kölbel: Es gibt auf der einen Seite die gewachsene Kerngemeinde, auf der anderen Seite sehr viele Zugezogene. Dies ist vor allem im südlichen und mittleren Teil des Dekanates sehr ausgeprägt. Etliche dieser Zugezogenen waren in ihren früheren Wohnorten schon kirchlich engagiert und bringen mit ihren Vorstellungen „frischen Wind“ in die Pfarreien – nicht immer zur Freude der Alteingesessenen. Aber viele finden auch nur schwer den Kontakt zur Gemeinde vor Ort. Durch gezielte Einladungen und über die Kinder, über Taufe, Kindergarten, Schule, Erstkommunion, Jugendarbeit, lassen sich diese Menschen durchaus ansprechen, aber die dauerhafte Einbindung in die Pfarrei ist oft schwierig.

POW: Was möchten Sie am ersten Fastensonntag 2010 mit Blick auf das Dekanat Alzenau sagen können?

Kölbel: Ich möchte dann sagen können, dass unsere Gemeinden und die Hauptamtliche ihre „Hausaufgaben“ gemacht haben. Ich hoffe aber auch, dass Würzburg für eine ausreichende Versorgung der Pfarreiengemeinschaften mit hauptamtlichen pastoralen Kräften sorgt. Hier sehe ich ein deutliches Problem. Wir haben in unseren Pfarreien und Pfarrgemeinschaften zahllose sehr engagierte ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Doch denen kann und darf man nicht immer noch mehr aufbürden und ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie „Lückenbüßer“ sind.

(1807/0678)