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Warnung vor Eigendynamik des Themas

Bischof Dr. Franz Jung diskutiert nach der Würzburger Premiere von Ferdinand von Schirachs Stück „GOTT“ mit dem Publikum über das Thema assistierter Suizid

Würzburg (POW) Soll ein gesunder Mensch die Möglichkeit haben, mit einem vom Arzt verschriebenen Mittel sein Leben selbst zu beenden? Um diese Grundsatzfrage geht es bei Ferdinand von Schirachs Theaterstück „GOTT“. Im Anschluss an die Premiere der aktuellen Produktion des Würzburger Theaters Chambinzky im Matthias-Ehrenfried-Haus stellte sich Bischof Dr. Franz Jung am Freitagabend, 17. September, der Diskussion mit den Zuschauern.

Der Bischof nannte die Aufführung „ein hochemotionales Stück“. Es mache deutlich, dass die Herangehensweise an ein Thema sich schnell verändere, wenn von einem allgemeinen, theoretischen Fall sich der Blick auf eine konkrete Person hin fokussiere. Dem stimmten auch viele Wortmeldungen zu, die erklärten, im Stück bei den unterschiedlichen Positionen von Experten aus Kirche, Recht und Ärzteschaft eine förmliche Achterbahnfahrt der Gefühle durchlebt zu haben. „Ist denn eigentlich wirklich schon erforscht, was in einem Menschen, der das tödliche Mittel genommen hat, von der Gefühlslage her zwischen diesem Moment und dem Eintreten des Todes passiert?“, fragte eine Zuschauerin.

Bischof Jung berichtete, dass über das Thema des assistierten Suizids auch in der Deutschen Bischofskonferenz ausgiebig diskutiert worden sei. Für die Bischöfe sei der eigene Standpunkt klar. Trotzdem habe man sich mit dem Thema beschäftigt, „weil klar ist, was die gesellschaftliche Mehrheitsmeinung ist“. Der Bischof gab zu bedenken, ob es wirklich das richtige Verständnis von Autonomie sei, wenn diese darauf abziele, den Autonomen, also den Menschen, zu vernichten. Aus Sicht des christlichen Glaubens gehe es im Leben auch darum, Leid anzunehmen. Zugleich widersprach Bischof Jung dem Bischof des Stücks. Letzterer spricht davon, dass sich das Christentum aufgrund Jesu Tod am Kreuz als „Religion des Leidens“ verstehe. Der Würzburger Bischof aber will das Christentum als „Religion des Lebens“ verstanden wissen. Deswegen sei die Kirche insbesondere angefragt, wenn es darum gehe, Menschen zu begleiten, deren Lebensweg zu Ende geht. „Wir wollen nicht den Suizid ermöglichen, sondern auf die Folgen hinweisen“, betonte der Bischof.

Er warnte davor, dass der Suizid womöglich bald eine anerkannte Normvariante des Sterbens werde. „Dann besteht die Gefahr, dass auf schwer Kranke und Alte ein sozialer Druck aufgebaut wird. Diese Eigendynamik will die Kirche nicht.“ Ein Zuschauer, der als Psychologe in der Beratung tätig ist, erklärte aus seiner Berufserfahrung, dass es für hinterbliebene Kinder kaum eine schwerere Belastung gebe, als wenn Eltern sich suizidierten. „Bei manchen kommen die Schuldgefühle auch erst später auf“, sagte der Mann im Blick auf das im Stück geäußerte Sich-Abfinden der Kinder mit dem Suizidwunsch ihres Vaters.

Klar gegen jede Form des assistierten Suizids sprach sich bei der Diskussion eine ältere Dame im Publikum aus: „Es geht um das Beispiel für die Mitmenschen. Ich möchte kein schlechtes Beispiel für meine Familie geben, auch wenn es schwierig wird.“ Sie erzählte, dass es schon jetzt Rechenbeispiele dafür gebe, was ein Mensch um 20 Jahre die Krankenversicherung koste und was ein Mensch, der 80 oder älter ist. „Wohin kommen wir, wenn Menschen sich verteidigen müssen, warum sie noch leben wollen?“

Der Bischof verwies zudem auf die heikle Frage, wie sich christlich geprägte Einrichtungen, beispielsweise Krankenhäuser und Seniorenheime, verhalten sollen, wenn Patienten mit dem Wunsch nach assistiertem Suizid an sie herantreten. Er plädierte dafür, dass es unbedingt mehr Palliativversorgung und Begleitung für todkranke Menschen brauche. Was die im Stück kritisierte frühere Haltung der Kirche zur Beisetzung von Suizidierten betrifft, so habe sich diese grundlegend geändert. Ein kirchliches Begräbnis sei umso wichtiger, als die Angehörigen oft schockiert und erschüttert dastünden und nicht verstünden, was zu der Tat geführt habe.

Ein Zuschauer sagte, die zunächst theoretische Möglichkeit, assistierten Suizid begehen zu können, habe den Vorteil, dass dadurch das Umfeld in einen solchen Prozess eingebunden wäre und so die Chance erhalte, den Betroffenen umzustimmen. Miteinander zu reden sei in jedem Fall richtig und wichtig, pflichtete der Bischof bei. Aus kirchlicher Sicht gehe es darum, ein Sinnangebot zu geben. „Was heißt Freiheit und wen bedenkt sie mit?“, gab Bischof Jung als Schlusswort mit.

In der Abstimmung über die anfangs genannte Frage, die den Schlusspunkt des Theaterstücks bildete und der Diskussion vorausging, votierten am Premierenabend unter Coronaschutzbedingungen 38 Zuschauer dafür und 20 dagegen.

Informationen zu den Terminen und Orten der weiteren Aufführungen mit Diskussionsmöglichkeit mit Experten finden sich im Internet unter www.chambinzky.com und www.domschule-wuerzburg.de.

mh (POW)

(3821/0899; E-Mail voraus)

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