Liebe Schwestern und Brüder,
die Weihnachtsbotschaft wird nun schon seit 2000 Jahren verkündet – und ist doch nicht alt. Sie behält unvermindert ihre aufwühlende Aktualität und Frische:
„Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14) – wie in Stein eingemeißelt tritt uns dieser Satz entgegen. Kann man umfassender und eindringlicher das Wunder der Menschwerdung Gottes präzise ausdrücken? – „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“
Wir stehen da mit leeren Händen und kindlicher Hoffnung, dass sich dieses weltbewegende Ereignis auch an und in uns vollzieht.
Dietrich Bonhoeffer, der große christliche Bekenner und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, der am 5. April 1943 verhaftet und zwei Jahre später am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet wurde, hat in dieser schweren Zeit über das Weihnachtsgeschehen geschrieben: „‘Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt.‘ Von der Geburt eines Kindes ist die Rede, nicht von der umwälzenden Tat eines starken Mannes. Ein Kind wird hier in den Mittelpunkt des Weltgeschehens gestellt. Das ist das Geheimnis der Erlösung der Welt. Dass uns dieses Kind geboren, dieser Sohn geschenkt ist, dass ich ihn kenne, ihn habe, ihn liebe, dass ich sein bin und er mein ist, daran hängt mein Leben. Ein Kind hat unser Leben in der Hand. Wo heute so viele mächtige Frauen und Männer hilflos sind – wie viel mehr müssten wir uns den Händen des Kindes anvertrauen – jeden Tag!“
Gott begibt sich in unsere Hände! Das fleischgewordene Wort liefert sich uns als wehrloses Kind aus. Kann es einen größeren Vertrauens- und Liebesbeweis geben?
Wilhelm Emmanuel von Ketteler, der spätere Bischof von Mainz, hat als Propst in einer Adventspredigt 1849 in Berlin gesagt: „Wenn Jesus Christus sich durch die Größe unseres Elends nicht abhalten ließ, sich vom Himmel zu uns herabzulassen, so sollen auch wir, wenn wir Christen sind, dort hineilen, wo die Not am größten ist.“
Hier fokussiert das Weihnachtsgeschehen: Die Menschwerdung Gottes greift da, wo wir uns von diesem überwältigenden Ereignis berühren und bestimmen lassen. Was nützte es, Weihnachten zu feiern, wenn sich dadurch unser Leben nicht beeinflussen und zum Guten verändern ließe?
Und die Not ist – weltweit – sehr groß. So sprach Papst Johannes Paul II in einer Christmette 2004 in Sankt Peter in Rom folgendes Gebet: „Denk an uns, ewiger Sohn Gottes, der du im jungfräulichen Schoß Mariens Fleisch geworden bist. Deiner bedarf die ganze Menschheit, die von so vielen Prüfungen und Schwierigkeiten gezeichnet ist.“
Liebe Schwestern und Brüder,
Gott spricht sich selbst in der Menschwerdung Jesu Christi aus: Er, der Ewige, Unsichtbare, Allmächtige, wird gleichsam endlich, sichtbar, verletzbar. Was für ein gewaltiger Schritt Gottes auf uns zu.
Wir bekennen, dass die Welt durch das Wort, das Wort, das Gott ist, geschaffen wurde. Alles Dasein verdankt sich der Schöpferkraft Gottes. Was aber haben wir Menschen aus dem Geschenk des Lebens gemacht?
Gott ließ sich nicht von den vielen menschlichen Gräueltaten abschrecken. Er trat in unsere Geschichte und in das Leben eines jeden einzelnen Menschen, um uns nahe zu sein.
Dieses Liebesgeschehen ist nicht Vergangenheit. Er bleibt unter uns bis an das Ende der Zeiten. Seine unmittelbare Nähe und Gegenwart erweist sich auch heute in der Verkündigung seines Wortes, in der Feier der Sakramente und in gelebter Nächstenliebe. Er hört nicht auf, uns zu sagen, dass er uns liebt.
Wenn wir beim Anblick eines kleinen Kindes emotional berührt werden und etwas von der Unschuld und der noch ungebrochenen Schöpfung erfahren, wie viel mehr von diesem Kind in Betlehem!
Vor wenigen Tagen brachten Pfadfinder das Licht von Betlehem nach Deutschland in unsere Pfarreien und Häuser.
In wenigen Tagen wird die bundesweite Sternsingeraktion von Würzburg aus gestartet. Kinder und Jugendliche ziehen mit ihrem Stern von Haus zu Haus, verkünden die Frohe Botschaft von der Menschwerdung Gottes und sammeln für notleidende Kinder in aller Welt, besonders aber auch für Afrika und unser Partnerbistum Mbinga.
Mögen wir uns von der Liebesglut des göttlichen Lichtes entflammen lassen. Die Welt wartet auf unser gelebtes Glaubenszeugnis.
Amen.