Würzburg (POW) Kardinal Miloslav Vlk hat Deutsche und Tschechen aufgerufen, den Weg der Versöhnung zwischen beiden Nachbarvölkern fortzusetzen. Bei einer Festakademie zum 50. Jubiläum der Nepomuk-Feier in Würzburg am Samstag, 13. Mai, ehrte die Ackermann-Gemeinde den Erzbischof von Prag mit der erstmals verliehenen Nepomuk-Medaille. Kardinal Vlk sei ein mutiger Zeuge des Glaubens und Brückenbauer zwischen Deutschen und Tschechen, würdigte der Bundes- und Diözesanvorsitzende der Ackermann-Gemeinde, Adolf Ullmann. Neben der Festakademie bildeten ein Pontifikalamt mit Kardinal Vlk in der Neumünsterkirche und die anschließende Lichterprozession zur Alten Mainbrücke mit dem traditionellen Lichterschwimmen auf dem Main den Auftakt zur diesjährigen Renovabis-Pfingstaktion für die Kirche in Mittel- und Osteuropa.
Bei der Festakademie in den Residenzgaststätten sprach der Kardinal zum Thema „Die Kirchen in Mitteleuropa - Aspekte ihrer Entwicklung nach 1989". Am Beispiel der Kirche in Tschechien zeigte Vlk auf, dass die religiöse Situation in Tschechien über 15 Jahre nach der Wende nach wie vor sehr komplex und nicht unproblematisch sei. Der von den Kommunisten propagierte Antikatholizismus sitze weiter in vielen Köpfen fest. „Die Stellung der Kirche als Institution ist immer noch verhältnismäßig schwach.“ Sie sei zwar frei und habe viele Möglichkeiten zu wirken, doch sei sie vom Staat finanziell abhängig.
In der katholischen Kirche Tschechiens gebe es zu wenig Priester, fundierte theologische Lehrkräfte fehlten vielerorts, und in den Pfarrgemeinden mangele es an engagierten kompetenten Laien, verdeutlichte der Kardinal. Ein positives Zeichen sei das große Interesse von Laien am Theologiestudium. Katholische Fakultäten gebe es in Prag, Olmütz und Budweis. Die meisten Priester in Tschechien sind nach den Worten des Kardinals alt und durch die jahrzehntelange Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Regime geprägt. Da vor 1989 nur Priester in der Kirche aktiv sein durften, sei es für die Geistlichen heute schwierig, mit Laien zusammenzuarbeiten. Mit der im vergangenen Jahr durchgeführten Synode wolle die katholische Kirche in Tschechien die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils besser bekannt machen und in den einzelnen Bistümern umsetzen. „Die Kraft und Hoffnung der tschechischen Kirche ist der auferstandene Christus!“
Besonders würdigte Vlk den Einsatz von Papst Johannes Paul II. bei der Öffnung Europas nach Osten hin. Europa müsse mit zwei Lungenflügeln atmen, mit dem Erbe des Westens und des Ostens, habe der Papst immer wieder betont. Seine Leistung für die Einheit Europas könne nicht oft genug hervorgehoben werden. Weiter nannte der Kardinal das Hilfswerk „Renovabis“ der deutschen Katholiken, das viele Projekte und Initiativen in Mittel- und Osteuropa fördere, und die Ackermann-Gemeinde, die sich seit Jahrzehnten in Europa für Austausch und Versöhnung zwischen Ost und West einsetze. Trotz der Hilfe aus dem Westen sei man in Mittel- und Osteuropa aber nicht in der Haltung des armen Freunds des Westen geblieben. Auch im Osten Europas gelte der Blick ärmeren Regionen der Welt. So habe er erst jüngst ein Krankenhaus in Afrika eingeweiht, das von der Prager Caritas gebaut wurde, berichtete der Kardinal.
Ganz wichtige Einrichtungen für die Zusammenarbeit der Kirchen in Europa seien der Rat Europäischer Bischofskonferenzen (CCEE) und die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Im Verhältnis der Kirchen zueinander müsse an erster Stelle die Begegnung in der Liebe stehen. „Ökumene geht dort voran, wo das persönliche und alltägliche Miteinander geteilt wird“, sagte der Kardinal. Ein großer Schmerz sei die Trennung am Tisch des Herrn. „Bei der Eucharistiefeier spüren wir am schmerzlichsten, dass wir getrennt sind.“ Im Umgang mit anderen Religionen – vor allem mit dem Islam - mahnte Kardinal Vlk den Dialog an. Dieser sei die intensivste Form, um Katastrophen zu verhindern, die die Gesellschaft bedrohten.
Große Sorge bereitet dem Kardinal die Säkularisierung in Europa. Die zurückgehende Zahl der Gottesdienstbesucher und der Priester sei besonders schmerzlich. Als Zeichen des Aufbruchs und als „Lichter der Kirche“ wertete er dagegen die neuen geistlichen Bewegungen in Europa. Sie machten deutlich, dass das Leben aus dem Evangelium das Entscheidende für die Kirche sei, und trügen dazu bei, dass Europa eine Völkerfamilie werde. „Ich will nicht nur klagen, sondern Hoffnung wecken“, sagte Vlk. Zur Festakademie eingeladen hatten die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Würzburg, das Ostkirchliche Institut der Augustiner, der Lehrstuhl für Slavistische Philologie der Universität Würzburg, das Gerhard-Möbus-Institut für Schlesienforschung, die Katholische Akademie Domschule Würzburg und die Ackermann-Gemeinde.
Am Samstagabend feierte Kardinal Vlk eine Pontifikalmesse in der Neumünsterkirche zusammen mit Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele, Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand, mehreren Domkapitularen, Priestern aus Tschechien sowie dem Geistlichen Beirat der Ackermann-Gemeinde, Monsignore Karlheinz Frühmorgen. Musikalisch gestaltete der Kirchenchor Mariä Geburt aus Höchberg unter Leitung von Adolf Ullmann den Gottesdienst. In seiner Predigt blickte der Kardinal auf persönliche Glaubenserfahrungen und erinnerte an die Zeit, als ihn die Kommunisten als Fensterputzer eingesetzt hatten. Nach der heiligen Messe zogen die Gläubigen, begleitet von der Blaskapelle Gropp, bei einer Lichterprozession zur Alten Mainbrücke. Der Andacht vor der Nepomukstatue auf der Mainbrücke schloss sich das von der Wasserwacht organisierte traditionelle Lichterschwimmen an.
Der heilige Johannes Nepomuk wurde 1393 auf Befehl Wenzels von der Moldaubrücke in Prag in den Fluss geworfen. Nepomuk hatte sich geweigert, Rechtsbrüche und Intrigen gutzuheißen sowie das Beichtgeheimnis preiszugeben. Wegen seines Martyriums in der Moldau gilt er als Brückenheiliger. Die Restaurierung und Wiederaufstellung der Nepomukstatue auf der Alten Mainbrücke in Würzburg vor 50 Jahren organisierte die 1946 aus katholischen Vertriebenen entstandene Ackermann-Gemeinde. Bischof Dr. Julius Döpfner segnete die neue Statue am 13. Mai 1956. Am Abend zuvor sprach damals der Innsbrucker Professor Dr. Karl Rahner zur „Theologie des Martyriums“.
Darstellungen des heiligen Nepomuk tragen oft fünf Sterne im Kranz um das Haupt. Die Sterne erinnern an das Schweigen des Heiligen und stehen für die fünf lateinischen Buchstaben „tacui“, was „ich habe geschwiegen“ bedeutet. Das Lichterschwimmen geht auf eine Legende zurück, Lichter hätten jene Stelle in der Moldau angezeigt, an der Johannes Nepomuk ertränkt wurde.
bs (POW)
(2006/0720; E-Mail voraus)
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