Großostheim (POW) Vor 22 Jahren ist Schwester Nirmala Francis von Indien nach Deutschland gekommen. Ihr Orden, die Assisi Sisters of Mary Immaculate, hatte sie als Krankenschwester zunächst in den deutschen Hauptsitz des Ordens, das Caritas-Seniorenhaus in Eggolsheim, 2015 in das Caritas-Haus in Großostheim entsandt. Seitdem feiert Schwester Nirmala Francis, Hausoberin in Großostheim, auch Weihnachten in Franken und verbringt den Heiligabend mit ihren 31 Mitschwestern in Deutschland statt mit ihrer Familie in Indien. Mit POW hat sie sich an Weihnachten in Indien und ihren ersten Heiligabend im Orden in Deutschland erinnert und erzählt, warum Weihachten nicht nur am 24. Dezember gelebt werden sollte.
POW: Schwester Nirmala Francis, anstatt Adventskalender zu öffnen, fasten Sie in der Adventszeit. Wie sieht Ihre Vorbereitung auf Weihnachten aus?
Schwester Nirmala Francis: 24 Tage lang verzichten wir auf Fleisch und Fisch und essen komplett vegetarisch. Das Geld (Anmerkung der Redaktion: für Fleisch und Fisch) sparen wir. Es wird an Projekte in Indien geschickt – zum Beispiel, um Konvente zu renovieren, für arme Kinder, für Krebskranke, Leprakranke, Blinde und Taube. Oder wir unterstützen eine junge Frau beim Studieren, damit sie Krankenschwester werden kann. Je nachdem, wer Bedarf hat.
POW: Was passiert noch bei Ihnen in der Vorweihnachtszeit?
Schwester Nirmala Francis: Am 30. November ziehen wir einen Wichtel. Das ist geheim. Für diese Person beten wir 24 Tage und am 24. Dezember, nach der heiligen Messe, beschenken wir sie mit einer Kleinigkeit. Meist wissen wir schon, was die jeweilige Mitschwester braucht, denn wir fahren alle zwei Wochen oder einmal im Monat ins Haupthaus nach Eggolsheim. Da kennen wir uns untereinander gut. Und in der Vorweihnachtszeit beobachten wir nochmal genauer, wer was braucht.
POW: Ihre Mitschwestern und Sie sind quer über Bayern und Unterfranken verteilt. Feiern Sie also gemeinsam in Eggolsheim?
Schwester Nirmala Francis: Ja, wir fahren am 24. Dezember nach Eggolsheim. Dort wird gemeinsam Gottesdienst gefeiert, auch mit den Bewohnern des Caritas-Seniorenhauses dort. Nach der Bewohnerfeier haben wir Zeit für uns. Unsere Oberin legt das Christkind in die Krippe und wir singen gemeinsam ein Weihnachtslied. Das ist alles unsere indische Tradition. Anschließend gibt es ein feierliches Abendessen und die Bescherung mit den Wichtelgeschenken.
POW: Welche Traditionen haben Sie außerdem aus Indien in Deutschland übernommen?
Schwester Nirmala Francis: Einen Weihnachtsbaum zu schmücken, ist auch in Indien Tradition. Und die Christmette ist in Indien sehr wichtig. Sie wird mitten in der Nacht gefeiert, um 23.30 Uhr. So spät ist es hier in Deutschland nicht möglich. Mit den Bewohnern feiern wir bereits um 18 Uhr. Und die Christmette in der Pfarrei, die wir besuchen, ist meist gegen 22 Uhr.
POW: Wo sieht man dann die deutschen Einflüsse in Ihrem Weihnachtsfest? Vielleicht beim Essen?
Schwester Nirmala Francis: Momentan kochen wir deutsch. Bayerische Gerichte, Klöße und Blaukraut dazu. Aber am Heiligabend kochen wir indisch. Da gibt es Reis und verschiedene Arten Fleisch: Biryani. Richtig feierlich wird da gekocht.
POW: Sie haben Ihre Kindheit in Indien verbracht. Wie war das erste Weihnachten in Deutschland im Orden für Sie?
Schwester Nirmala Francis: Anfangs war es sehr traurig. In Indien besuchen wir die Familie und verschiedene Konvente. In der Familie zu sein, ist anders. Das haben wir hier nicht. Ich habe an meinem ersten Weihnachten in Deutschland sogar geweint. Mittlerweile haben wir eigene Telefone und können unsere Familien in Indien rechtzeitig anrufen – vor unserer Christmette hier. Da ist in Indien die Mette vorbei. Für sie ist es dann Weihnachten.
POW: An was erinnern Sie sich am liebsten an Weihnachten in der Kindheit?
Schwester Nirmala Francis: Als Kinder sind wir abends ins Bett gegangen. Unsere Eltern haben uns später rechtzeitig geweckt, um in die Christmette zu gehen. Alle Kinder haben neue Kleidung bekommen, die wir uns selbst aussuchen durften. Wenn wir von der Christmette nach Hause gekommen sind, gab es Bescherung. Aber nur Kleinigkeiten – irgendeine kleine Überraschung von Papa und Mama.
POW: Was bedeutet für Sie die Weihnachtsbotschaft?
Schwester Nirmala Francis: Weihnachten heißt Freude und Frieden schenken. Aber Weihnachten ist nicht nur am 24. Dezember. Ich bin Franziskanerin und der heilige Franziskus hat einmal gesagt: „Jeden Tag soll Weihnachten sein.“ Wenn ich zur Arbeit gehe, versuche ich jeden Tag zu einem guten Tag zu machen. Ich kann den Bewohnern helfen und zuhören, wenn sie traurig sind. Ich schaue nicht streng auf die Uhr. Denn was ich schenken kann, das ist meine freie Zeit und meine Freude.
POW: Und zum Schluss: Haben Sie einen Rat an Familien mit Kindern, wie sie ein schönes Weihnachtsfest feiern können?
Schwester Nirmala Francis: Als Familie einfach da sein, beisammen – egal ob jung oder alt, einfach gemeinsam. Und als Eltern für die Kinder da sein, Liebe schenken.
Interview: Christina Denk (POW)
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