Würzburg/Höchberg (POW) Lob von Gemeindemitgliedern für Prävention und Intervention in der Diözese Würzburg, kritische Worte zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in Folge der jüngst erfolgten Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens: Bei einem Informationsabend auf Einladung von Generalvikar Dr. Jürgen Vorndran zum Thema „Gemeinsam für eine sichere Kirche“ ging es in der Kulturscheune in Höchberg für die Mitglieder der örtlichen Pfarreiengemeinschaft zunächst um die strategische Weiterentwicklung von Prävention und Intervention. Ein anschließender Austausch befasste sich mit der Aufarbeitung der für die Gemeinde erst durch das Gutachten vom April 2025 bekannt gewordenen Tatvorwürfe gegen ihren 2017 verstorbenen Pfarrer. Laut Gutachten soll der Priester die Taten in den 1970er Jahren in einer anderen Gemeinde im Raum Würzburg begangen haben.
Gleich zu Beginn verlas Generalvikar Vorndran den rund 70 Gemeindemitgliedern eine Stellungnahme von Bischof em. Dr. Friedhelm Hofmann, in dessen Amtszeit die Bearbeitung der Vorwürfe gegen den langjährigen Pfarrer geschehen sei. Der emeritierte Bischof bat aufrichtig um Entschuldigung, dass die Gemeinde im Jahr 2010 bei Meldung der Tatvorwürfe nicht informiert worden sei. Er bedauere das heute sehr und wisse, dass er hier als Bischof mehr gefordert gewesen wäre. Weiter räumte er selbstkritisch ein, dass die Meldung der Tatvorwürfe an die Glaubenskongregation in Rom nur mündlich und nicht ordnungsgemäß in schriftlicher Form erfolgt sei. „Ich weiß, dass ich als Diözesanbischof immer die Letztverantwortung getragen habe, auch wenn ich den Umgang mit den Fällen sexualisierter Gewalt meinem Generalvikar anvertraut habe“, schreibt Bischof Hofmann.
Über die Anstrengungen der Diözese Würzburg in Prävention und Intervention sowie die geplante Vorgehensweise für 2025 berichteten Interventionsbeauftragte Kerstin Schüller und Präventionsbeauftragter Michael Biermeier. Bereits seit 2010 sei das Bistum auf dem Weg mit Präventionsschulungen. 2024 fanden 207 Schulungen mit über 3000 Teilnehmenden statt. Anfragen kämen jetzt auch von Organisationen von außerhalb der Kirche, sagte Biermeier. 63 kirchliche Präventionsberater könnten Schulungen in den Pastoralen Räumen durchführen. Über 600 Institutionelle Schutzkonzepte seien in den Kirchenstiftungen in Kraft gesetzt. Alle Mitarbeitenden des Bistums hätten ein erweitertes Führungszeugnis im Jahr 2024 abgegeben, für ehrenamtlich Tätige sei ein eigenes Prüfraster erarbeitet worden.
Laut Biermeier werden die Schulungsformate erweitert. Es gebe mehrtägige Schulungen für pastorale Mitarbeitende, Online-Basisschulungen für Ehrenamtliche und Vertiefungsschulungen für Führungskräfte. Da mehr Wissen zum Institutionellen Schutzkonzept nötig sei, fänden Sprechstunden für Kirchenverwaltungen und Pastoralteams statt. Insgesamt sei die Präventionsarbeit stark ausgeweitet und professionalisiert worden. In nächster Zeit werde man die Schulungskultur weiter stärken, die Teilnahme ausbauen, Schutzkonzepte und Materialien weiterentwickeln. Durch einen verstärkten Dialog mit Haupt- und Ehrenamtlichen würde die Präventionskultur nachhaltig verankert. „Wir sind hier eine lernende Kirche“, sagte Biermeier.
Auf die Meldepflicht für alle Beschäftigten bei Verdacht sexualisierter Gewalt wies Interventionsbeauftragte Schüller in ihrer Erläuterung zum Interventionsverfahren hin. Nach der Prüfung der Zuständigkeit gehe jede Missbrauchsmeldung an die Staatsanwaltschaft. Sobald dort die Freigabe erfolge, werde die beschuldigte Person aus dem Dienst genommen, wenn ein Anfangsverdacht vorliege, und die Verantwortlichen in den Gemeinden beziehungsweise in den Dienststellen informiert. Meldende, Beschuldigte und Betroffene würden in dieser Phase betreut. Eine Interventionsordnung, die Stelle der Interventionsbeauftragten und ein Interventionsteam seien etabliert. Neu eingeführt wird nach den Worten Schüllers ab dem dritten Quartal 2025 eine Ordnung zum Geistlichen Missbrauch. Schließlich wies sie auf die Nulltoleranzpolitik und die regelmäßige Evaluation und ständige Verbesserung hin. „Prävention und Intervention sind Aufgaben für alle kirchlichen Bereiche. Sie gehen Hand in Hand im Bistum Würzburg.“ Für die Selbstverpflichtung zur Unabhängigen Aufarbeitung stünden der Betroffenenbeirat, die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs (UKAM) und die im April 2025 veröffentlichte UKAM-Studie. In den kommenden Monaten erfolgten die Umsetzungen der Empfehlungen der UKAM sowie die Möglichkeit von Schulungen rund um das Thema Intervention.
Die Herausforderungen, vor denen das Bistum stehe, fasste Generalvikar Vorndran zusammen. „Wir wollen eine offene und transparente Kommunikation, die Fehler anerkennt und Verantwortung übernimmt.“ Die Kirche sehe er als Raum der Achtsamkeit und Wertschätzung, in dem Betroffene ernst genommen und unterstützt würden. Nötig seien klare Strukturen und Handlungsabläufe, die nachhaltige Sicherheit gewährleisteten und Übergriffe und sexualisierte Gewalt verhinderten. „Die Vision, die wir haben, lautet: vom reaktiven Verhalten zu proaktiver Haltung“, betonte Vorndran. Für das kommende Halbjahr 2025 kündigte er eine Umsetzung von Maßnahmen aus dem ganztägigen Workshop mit der UKAM auf Basis des Missbrauchsgutachtens an.
Ging es im ersten Teil des Abends um Prävention und Intervention, so beschäftigte sich der Austausch mit den rund 70 Gemeindemitgliedern nahezu allein mit der Frage der Aufarbeitung in der Gemeinde. Eine gute Viertelstunde lang listete ein Gemeindemitglied die im Gutachten aufgeführten Tatvorwürfe gegen den früheren Gemeindepfarrer auf und nannte die verantwortlichen Bischöfe und Generalvikare. Teils gab es deutliche Kritik am Umgang der Verantwortlichen mit den Vorwürfen, die in der Frage mündeten: „Ist dies Übernahme von Verantwortung?“ Eine junge Frau fragte: „Wie sieht denn Aufarbeitung aus?“ Interventionsbeauftragte Schüller wies darauf hin, dass es keine Definition von Aufarbeitung gebe. Schüller gehe in den Dialog und den direkten Austausch mit irritierten Systemen und Personen.
Der Generalvikar bezeichnete in der Diskussion das unabhängige und öffentliche Gutachten als Basis der Aufarbeitung. Es würden weitere Treffen geplant, um zu ergründen, wo Licht ins Dunkel von Missbrauchsfällen gebracht werden müsse. „Diesen Weg wollen wir mit der jeweiligen Gemeinde gehen.“ Herausforderungen bei diesem Vorgehen seien der Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte, die die namentliche Nennung von Beschuldigten einschränkten.
Hilfe für die Gemeinden forderten mehrere Anwesende. „Prävention und Intervention sind in der Diözese bestens aufgestellt. Doch zuvor muss die Aufarbeitung erfolgen. Wir wollen von Ihnen Hilfe in einer ganz konkreten Situation hier in Höchberg“, forderte ein Teilnehmer. „Wir verstehen ihre Wut. Wir wollen helfen“, betonte die Interventionsbeauftragte. Als Vorschlag für eine Hilfe schlugen Teilnehmende Lesehilfen für betroffene Gemeinden zum Gutachten vor. Im Gutachten seien Orte kaum zu erkennen und es sei schwer zu lesen. „Geht aktiv auf Gemeinden zu“, lautete die Forderung mehrerer Gemeindemitglieder an die Verantwortlichen der Diözese.
Generalvikar Vorndran dankte am Schluss des fast dreistündigen Treffens für den offenen Austausch und fasste die ihm vorgetragenen Aufträge zusammen: Miteinander gelte es, einen Rahmen zu schaffen, wie Aufarbeitung stattfinden und weiter vorangebracht werden könne. Hierzu zählten auch Antworten auf die Frage von Teilnehmenden, die verstehen möchten, wie die Verantwortlichen des Bistums im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen in der Vergangenheit so handeln konnten. Generalvikar Vorndran und das Krisenteam planen, im Herbst die Regionen des Bistums erneut zu besuchen, um mit den Hauptamtlichen das Gutachten nochmals in Abschnitten anzuschauen und die Rezeption des Gutachtens in den Gemeinden voranzutreiben. Zur Frage, wie die Erinnerungskultur im Bistum und den Gemeinden neu geprägt werden könne, verwies Vorndran auf Ordinariatsrätin Dr. Christine Schrappe, Leiterin der Hauptabteilung Bildung und Kultur. Sie habe sich mit der Thematik der Erinnerungskultur bereits intensiv befasst. „Wir wollen Licht ins Dunkel bringen“, unterstrich der Generalvikar abschließend.
Am Donnerstag, 26. Juni, ist um 18.30 Uhr ein weiterer Abend zum Thema „Gemeinsam für eine sichere Kirche“ für Gemeindemitglieder in Würzburg im Burkardushaus geplant. Anmeldung im Dekanatsbüro Würzburg unter E-Mail dekanatsbuero.wue@bistum-wuerzburg.de oder unter Telefon 0931/38663700.
Hinweis: Personen, die sexualisierte Gewalt im Bereich des Bistums Würzburg durch Kleriker oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst erfahren haben, können sich an die unabhängigen Ansprechpersonen des Bistums Würzburg wenden.
Unabhängige Ansprechpersonen im Bistum Würzburg:
Professor Dr. Alexander Schraml, Telefon: 0151/21265746,
E-Mail: alexander.schraml@missbrauchsbeauftragte-wuerzburg.de
Ilona an Voort, Telefon: 0151/64402894,
E-Mail: ilona.anvoort@missbrauchsbeauftragte-wuerzburg.de
Interventionsbeauftragte für das Bistum Würzburg:
Kerstin Schüller, Telefon 0931/38610004,
E-Mail: intervention@bistum-wuerzburg.de
Internet: https://www.bistum-wuerzburg.de/seelsorge-hilfe-beratung/missbrauch/
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