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„Wenn es keine Plätzle gäbe, wäre kein Weihnachten“

Weihnachtsbäckerei bei den Schwestern des Ursulinenklosters – Auch vor dem Heiligen Abend darf ausnahmsweise genascht werden – Alte Rezepte beim Umbau 2011 verschollen

Würzburg (POW) Mit einem großen Spatel hebt Schwester Roselin Anthonisamy die ausgestochenen, hellbraun glänzenden Herzen aus dem ausgerollten Teig. Auf einem Blech liegen sie wohlgeordnet, während die Reste neben dem Nudelholz darauf warten, erneut ausgerollt zu werden. Schwester Tarzisia Karger kommt von ihrem Arbeitsplatz am anderen Ende der Küche dazu, schnappt sich ein Stück Teig und nascht. „Naja, man muss schon vor Weihnachten mal probieren, um zu versuchen, ob man die überhaupt essen kann“, erklärt sie grinsend. Der Ofen meldet sich mit einem lauten Tuten. Die ersten fertigen Schneeflocken-Plätzchen erfüllen die Klosterküche der Ursulinen mit ihrem süßen Duft.

An drei Stationen in der großen Küche der Ursulinen werden Plätzchen zubereitet. Schwester Tarzisia bestreicht in aller Ruhe braun gebackene Stern- und Herzplätzchen mit Johannisbeermarmelade und baut aus je dreien einen Turm. „Die selbstgemachte Marmelade habe ich geschenkt bekommen. Weil ich nicht alles selbst essen kann, habe ich sie in die Küche gegeben“, sagt sie. Plötzlich fällt ihr das Messer auf den Boden. Sofort kommt Schwester Roselin aus der anderen Ecke der Küche, stellt es in die Spülmaschine und holt ein frisches aus der Schublade. „Wir sind nur noch sechs Ursulinenschwestern. Früher waren wir 40 Frauen. Ohne die drei indischen Franziskanerinnen wäre es hier einsam“, erzählt Schwester Tarzisia und lächelt Schwester Roselin an. Die schnappt sich eines der Sternplätzchen zum Essen und flitzt zurück zu ihren Ausstechformen.

Schwester Roselin ist 30 Jahre alt und seit 2010 in Deutschland. Derzeit ist sie im zweiten Ausbildungsjahr zur Hauswirtschafterin. „Ich will die alte Tradition, dass Schwestern in der Küche sind, wieder zurückbringen“, erklärt sie lebhaft. In ihrem Heimatland Indien gibt es neben der Süß- auch eine Salzgebäcktradition. „Die Gebäcke gab es immer bei Oma und Opa. Bei einigen Rezepten muss der Teig drei Tage lang aufgehen, damit er ganz locker wird“, ergänzt Schwester Lourthu Anthony, die ebenfalls 2010 mit ihrer Ordensschwester nach Deutschland gekommen ist. Sie drückt mit einer mehlbestäubten Gabel vorsichtig Wellenmuster in den tiefgekühlten Teig, den sie zuvor zu kleinen Kugeln gerollt hat. Keine der sogenannten Schneeflocken sieht gleich aus. Vorsichtig setzt sie die Fertigen auf ein Backblech. Schwester Roselin ist in der Weihnachtsbäckerei diesmal für die Herzplätzchen zuständig: „Das sind Namenstag-Plätzchen. Wer von uns Schwestern Namenstag hat, bekommt ein kleines Päckchen davon, um es in gemütlicher Runde miteinander zu teilen“, erklärt sie.

Die Weihnachtsplätzchen müssen neben dem Alltagsgeschäft gebacken werden. Denn die Klosterküche versorgt nicht nur die neun Schwestern, von denen die meisten über 70 Jahre alt sind, sondern auch die zugehörige Sankt-Ursula-Schule. Ruth Bohlender, Hauswirtschaftsmeisterin und Küchenchefin im Ursulinenkloster, hat alles im Griff und ist froh über die Hilfe der drei Schwestern. Sie sei erst seit Februar dieses Jahres in der Klosterküche. „Das ist auch mein erstes Weihnachtsplätzchenbacken“, sagt sie lächelnd. Als das Klostergebäude und die Küche 2011 umgebaut wurden, seien viele Rezepte verloren gegangen. „Das ist sehr schade. Man merkt erst jetzt, dass Plätzchen nach den alten Rezepten eine schöne Tradition wären“, sagt Bohlender. Sie hat deshalb Schwester Tarzisia gefragt, welches Weihnachtsgebäck die Schwestern immer gebacken haben, und eine lange Liste erstellt. Schwester Tarzisia erinnert sich: Von Spitzbuben über Kokosmakronen bis zu Terrassenplätzchen sei vieles schon gebacken worden, als die Küche noch ausschließlich von Schwestern geführt wurde. „Vergangenes Jahr hatten wir noch Vanillekipferl, Heinerle, Lebkuchen und viele andere“, erzählt Schwester Tarzisia.

Nun werde die Tradition des Plätzchenbackens mit neuen Rezepten aufrechterhalten. „Wir backen für alle Schwestern und für die Hausangestellten. Wir verschenken die Plätzchen dann in Schachteln“, erklärt Schwester Roselin. Die ersten Plätzchen gebe es eigentlich am Heiligen Abend. Da setzen sich die Schwestern, wie schon an ein paar Abenden in der Adventszeit, zusammen ins Gemeinschaftszimmer und teilen die selbstgebackenen Leckereien bei Glühwein, Gedichten und Liedern. Schwester Tarzisia korrigiert: „Am 25. November hat Schwester Katharina Namenstag! Da gibt es ihre Namenstags-, aber auch schon die ersten Weihnachtsplätzchen.“ Am Nikolausvorabend finden sich wieder alle Schwestern zu einem besinnlichen Beisammensein im Gemeinschaftsraum ein. „Es gibt dann aber Nikoläuse, keine Plätzchen“, erklärt Schwester Roselin belustigt.

Eine Tradition, die die Adventszeit in ihrer Intensität und Besinnlichkeit stärken soll, ist das Wichteln. „Am 1. Dezember zieht jede Schwester den Namen einer anderen, ohne ihn zu verraten“, erzählt Schwester Roselin. Bis einige Tage vor Weihnachten beten sie für die Familie dieser Person. „Dann, etwa am 22. Dezember, treffen sich alle im Gemeinschaftsraum, um ihre jeweiligen Gebetspaten zu erraten und ein kleines Wichtelgeschenk zu überreichen.“

Schwester Tarzisia hält inne und betrachtet ihre Plätzchentürme, die mit Marmelade zusammengehalten werden. „Ich frage mich, ob auf die Terrassenplätzchen noch etwas drauf kommt. Die sehen so nackig aus“, murmelt sie fragend. „Vielleicht Puderzucker“, ruft Schwester Roselin quer durch die Küche. Schwester Tarzisia, die seit 1955 im Orden ist und bereits ihr 60. Professjubiläum feiern konnte, hat auch früher schon immer in der Weihnachtsbäckerei mitgeholfen. Meistens habe sie die Plätzchen mit Zuckerguss oder Streuseln verziert. „Ich finde, wenn es keine Plätzle gäbe, wäre kein Weihnachten. Das gehört einfach dazu.“

Carolin Hasenauer (POW)

(4917/1297; E-Mail voraus)

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