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Dokumentation

„Wenn Leben gelingt, ist es immer ein Geschenk des Geistes“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung am Pfingstsonntag, 31. Mai 2020, im Würzburger Kiliansdom

Wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt…

Was eine kühne und zugleich trostreiche Aussage des Apostels Paulus! Die Schöpfung seufzt bis zum heutigen Tag. Sie sehnt sich nach Erlösung. Nach den vergangenen Wochen voller Einschränkungen und Restriktionen angesichts der Corona-Pandemie, die die ganze Welt erfasst hat, können wir dieses tiefe Seufzen aus ganzem Herzen nachvollziehen und mitseufzen. Wann werden wir denn endlich diese Krise überstanden haben? Wann dürfen wir wieder des Lebens freuen, jetzt in diesen herrlichen Frühlingstagen? Die ganze Welt, die ganze Schöpfung seufzt und sehnt sich nach Erlösung.

…und in Geburtswehen liegt

Aber Paulus bleibt nicht beim Seufzen stehen, sondern er bringt es in einen überraschenden Zusammenhang. Das Seufzen der ganzen Schöpfung rührt her von den Geburtswehen! Die Welt leidet nicht einfach, sondern sie liegt in Geburtswehen. Mit dieser Deutung gelingt es Paulus, dem Leiden eine positive Perspektive zu geben. Das Seufzen hat ein Ziel. Es ist das bekannte und notwendige Seufzen der Gebärenden, die ein Kind erwartet. Es sind die Vorzeichen einer Geburt. Die Leiden dieser Welt sind in Wirklichkeit Geburtsschmerzen, an deren Ende eine große Freude steht, wenn neues Leben geboren wird.

Im Leiden nicht untergehen, sondern positiv nach vorne schauen

Erst unter dieser Rücksicht sagt Paulus, werden die Schmerzen erträglich. Unter dieser Rücksicht nimmt man sie in Kauf, denn sie bekommen einen Sinn und werden zur Vorbereitung von etwas ganz Wunderbarem. Wer weiß, dass es Geburtsschmerzen sind, der geht nicht auf im Leid, der bleibt nicht stehen bei dem Schweren und Schmerzhaften, sondern der schaut nach vorne und er freut sich auf das Geschenk des Lebens, das unter Schmerzen geboren wird. Die Erfahrung lehrt, dass nach der Geburt die Schmerzen vergessen sein werden, weil die Freude überwiegt.

Aber nicht nur das, sondern auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, auch wir seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden.

Das Seufzen der ganzen Schöpfung findet nach Paulus seinen Widerhall im menschlichen Herzen. Denn wie die Schöpfung unter ihrer Unfertigkeit leidet und Größeres erwartet, so geht es auch den Christen. Seit unserer Taufe haben wir den Heiligen Geist. Aber dieser Geist ist nicht eine Gabe, die man hat oder nicht hat. Der Geist wirkt in uns. Denn Christ ist man nicht einfach, sondern Christ wird man ein ganzes Leben lang. Der Geist seufzt in uns, denn er möchte, dass wir wirklich als Kinder Gottes offenbar werden vor der Welt. In allen Herausforderungen, Prüfungen und Anfechtungen unseres Lebens geht es darum, dass der Geist immer neu „bis auf den Herzensgrund vordringt“, wie es so wunderbar in der Pfingstsequenz lautet, damit unser Christsein nicht aufgesetzt und oberflächlich ist, sondern damit wir von innen her Christus immer tiefer erkennen und in ihn verwandelt werden.

Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld.

Wir sind also nicht fertig, sondern noch auf dem Weg zur Vollendung. Deshalb liebt der Geist die Armen, weil sie noch etwas von Gott erwarten und sich nicht selbstzufrieden zurücklehnen, als wären sie schon fertig und als wüssten sie schon alles. Das Seufzen des Geistes hält in uns die Hoffnung wach. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen, weil sie die Kraft gibt, auf dem Weg nicht stehen zu bleiben.

• Wer sich verrannt hat, den ruft sie zurück und hilft ihm, den rechten Weg zu finden.

• Wer hart und herzlos geworden ist, dem schenkt sie ein mitfühlendes Herz.

• Wer erstarrt ist und stehen geblieben ist, dem verleiht sie neue Lebendigkeit und Lebensfreude.

• Wer krank geworden ist, dem hilft sie auf dem Weg der Genesung.

• Wer sich verfehlt hat und schuldig geworden ist, den erfüllt sie mit der Zuversicht, Vergebung zu erlangen.

• Wer verbittert und traurig ist, dem schenkt sie die Gnade, loszulassen und sich neu nach Gott auszustrecken.

Wenn Leben gelingt, ist es immer ein Geschenk des Geistes, für das man nicht genug danken kann. Allerdings müssen wir uns oft auch in Geduld üben. Denn vieles braucht Zeit und geht nicht über Nacht. Der Geist schenkt den langen Atem, der so sehr nötig ist, wenn gut werden soll.

So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, was wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern.

Möglich wird das nur durch das Gebet. Ein Gebet, in dem nicht wir einfach unsere Anliegen Gott vortragen und von ihm die Erfüllung unserer Bitten verlangen. Sondern umgekehrt. Es geht um ein Gebet, in dem wir dem Herrn unser Herz öffnen, so dass sein Heiliger Geist in uns beten kann. Es ist das Eingeständnis, dass nicht wir wissen, was für uns gut ist. Vielmehr vertrauen wir uns dem Heiligen Geist an und bitten darum, erkennen zu dürfen, was Gott von uns will. Denn nur so wird es möglich, als Kinder Gottes neu offenbar zu werden. Das ist das Wesen des kontemplativen Betens, das dem unaussprechlichen Seufzen des Geistes im Herzen Raum gibt.

Das gilt für jeden Einzelnen auf seinem Weg der geistlichen Erneuerung. Das gilt für die Kirche als Ganze jetzt beim Synodalen Weg, bei dem wir die Wehen und Geburtsschmerzen der aktuellen Kirchenkrise durchleiden müssen, damit das neue Leben aus Christus geboren werden kann, das dann hoffentlich zur Vertiefung des Glaubens beiträgt und die Freude am Glauben erneuert. Das gilt nicht zuletzt für die ganze Welt, die vor der Frage steht, wie sie gut mit der Corona-Pandemie umgeht und für die wir alle hoffen, dass jetzt die richtigen Konsequenzen gezogen werden, die zur Erneuerung der Menschheit beitragen, die zu mehr Solidarität untereinander und zu mehr Rücksichtnahme aufeinander führen mögen.

Es ist eben wie bei jeder Geburt und den Geburtsschmerzen

Es ist eben wie bei der Geburt eines Menschen. Angesichts der Schmerzen weiß man nicht, worum man bitten soll. Dass sie aufhören mögen? Aber dann kann kein neues Leben zur Welt kommen. Oder dass sie schnell vorbei sein mögen? Aber man kann die Geburt nicht beschleunigen. Man muss das durchleiden. Oder dass alles so abläuft, wie man es sich vorstellt? Aber es ist immer besser, nicht zu genaue Vorstellungen zu haben von dem, was da kommen soll. Denn oftmals kommt es doch anders als man es sich gewünscht hat und dann ist es gut, offen zu bleiben für die Wirklichkeit und ihre Anforderungen.

Der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist. Denn er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein

Gott, der allein die Herzen erforscht, sagt Paulus, weiß was gut für uns ist. Sein Geist tritt so für die Heiligen, für die Getauften ein, wie er es will und wie es ihnen nutzbringend ist. Ein unglaubliches Gottvertrauen spricht aus diesen Worten des Apostels. Er kann so etwas nur sagen, weil er selbst durch viele Drangsale, Leiden und Mühen sich immer wieder aufgerafft hat, so dass er einmal im Philipperbrief bekennt, dass alles, was ihm im Leben zugestoßen ist, auch an Widrigem und Schmerzhaften, ihn letztlich Christus näher gebracht hat und ihn in seinem Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn bestärkt hat (Phil 1,12).

Maria als Geburtshelferin

Pfingsten ist das Geburtsfest der Kirche. Der Geist kommt über die Apostel. So dass sie ihre Angst überwinden und aus der Enge ausbrechen, um allen die frohe Botschaft von der Erneuerung der ganzen Schöpfung durch die Auferstehung Jesu Christi zu künden. Alle sollen im Glauben neu geboren werden. Für die Kirche ist es wie für jeden einzelnen oft eine schwere Geburt.

Da braucht es wie bei jeder Geburt guter Begleiter, Menschen unseres Vertrauens, die einfach dabei sind, Mut zu sprechen, mit uns und für uns beten und sich mitfreuen, wenn der Durchbruch zum Leben gelingt.

Am heutigen Pfingsttag wollen wir besonders die Gottesmutter um ihre Fürbitte anrufen. Die Tradition sagt, dass sie, die frei war von der Erbschuld, eine leichte Geburt hatte. Maria helfe uns bei unserem ganz persönlichen Weg zum neu geboren werden. Denn in ihr dürfen wir schon jetzt „des Heils Vollendung sehn und der Freuden Ewigkeit“, wie wir es in der Pfingstsequenz gesungen haben. Amen.