„Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade.“ (2 Kor 6,2) hörten wir eben in der Lesung aus dem Zweiten Korintherbrief. „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade“ dürfen wir heute aus frohem Herzen sagen. Denn einer aus unserer Mitte wird zum Priester geweiht.
Diakon Thomas Menzel hat immer schon als einzelner seinen Weg gehen müssen: Als Einzelkind Zuhause, im Seminar und jetzt auch bei der Priesterweihe. Er weiß aber, dass er uns alle als eine große geistliche Familie hat. Durch die Priesterweihe kommen ihm darin entscheidende neue Aufgaben zu.
Sein Weg ist ein Weg auf Hoffnung hin. Er baut darauf, dass der, der ihn beruft, auch das einlöst, was er ihm verspricht.
Durch sein ‚Ad sum’– ‚hier bin ich – ich bin bereit’ stellt Thomas Menzel sein ganzes Leben in den Willen Gottes. Er vertraut darauf, dass Gott seine Bereitschaft annimmt und ausfüllt.
Im Grunde ist ein Zweifaches damit verbunden: Er muss loslassen und bereit sein, Gott in und durch sich wirken zu lassen.
Es fällt uns insgesamt schwer, loszulassen. So wie die Händchen der kleinen Kinder greifen und festzuhalten versuchen, so können wir nur schwer auch im übertragenen Sinne loslassen.
Äußerlich sichtbar wird dies, wenn wir Hausputz halten oder vor einem Umzug entscheiden müssen, was alles nicht mehr mit kann oder soll.
Im Grunde aber lassen wir nicht gerne von Gewohnheiten, ob schlechte oder lieb gewonnene. Der geistige Ballast, den wir mitschleppen, hindert uns oft genug, frei zu werden, einen Neuanfang zu wagen, für die Zukunft offen zu werden.
Bei Thomas Menzel stellte sich die Frage noch einmal pointierter. Mit dem heutigen Tag und dieser Priesterweihe wird er gerufen, sich selbst loszulassen und ganz und gar sich auf die von Christus gemachten Versprechungen einzulassen.
Er kann und soll nicht seine bisherigen Lebenserfahrungen, seine Mühen und sein erworbenes Wissen infrage stellen oder vergessen. Die Reifung bis zum heutigen Tag ist eine wesentliche Voraussetzung für den Empfang der Weihe. Aber er soll sich auch nicht an bisherige Erfahrungen klammern oder sie verabsolutieren.
Sich auf Christus einzulassen, bedeutet, alles von Ihm zu erwarten!
Am Ufer des Sees Genesareth gibt es in der Nähe von Tabga, der Brotvermehrungskirche, eine Stelle, die mit dem Ort identifiziert wird, an dem Jesus den Simon zum Petrus machte – aus einem Fischer den Menschenfischer, aus einem schwachen, sündigen Menschen den Felsen, auf dem er seine Kirche bauen wollte.
Dreimal fragte er ihn: „Liebst du mich?“ – und Petrus, nach dem dreimaligen wiederholenden Fragen irritiert, ob denn der Herr an seiner Aufrichtigkeit zweifele, antwortete: „Herr, du weißt alles, du weißt auch, dass ich dich liebe.“ (Vgl. Joh 21,15-17). Erst darauf hin wird ihm die ganze Hirtensorge anvertraut.
Was aber bedeutet es, Jesus mehr als alle anderen und aus ganzem Herzen zu lieben? Gott will nicht ein bisschen Liebe, ein bisschen gute Taten, ein bisschen guter Wille. Gott will uns ganz.
Wenn es heute schon vielen Menschen schwer fällt, sich verbindlich zu entscheiden, sich zu binden und auch in schwierigen Situationen die gegebenen Versprechen einzuhalten, wie viel mehr dann bei dieser Entscheidung für das Priestertum.
Das schwierige bei einer solchen Entscheidung auf Christus hin ist die Tatsache, dass der Herr keine großen Versprechungen macht. Als die Mutter der Zebedäussöhne für sie die besten Plätze im Gottesreich erbittet (vgl. das heutige Evangelium Mt 20,20-28), erhält sie eine deutliche Abfuhr: Selbst wenn die Söhne alles, aber auch alles von Gott Erwartete tatsächlich einlösen könnten – auch den bitteren Kelch des Leidens – , selbst dann könnten sie daraus keine Forderungen ableiten. Gottes Gnade allein ist der Lohn und Gott allein bestimmt das Maß.
Jesus wörtlich an die Mutter der Zebedäussöhne: „Ihr werdet meinen Kelch trinken; doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die mein Vater dieses Plätze bestimmt hat.“ (Mt 20,23)
Es könnte einem ein wenig bange werden, wenn man aufgefordert wird, alles loszulassen, den Blick ganz und gar auf den uns zugewandten Herrn zu richten, alle Unwägbarkeiten, Mühen und Verzichte auf sich zu nehmen und dafür keinen Lohn erwarten zu dürfen.
Liebe Schwestern und Brüder,
warum können wir dies dennoch? Weil Gott die Liebe ist und seine Gnade sich überreich verströmt. Wir dürfen nur keinen Kausalzusammenhang zwischen unserer Bereitschaft und unserem Einsatz zum Lohn herstellen. Wir dürfen nicht vor Gott als Fordernde auftreten. Es muss uns bewusst bleiben, dass alles Gnade ist: unser Leben, unsere Berufung, unser Dienst.
Dann werden wir frei für Christus. Dann kann er in uns Wohnung nehmen und mit seiner Kraft erfüllen.
Es ist ja nicht so, als ob das Priesterleben nur Opfer verlangte. Wie viel Freude wird uns von Anfang an mit geschenkt. Allein Sie, die vielen Mitfeiernden, zeigen, wie viele Menschen sich mit Thomas Menzel freuen, dass er zum Priester geweiht wird. Er darf erfahren, wie viel Vertrauen ihm entgegengebracht wird, wie viel Hoffnung auf Hilfe in schwierigen Lagen, wie viel Glaube an die Kraft der Sakramente. Er darf erleben, wie viele Menschen sich mit ihm auf den Weg machen, Christus auf unterschiedliche Weise zu dienen. Es gehört mit zu dem Beglückendsten in einem Priesterleben zu erfahren, wie Gott wirkt, unmittelbar durch die Sakramente, plötzlich durch sein Wort, unerwartet selbst durch die eigene Schwäche.
Vater und Hirte sein zu dürfen, ist ein großes Geschenk, das in der priesterlichen Berufung erfahren werden darf.
Der Verzicht auf eine eigene Familie hat als Gegengewicht die Pfarrfamilie,
der Verzicht auf Karriere eine tiefe innere Erfüllung,
der Verzicht auf großen Besitz die geistigen Reichtümer des Glaubens.
Wer diesen Weg mit Christus wagt, gleicht dem Petrus, dem der Herr bei der Berufung sagte: „Als du noch jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst.“ (Joh 21,18)
Die Bereitschaft, sich von Christus führen zu lassen – unter Umständen auch dahin, wohin man eigentlich nicht will –, ist Voraussetzung für eine gelingende Weggemeinschaft mit Ihm.
Sie, lieber Weihekandidat, haben sich den Leitsatz aus dem heutigen Evangelium zu eigen gemacht: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ (Mt 20,26). Haben Sie nun den Mut zum Dienen, die Demut, die Gott die Tür in Ihr Innerstes öffnet und Sie Gottes Liebe zutiefst erfahren lässt. Wir freuen uns mit Ihnen.
Amen.