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„Wer den Tod verdrängt, verpasst das Leben“

Angst als Triebkraft gelungenen Lebens – Fastenpredigt des Theologen und Psychiaters Dr. Manfred Lütz im Kiliansdom

Würzburg (POW) Nicht jede Angst ist gleich eine Krankheit. „Wer so denkt, verharmlost das, was sich letztlich dahinter verbirgt“, hat Dr. Manfred Lütz am Mittwochabend, 8. März, vor rund 300 Zuhörern zum Auftakt der Fastenpredigtreihe „Der Christ vor den Rätseln des Lebens“ im Würzburger Kiliansdom betont. Angst sei vielmehr eine existentielle Grunderfahrung jedes menschlichen Lebens, betonte Lütz, der Diplomtheologe und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist und in Köln ein psychiatrisches Krankenhaus leitet. Dass auch Gottes Sohn im Garten Gethsemane Angst empfand, sei für die heidnische Umgebung des frühen Christentums eine irritierende weil allzu menschliche Vorstellung gewesen. „Gerade das aber ist der Kern unseres Glaubens: Gott ist auf ganz drastische Weise Mensch geworden.“ Heute könne diese Aussage vielen Menschen eine tröstende Gewissheit geben: „Gott ist nicht nur ein Gott der Sieger und Starken, sondern uns in allen Nöten ganz nahe.“

Das erkläre, weshalb Christen wie Sophie Scholl und Dietrich Bonhoeffer trotz Erniedrigung und bevorstehendem Tod nicht verzweifelten. Sie hätten die Nähe des liebenden Gottes derart verinnerlicht, dass sie die Aussage eines anderen Märtyrers der Neuzeit für sich als wahr empfanden: „Wenn sie mich umbringen, bringt mich das nicht um.“ Hinter der Angst, die viele Menschen empfänden, stehe letztlich das Bewusstsein, im Nichts zu versinken. „Martin Heidegger spricht in diesem Zusammenhang von der ‚Geworfenheit’ des Menschen.“ Lütz warnte davor, die gestiegene Zahl der psychischen Erkrankungen und Ängste allein auf die gestiegene Gottesferne zurückzuführen. Seiner Erfahrung nach seien zu viele Menschen damit beschäftigt, das zu tun, „was man halt so tut“, und empfänden dadurch eine Leere in ihrem Leben. „Im schlimmsten Falle steht dann auf dem Grabstein eines solchen Menschen: ‚Er lebte still und unscheinbar und starb, weil das so üblich war.’“

Anstatt die Angst, die letztlich immer eine Angst vor dem Tod als dem Ende aller Hoffnungen sei, in eine positive Kraft umzulenken, die zu einer Entschiedenheit im Leben führt, verwendeten viele Zeitgenossen alles darauf, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Was die Menschen früher an Opfer und Wallfahrten für Gott unternahmen, machten sie heute der Gesundheit zuliebe. „Aber auch wer noch so gesund stirbt, ist definitiv tot“, mahnte Lütz. Das vermeintlich heilbringende Streben führe zu einer paradoxen Situation: „Um den Tod zu vermeiden, nehmen sich viele Menschen alles, was das Leben lebenswert macht.“ Erst auf dem Sterbebett werde so manchem bewusst, dass er seine Zeit statt im Fitnessstudio und in der Wellnesseinrichtung besser für Familie und Freunde verwandt hätte. „Die Gesundheitsreligion ist – ganz im Gegensatz zu den großen monotheistischen Religionen – stark egozentrisch. Eine Gesellschaft, die nach ihren Maximen agiert, wird eiskalt.“ Gerade der Tod mache jeden Moment und jedes Leben erst unwiederholbar und wichtig. „Wer den Tod verdrängt, verpasst das Leben.“ Nicht umsonst sei gerade der Barock, in dem die Menschen den Tod ständig vor Augen hatten, eine besonders lebenslustige Epoche gewesen.

Heute seien viele nicht mehr in der Lage, im Moment zu leben und sich am Augenblick zu erfreuen. „Wenn wir im Stau ein angenehmes Lied im Radio hören, wollen wir die CD kaufen und den Genuss zu Hause wiederholen. Das ist typisch für die heutige Zeit: Wir bereiten dauernd ein Leben vor, das nie stattfindet.“ Wer sich in der Liturgie oder in der Beichte ganz auf Gott einlasse, erkenne schnell, was Augustinus seiner Schrift „Bekenntnisse“ vorangestellt habe: „Unruhig ist mein Herz, bis es ruht in Dir, oh Gott.“ Dieser Gott sei kein deistischer Dämon, der die Welt erschafft, dann aber sich selbst überlässt. „Gott ist die Liebe. Er schenkt Heimat. Und auf diese Weise endet die Unheimlichkeit der Angst.“

Am Mittwoch, 15. März, um 19 Uhr, predigt die Vorsitzende des Bamberger Hospiz-Vereins, Christine Denzler-Labisch, zum Thema „Hilflos vor dem Tod?“.

(1106/0405; E-Mail voraus)

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