Würzburg (POW) Eine zweispännige Pferdekutsche, beladen mit wuchtigen Fässern und Kisten. So muss er ausgesehen haben, der Weihnachtstraum eines Jungen vor etwa 100 Jahren. In den Fenstern der Restaurierungswerkstatt Theodor Spiegel im Souterrain des Medienhauses der Diözese am Kardinal-Döpfner-Platz in Würzburg sind im Advent viele solcher Objekte ausgestellt. Inhaber Bernhard Schmitt hat sie zusammengetragen. „Wir schmücken die Fenster immer vor Weihnachten. Es sieht hübsch aus und verbreitet die passende Stimmung“, erzählt er. Gerade ältere Menschen berichteten ihm immer wieder, dass der Anblick schöne Kindheitserinnerungen wecke.
So zum Beispiel bei der Krippe, deren Figuren aus Gips gegossen sind. „Es gab früher in Würzburg zwei Firmen, die darauf spezialisiert waren, alle möglichen Figuren in unterschiedlichen Größen in dieser Technik herzustellen. Das war für viele eine preisgünstige Alternative zu teuren, handgeschnitzten Modellen.“
Mit einem Handgriff zerlegt Schmitt einen etwa 60 Zentimeter hohen Weihnachtsmann. Dessen Hände und Kopf sind aus Pappmaché hergestellt, der Mantel besteht aus rotem Filz und bedeckt das Drahtgestell, das den Körper formt. Der Clou: Der Bauch entpuppt sich als Hohlraum. „Darin wurden früher Süßigkeiten für die Kinder versteckt“, erzählt Schmitt.
Hinter Glas verborgen und sehr praktisch ist eine sogenannte Faulenzerkrippe: Hier ist die Landschaft aus bemaltem Pappmaché gefertigt, die Figuren bestehen aus bemaltem Holz. Der Name ist leicht erklärt. „Zu Weihnachten wurde die Krippe dann an einen Nagel an der Wand gehängt und nach der Saison einfach wieder eingelagert. Staubsicher eingepackt ist sie dank der Scheibe ohnehin.“
Zerbrechlich und schön präsentiert sich der Gablonzer Christbaumschmuck: Er besteht aus maximal erbsengroßen Glasperlen und winzigen Glasröhrchen, die mittels feinem Draht zu filigranen Figuren zusammengefügt sind. Ein Flugzeug mit Propeller ist eines von vielen fantasiereichen Modellen, die Schmitt in seiner Ausstellung zeigt, aber auch eine Spinne, die inmitten ihres Netzes sitzt. „Die geringe Größe der Perlen hat einen technischen Hintergrund. Erst mit Einführung der Gasflamme konnte auch genug Hitze erzeugt werden, um große Kugeln und komplexe Formen zu gestalten.“
Der eingangs erwähnte Pferdewagen stammt aus der Zeit um 1900 und wurde im Erzgebirge gefertigt. Fässer und Kisten sind bis ins Detail den großen Vorbildern nachempfunden. „Wie bei kleineren Fässern üblich, sind auch die Ringe um die Gauben aus Weide gefertigt.“ Dass das Objekt – allen voran der glänzend lackierte Wagen – noch immer beinahe wie neu aussieht, ist für Schmitt leicht erklärbar: „Die Kinder durften mit ihrem Geschenk an Weihnachten ein bis zwei Tage lang spielen – aber nur unter Aufsicht. Dann wurde wieder alles weggepackt.“
Nicht nur in einem der Schaufenster, sondern gleich in mehreren Vitrinen in der Werkstatt finden sich sieben Ritterburgen in unterschiedlichen Größen. „Als Kind habe ich mir immer eine Burg gewünscht, aber nie bekommen, weil wir gebaut hatten und für so etwas einfach kein Geld übrig war.“ Besonders beeindruckend ist eine Burg, über deren Türmen echte Stofffahnen wehen. Die Figuren sind detailreich handbemalt. Eine Hochzeitsszene findet sich darunter, und auch ein Kardinal in Rot auf seinem Ross. „Ich habe das Ganze wie die Katze im Sack gekauft.“ Alles, was der Verkäufer bei einem Flohmarkt ausgestellt hatte, war eine Kiste mit einer einzigen Figur obenauf. „Ich hab im Auto aus Neugierde gleich die Klappe aufgemacht und hineingeschaut – und mich gefreut wie ein kleines Kind.“ Mit ihren vielen Toren und der Ausstattung habe er quasi nichts ahnend den Rolls-Royce unter den Ritterburgen erstanden.
Während die Burgen in den Vitrinen dauerhaft aufgestellt sind, dekoriert Schmitt mit einer Mitarbeiterin die Fenster jedes Jahr zu Beginn des Advents neu. Es dauere jedes Mal zwei ganze Arbeitstage, bis alles ausgepackt, hübsch platziert und die passende Beleuchtung installiert sei. „Aber dann freue ich mich, wenn sich Leute beim Anblick an die alte Zeit erinnern.“
mh (POW)
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