Würzburg (POW) Für die meisten Menschen gehören zum Weihnachtsfest ein geschmückter Christbaum und eine Krippe. Traditionell liegt das Jesuskind in einer Krippe in einem Stall, umgeben von Maria und Josef, den Hirten, den Heiligen Drei Königen, unzähligen Schafen, Ochs und Esel sowie Kamelen. Das war aber nicht immer so. Bis in den Barock hinein zeigen Skulpturen und Bilder beispielsweise eine jugendliche Maria mit einem erstaunlich entwickelten Kind auf dem Arm. Wie sich das Bild von Maria mit dem Jesuskind im Laufe der Jahrhunderte verändert hat, zeigt ein Gang mit Dr. Jürgen Emmert, Leiter der Abteilung Kunst der Diözese Würzburg, durch die Dauerausstellung im Würzburger Museum am Dom. Das Weihnachtsfest habe sich immer gewandelt, erklärt er. „Unser Weihnachten mit Christbaum und Krippe entstand im 19. Jahrhundert, und in diesem Jahr wird Weihnachten noch einmal ganz anders gefeiert werden.“
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Eine abenteuerliche Geschichte steckt hinter der Gruppe mit dem Namen „Anbetung der Könige“ aus der Pfarrkirche Sankt Johannes der Täufer in Kitzingen. Die Skulpturen entstanden um 1380 in Franken, wurden aber erst 1994 bei Renovierungsarbeiten im Boden der Pfarrkirche entdeckt. „Sie lagen im Boden, als ob man sie bestattet hätte. Das Kind und der dritte König konnten leider nicht mehr gefunden werden“, erzählt Emmert. Auf dem Sandstein sind nur noch Spuren der Grundierung sichtbar, Marias Gewand zeigt Schäden von Baggerzähnen. Die Arme fehlen, so wie auch bei den beiden Königen, die sie andächtig anblicken. Das Kind ist nicht zu sehen. „Das ist unsere älteste Weihnachtsdarstellung.“ Emmert vermutet, dass die Gruppe schlicht unmodern geworden sei und man sie deshalb abgenommen und im Kirchenboden beigesetzt habe. Die Schlichtheit täuscht: „Sie waren einmal knallbunt gefasst. In den Kirchen wurde nicht mit Farbe gespart.“
In der Zeit um 1400 sei Weihnachten ganz anders gefeiert worden als heute, sagt Emmert. Auch die klassischen Weihnachtslieder, wie man sie heute kennt, kamen erst später auf. Dafür konnten die Menschen damals in Skulpturen und Bildern lesen wie in einem aufgeschlagenen Buch. An der Muttergottes aus der Pfarrkirche Sankt Laurentius in Waldsachsen (Landkreis Schweinfurt) beispielsweise, entstanden um 1480, fällt zunächst der goldfarbene, mit unzähligen Sternen geschmückte Mantel auf. Die offenen Haare sind ein Symbol für die unverheiratete Frau, die Jungfrau. Eine verheiratete Frau hätte eine Haube getragen, erklärt Emmert. Das Kind auf ihrem Arm ist deutlich größer und weiter entwickelt als ein Neugeborenes. Dessen Nacktheit wiederum symbolisiert das Ideal des arm und mittellos in die Welt gekommenen Gottessohns. Maria trägt auf dem einen Arm ihr Kind, mit der anderen Hand hält sie ein Zepter. Das Jesuskind umfasst mit beiden Händen eine Weltkugel – eine herrscherliche Aussage neben der über dessen Armut und Schwachheit.
Der heilige Josef habe im Mittelalter noch keine Rolle gespielt. Doch in der Zeit des Barock sei er zunehmend wichtiger geworden und eben auch verehrt worden. In dem Gemälde „Anbetung der Könige“ von Johann Zick aus dem Jahr 1749 beispielsweise steht er bescheiden in einem schlichten Gewand hinter den prachtvoll gekleideten Königen. Auch die pausbäckigen, geflügelten Putten, die aus den Wolken herunterblicken, sind typisch für den Barock. „Doch Jesus ist der Mittelpunkt des Bildes, alle Aufmerksamkeit geht dorthin.“ Als Malgrund für das Gemälde diente eine Kupfertafel, was ihm einen besonderen Glanz verleiht. „In seiner Intimität wurde es sicher für einen privaten Haushalt gemalt“, vermutet Emmert. Im 19. Jahrhundert sei dann auch das bürgerliche Weihnachtsfest entstanden, wie man es heute kennt, mit Tannenbaum und Familienfeier.
Die gleiche Szene wie das Gemälde von Zick, aber eine völlig andere Wirkung zeigt die „Anbetung der Könige“ von Otto Dix aus dem Jahr 1948. Für Dix sei die Bibel ein Fundus an Erzählungen gewesen, sagt Emmert. Die Farben und die intime Nähe der Figuren verströmen Wärme. Im Gegensatz zu den früheren Skulpturen und Bildern ist Jesus hier tatsächlich als rosiges Baby dargestellt. Die Engel sind nur noch als diffuses Licht sichtbar, in dem man bei genauerem Hinsehen die Ansätze von Flügeln erkennt. „Das Bild sendet eine Botschaft aus: Jede Geburt ist eine Investition in die Zukunft und in die Hoffnung.“ Das gelte besonders für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der das Bild entstand.
Offen für Interpretationen ist die „Violette Madonna“ von Siegfried Anzinger aus dem Jahr 1995. Vor einem farbigen Hintergrund – zwei Drittel Blau, ein Drittel Grün – sind die Umrisse einer weiblichen Figur mit Kind zu sehen. Die beiden sind einander zugewandt, doch ist nicht sicher, ob sie das Kind aufhebt oder ob es sich gerade aus ihren Armen befreit. „Blau ist die Himmelsfarbe und Grün die Erdfarbe, das Kind ist Teil beider Welten“, erläutert Emmert. „Es ist ein Bild, das ich immer wieder gerne sehe.“
Auch wenn das Museum am Dom aufgrund des Corona-Lockdowns weiterhin geschlossen ist: Ein wenig Weihnachtsstimmung will das Schaufenster des Museums im Durchgang zwischen Domplatz und Kiliansplatz verströmen. Hier ist bis Ende Januar 2021 das Gemälde „Geburt Christi mit Anbetung der Hirten“ aus dem ehemaligen Franziskanerkloster in Dettelbach zu sehen.
sti (POW)
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