Würzburg (POW) Zum 31. Dezember heißt es am Kardinal-Döpfner-Platz 5 in Würzburg Abschied nehmen. 53 Jahre hat Bernhard Schmitt im Untergeschoss des Medienhauses der Diözese in der Restaurierungswerkstatt gearbeitet. Erst als Geselle, später als selbstständiger Restaurator. Nun ist er in Rente – und zieht Ende des Jahres aus der Theodor-Spiegel-Werkstatt aus. Was kommt nach dem Wechsel? Wie fühlt sich der Weggang nach mehr als einem halben Jahrhundert an?
„Das ist wie mein zweites Wohnzimmer hier“, sagt Schmitt, während er am Tresen seiner Werkstatt steht. Ein paar Schritte weiter führt eine Stufe in den beleuchteten Arbeitsraum im Untergeschoss. Noch stehen hier Gemälde und Leinwände auf den Staffeleien. Farben, Pinsel und Werkzeuge stecken in Gläsern und Eimern auf dem Schiebewagen in der Raummitte. Auf der Werkbank wartet eine weiße Madonna auf Restaurierungsarbeiten. Schmitt ist gerade dabei, liegengebliebene Aufträge fertigzustellen.
In den vergangenen Jahrzehnten hat der 72-Jährige in der Keller-Werkstatt Figuren restauriert, Bilder gereinigt und Bilderrahmen-Ecken neu modelliert. Mehr als 100 Gemälde im Jahr seien es gewesen. Ein paar der restaurierten Exemplare hängen noch immer an den Wänden der Werkstatt – eine „Johannes der Täufer“-Darstellung, Landschaften, Porträts, wie sie sonst in Kirchen oder der Würzburger Residenz zu finden sind. Zu den meisten der Werke kann Schmitt eine Geschichte erzählen, weiß genau, wie sie beschädigt wurden und was er restauriert hat.
Auch außerhalb der Räume waren der Restaurator und seine wechselnden Helfer unterwegs. „Wir haben bei vielen Kirchen die Altäre restauriert“, erzählt Schmitt. In Würzburg zählten das Rathaus, das Neumünster und die Festung zu seinen Kunden. Am Zeiler Käppele wurde die komplette Vergoldung der Dach-Elemente erneuert – „zwei Mal grundiert und anschließend mit Blattgold belegt, direkt auf dem Dach“, beschreibt der 72-Jährige eines seiner Highlights. Schmitt zieht eine stählerne Schublade auf. Zum Vorschein kommen Fotos einiger seiner Restaurierungsarbeiten. Ob auf Kirchendächern oder in der Werkstatt – er hat häufig Prozesse dokumentiert.
„Teilweise bin ich schon traurig, dass ich hier rausgehe“, sagt Schmitt mit Blick auf die Fotos. Die Werkstatt sei ein „Ort zum Abschalten, ein Anker“ gewesen. „Ich habe mich gefreut, die Probleme der Kunden zu lösen“, sagt Schmitt. „An etwas Negatives kann ich mich einfach nicht erinnern.“ Kurz kommt er auf kleinere Unstimmigkeiten am Anfang und Ausbesserungen in der Werkstatt zu sprechen – doch das seien Nebensächlichkeiten gewesen und die Renovierung selbstverständlich.
Trotz Rente und Auszug aus der Werkstatt dürfte es Schmitt erst einmal nicht langweilig werden. Er sei die nächsten „zwei Jahre zuhause schon mit Arbeit eingedeckt“, erzählt er. Schmitt will sein Haus noch einmal renovieren – ein altes Badehaus aus dem 16. Jahrhundert. Das Fachwerk soll gestrichen werden. Auch im Inneren stehen Reparaturen an. „Langweilig wird es mir bestimmt nicht“, sagt Schmitt. „Ich liebe halt diese alten Sachen, das ist meine Welt.“ Zu Schmitts „alten Sachen“ gehörte jahrelang auch Weihnachtsschmuck. In der Vorweihnachtszeit dekorierte der Restaurator die Fenster der Werkstatt mit Pferdekutschen und Krippen aus vergangenen Jahrhunderten. Im Sommer und Herbst stehen in den Fenstern indes alte Spielzeug-Ritterburgen. Auch sie gehören zu den Schätzen Schmitts. Über Jahre hat er sie gesammelt, katalogisiert und teils ausgebessert. „Mich fasziniert, wie die gemacht worden sind“, erzählt Schmitt. Aktuell steht hinter der Fensterscheibe ein Exemplar von etwa 1880.
Und was wird aus den Werkstatträumen? Noch laufen die Verhandlungen. Geplant ist, die Räumlichkeiten ab dem 1. Januar 2024 weiterhin künstlerisch zu nutzen. Schulungen zu Kunst- und Kulturgeschichte für die junge Generation stehen im Raum. Sollte das klappen, wird auch ein Teil von Schmitts Werkstatteinrichtung bleiben. Er hoffe, dass das klappt, sagt der 72-Jährige, bevor er sich wieder an die Werkbank der Theodor-Spiegel-Werkstatt setzt – wie die vergangenen 53 Jahre.
chd (POW)
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