Eindringlicher könnte dieser Tag vor dem Pfingstfest nicht sein, als er heute durch die Priesterweihe möglich wird. Sieben Diakone – fünf aus dem Bistum Würzburg und zwei Franziskaner-Brüder –- empfangen durch die Weihe eine Sendung, die in der Sendung Jesu Christi durch den Vater in diese Welt begründet ist.
Gottes Liebe wird nicht nur in der Menschwerdung seines Sohnes in einem ganz bestimmten geschichtlichen Kontext sichtbar, sondern ereignet sich durch das heutige Weihegeschehen neu. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“, spricht Christus in dieser Stunde zu den Weihekandidaten. Er, der die Apostel gesandt hat und ihnen die Vollmacht zur Weihe gegeben hat, sendet immer wieder neu durch die Nachfolger der Apostel in der Weihe mit Handauflegung und Gebet. Gottes Liebe bleibt kein Abstraktum, das gleichsam theoretisch über allem schwebt, sondern Gottes Liebe verleiblicht sich immer wieder im konkreten Tun konkreter Menschen.
So ist diese Weihehandlung heute Morgen im Würzburger Dom ein liebendes Handeln Gottes an uns allen. Er ruft und beruft diese Männer in sein Heilswirken an den Menschen. Sie gehören nicht mehr sich selbst, sondern Ihm, der sie in die Sendung Jesu vom Vater hinein bindet. Dies wird vor allem zeichenhaft im Ausstrecken auf den Boden während der Allerheiligenlitanei deutlich. Sie sollen und dürfen sich in Sein liebendes Handeln verlieren. Sie werden berufen, sich ganz der Führung und Leitung Jesu Christi anzuvertrauen. „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir!“, hat der Apostel Paulus im Galaterbrief gesagt (Gal 2,20).
Nur im Wissen um dieses Sendungsgeheimnis kann der Priester in der Person Christi, des Hauptes der Kirche, die Gemeinde lehren, heiligen und leiten. Lehren kann ich nur, wenn ich auch ständig lernender bleibe, heiligen nur, wenn ich mir stets meiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst bleibe und Vergebung erbitte, leiten nur, wenn ich im Sinne Jesu Christi der Dienende bin.
Die sakramentale Struktur der Kirche baut auf der Sendung durch Jesus Christus auf. Er ist das Haupt und das Herz der Kirche. Er ruft und beruft, er weiht und sendet.
Dieses Amt steht nicht in Spannung zur Berufung eines jeden Christen in Taufe und Firmung, sondern im Dienst an dieser Einheit. Die Berufenen und Gesandten sind zum Heil der Gläubigen erwählt, denen sie in der Nachfolge Christi beherzt vorangehen sollen. Besonders deutlich wird die Konsequenz dieser Sendung in der täglich neu zu vollziehenden Bereitschaft, eigene Wünsche und Vorstellungen zugunsten des Heilswillen Jesu Christi zurückzustellen. Dazu gehört die akzeptierte Verpflichtung zur Ehelosigkeit, zum täglichen Breviergebet, zur verantwortlichen würdigen Sakramentenspendung und die Bereitschaft, sich dahin senden zu lassen, wo es die pastorale Notwendigkeit erfordert.
Ein großes bewegendes Glaubenszeugnis haben alle Frauen und Männer in diesem jungen Jahrhundert gegeben, die um des Glaubens willen allein in den letzten Jahren ihr Leben für Christus hingegeben haben, darunter viele Priester. Allein in diesem Jahr sind – nach Unterlagen von San Egidio, die mir zugänglich wurden – bisher sechs Priester getötet werden; seit dem Jahr 2000 insgesamt 37!
Als ein besonderes Vermächtnis dürfen wir die Sätze verstehen, die der „fidei donum“ Priester Andrea Santoro aus Rom wenige Tage vor seiner Ermordung beim Gebet in der Kirche von Trabzon (Türkei) am 5. Februar 2006 geschrieben hat:
„Wir Christen haben den Vorteil, dass wir an einen wehrlosen Gott glauben, an einen Christus, der dazu aufruft, die Feinde zu lieben, als ‚Hausherren’ zu dienen, Letzte zu werden, um Erste zu sein, dass wir an das Evangelium glauben, dass Hass, Zorn, Verurteilung und Herrschsucht verbietet, an einen Gott, der zum Lamm wird und sich darbietet, um in sich Stolz und Hass zu töten, an einen Gott, der durch Liebe anziehend ist und nicht durch Macht beherrscht, diesen Vorteil dürfen wir nicht verloren gehen lassen.“
Liebe Weihekandidaten,
die Logik Gottes ist ganz anders als unsere menschliche Gelehrsamkeit. Die Bergpredigt ist heute noch genau so herausfordernd wie zur Zeit Jesu. Sie widerspricht modernem Erfolgs- und Glücksstreben und erscheint daher vielen als überholt und unannehmbar. Wer sich aber in seiner Lebensentscheidung darauf einlässt, macht die beglückende Erfahrung, dass dieser Gott ein naher, menschenfreundlicher ist, der nicht nur alles von uns fordert, sondern selbst als der Gekreuzigte und Auferstandene mit uns diesen Weg der Entäußerung geht. Seine Liebe trägt. Wer das erfahren will, muss aus dem schwankenden Boot seiner Alltagserfahrungen aussteigen und sein Leben auf die Zusage des göttlichen Meeres aufbauen.
Das, was am Ostersonntagabend bei den Jüngern im Abendmahlssaal von Jerusalem geschah, vollzieht sich auch hier und jetzt. Freuen wir uns darüber!
Sie, liebe Weihekandidaten, haben sich in langer Vorbereitung auf diesen Weihetag hin auf dieses Geschehen vorbereitet. Jetzt tauchen Sie in eine Lebensgemeinschaft mit Gott ein, die von Gott bestimmt wird und sich im täglichen Vollzug als tragend und beglückend erweisen lässt.
Mit allen hier im Dom Anwesenden, aber auch mit allen die Ihnen verbunden sind und die Ihnen anvertraut werden, bitte ich den Heiligen Geist, dass er Sie erfülle und zu beherzten, frohen und glaubwürdigen Ausspendern der Sakramente und Zeugen der Liebe Gottes mache. Amen.
(2306/0828)