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Wie Muslime Christen beurteilen

Dr. Gabriele Lautenschläger, Beauftragte für Interreligiösen Dialog, wirbt in der Katholischen Akademie Domschule für gegenseitiges Verständnis

Würzburg (POW) „Wir brauchen Kirchenführungen für Muslime, nicht nur Moscheeführungen für Christen!“ Dr. Gabriele Lautenschläger, Beauftragte für Interreligiösen Dialog in der Diözese Würzburg, plädierte bei ihrem Vortrag „Unsere westliche Welt aus muslimischer Sicht“ am Donnerstagabend, 11. Oktober, in der Katholischen Akademie Domschule für ein wirkliches gegenseitiges Verständnis.

Noch im 18. Jahrhundert sei der Orient für Europa das Sinnbild von Sinnenfreude und sexueller Ausschweifung gewesen, während die Muslime den Westen als Vorbild technischer Innovation betrachtet hätten. Im 19. Jahrhundert jedoch habe die muslimische Kritik am nur weltlichen Reichtum der Nachbarn eingesetzt. Seit dem Niedergang des Osmanischen Reiches befinde sich die arabische Welt in einer Identitätskrise. Sie sei in einen Zustand chronischer Kränkung ohne Ansätze zur Selbstkritik verfallen, während sie das Eingeständnis westlicher kolonialer Schuld als Zeichen von Schwäche interpretiere. Jedoch lese sich ihre Dekadenzkritik fast wie ein Kapitel aus dem katholischen Katechismus.

Die westliche Gesellschaft beurteile die Rolle der Frau im Islam als Musterbeispiel seiner Rückständigkeit. Intellektuelle islamische Frauen übten jedoch ihrerseits Kritik an der dortigen Emanzipationsbewegung. Für sie hätten die Feministinnen der Industriegesellschaften lediglich Erfolge in den Bereichen sexuelle Befreiung und Arbeitswelt vorzuweisen, aber auf den Feldern Ehe, Familie und Mutterrolle versagt.

„Die Einstellungen vieler Muslime in Deutschland decken sich mit den Werten der konservativen Parteien und der katholischen Kirche“, erläuterte Lautenschläger. Sie fühlten sich jedoch hierzulande eher diskriminiert als nicht-muslimische Ausländer. Für konservative Parteien stellten sie gleichwohl kein Wählerpotential dar aufgrund deren einseitiger Ausrichtung auf das Christentum. Konfliktfelder im Umgang mit muslimischen Immigranten sehe der Westen primär in den Bereichen Kommunikation und Wertmaßstäben. Die Immigranten selbst halten jedoch die Problemfelder Anerkennung, Interessenvertretung sowie Güterverteilung für weitaus wichtiger.

Das Christentum sei im Islam historisch als Schriftreligion zunächst besser beurteilt worden als andere Religionen. Später sei es als korrumpierte Version der Botschaft Jesu diskreditiert worden. Die Evangelien könnten schon allein deshalb nicht stimmen, weil es vier davon gebe. „Im Gegensatz zum Islam steht jedoch im Christentum nicht ein Buch im Zentrum des Glaubens, sondern Jesus Christus selbst: Das Wort ist Fleisch geworden“, entgegnete Lautenschläger. Häufig werde der Islam als „die Gnade Gottes“, das Judentum als „der Zorn Gottes“ und das Christentum als „der Weg der Irrenden“ interpretiert. Für Muslime verfälsche das Christentum durch seine Dreieinigkeit Gottes die Idee des Monotheismus. Im Islam werde der christliche Monotheismus zumeist jedoch als Dreiheit von Gottvater, Jesus und Maria missinterpretiert. Zudem könne aus muslimischer Sicht Jesus nicht am Kreuz gestorben sein, da Propheten nicht so kläglich aus der Welt scheiden würden. Auch Jesu Leiden für die Sünden der Welt sei für sie nicht nachvollziehbar, da in ihrem Verständnis niemand für die Sünden eines anderen sterben könne. Ebenso fehle dem Islam auch das Verständnis für das freie Beten der Christen, da die Gebete der Muslime im Wortlaut festgelegt seien. Generell aber werde das Christentum als überholte Vorgängerreligion des Islam gesehen – die Sicht der Christen werde leider nicht berücksichtigt. „Um einander aber zu verstehen, brauchen wir die wirkliche Kenntnis der Sicht des anderen – Monologe zu zweit nützen keinem“, schloss Lautenschläger.

Jerzy Staus (POW)

(4207/1419; E-Mail voraus)

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