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Dokumentation

"Wir glauben an die Auferstehung, nicht an Wiederbelebung!"

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung am Ostersonntag, 21. April 2019, im Würzburger Kiliansdom

Auferstehung, nicht Wiederbelebung!“ – so habe ich es als Programm bei meiner Bischofsweihe formuliert. In unseren Diskussionsrunden bei den Dekanatsbesuchen kommen wir häufig auf dieses Wort zu sprechen. Und ich werde gefragt, was das heißen soll. Das Evangelium von Maria Magdalena am Grab bietet sich meines Erachtens dazu gut an. Denn hier geht es um das Geheimnis der Auferstehung, die eben keine Wiederbelebung ist. Schauen wir uns die einzelnen Schritte an, die Maria Magdalena geführt wird.

Maria zuerst am Grab – nur die Liebe spürt den Verlust und trauert

Maria zeichnet sich aus durch ihre Liebe zum Herrn. Diese innere Zuneigung und Verbundenheit führt sie zum Grab. Das ist wichtig festzuhalten. Denn nur der, der wirklich liebt, weiß auch was er verloren hat. Und so nimmt es nicht wunder, dass sie auch die erste ist, die die Verlustmeldung macht: der Herr ist weg. Sie hat keinen Ort, um zu trauern. Ein Trauma eines jeden, der einen lieben Menschen verloren hat und keinen Ort kennt, an dem er seiner Trauer freien Lauf lassen könnte. Nur wer liebt, leidet und kann trauern.

Viel Herzblut und viel Engagement und nicht zuletzt jede Menge Geld investieren Menschen für ihre Kirchengemeinden. Für diese Liebe, die ich jedes Mal in den Pfarreien wahrnehme, bin ich sehr dankbar. Denn sie ist das größte Pfund und das größte Gut, mit dem wir wuchern können.

Maria hält am Grab aus und weint – Trauer braucht Raum

Ein zweites: Maria hält am Grab aus und weint. Trauer braucht Zeit. Es ist genau die Zeit, um den Übergang zu gestalten zwischen dem Wunsch nach Wiederbelebung und der Auferstehung, zwischen der Sehnsucht, es möge doch alles irgendwie so sein wie früher und wenn es nur derselbe Leichnam ist und der echten Hoffnung auf Auferstehung. Diese Trauer darf nicht übersprungen werden. Den Verlust gilt es wahrzunehmen und zu durchleiden, damit er wirklich ankommt. Trauer, die übersprungen wird oder keinen Raum hatte, rächt sich und holt einen irgendwann wieder ein – wie immer, wenn etwas übersprungen wurde und sich nicht organisch entwickeln konnte. Irgendwann äußerst sich das als Blockade, die erst aufgehoben werden kann, wenn der Abschied innerlich vollzogen wurde.

Das gilt auch für pastorale Prozesse: dass Veränderungen anstehen, muss wahrgenommen werden und die Trauer darüber, dass etwas nicht mehr geht, muss Raum und Ausdruck bekommen.

Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben“ – Vorwurf und Klage

Ein typisches Verhaltensmuster in der Krise zeigt auch Maria: „Sie“ haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin sie ihn gebracht haben. Sie haben ihn weggenommen. Wer auch immer das „sie“ meint. Hier schwingt ein Vorwurf mit. Da muss doch jemand schuld sein.

Wer ist dieses „sie“? Die in Würzburg? Die Finanzkammer? Das Bauamt? Oder sind es die Jungen in der Gemeinde, die nicht mehr weiterführen wollen oder können, was die Alten aufgebaut haben? Oder sind es die Hauptamtlichen vor Ort, die das bisherige Programm nicht mehr aufrecht erhalten, das doch immer war, sei es weil sie überfordert sind oder andere Schwerpunkte setzen. Die Frage nach den Schuldigen entlastet ungemein. Es könnte ja alles gut sein, wenn „die“ mitmachen würden. „Die“ müssen sich zuerst bewegen, und dann ist wieder alles in Ordnung. Aber insgeheim wissen wir: selbst wenn „Die“ wollten, wäre nicht alles in Ordnung. Man kann mit der Schuldfrage endlose Diskussionen führen. Aber sie bleiben rückwärtsgewandt und führen nicht weiter, sondern führen höchstens zu weiteren Verwerfungen anstatt zu konstruktiven Lösungen.

Die beiden Engel als neue Grabeswächter – das Grab wird „instand besetzt“

Maria Magdalena begegnet am Grab den beiden Engeln. Die beiden Gottesboten im Grab verdeutlichen, dass das Grab seine vertraute Funktion eingebüßt hat. Gott hält jetzt das Grab besetzt, die Mächte der Unterwelt haben hier ihren Einfluss verloren. Der Engel am Kopf kündet von Christus, dem Haupt der neuen Schöpfung. Der Engel an den Füßen kündet davon, dass der Herr über den Tod triumphiert und der alten Schlange den Kopf zertreten hat. Im Grab versickert nicht mehr alles Leben. Das Grab wird vielmehr zum Quellgrund neuen Lebens. Es schließt nicht mehr ab vom Leben, sondern erschließt eine neue Dimension der Wirklichkeit.

Dort, wo Dinge zu Ende gehen, eröffnen sich zugleich neue Möglichkeiten. Deshalb muss das Grab von Gott „instand besetzt“ werden. Am Grab sollen sich nicht die Herzen in der Trauer verhärten, sondern hier sollen die Herzen aufleben. Deshalb ist es wichtig, Altes nicht einfach brutal zu entsorgen, sondern es mit neuem Inhalt zu füllen. Es umzuwidmen oder in etwas Neues zu integrieren oder eine neue Perspektive zu zeigen, in der das Alte aufgehoben ist. Dann besteht am ehesten die Chance, dass es gut weitergehen kann. Ansonsten bleibt das Grab ein Unruheherd, der alle weitere Entwicklung verhindert.

Sie meinte, es sei der Gärtner – Friedhofsgärtnerei oder Paradiesgarten?

Das von Gott besetzte Grab ist die erste Irritation. Die Erscheinung Jesu die zweite. Sie meinte, es sei der Gärtner. Maria verwechselt Jesus mit dem Mann von der Friedhofsgärtnerei. Noch immer hat sie die Verlustbrille auf. Aber dieser Jesus gehört nicht zur Friedhofsgärtnerei, sondern ist der Hüter des Paradiesgartens, wenn man so sagen darf. Er steht für die innige Verbindung von Gott und Mensch am Beginn der Schöpfung und wird zum Garanten des neuen Lebens.

Papst Franziskus ermahnt uns immer wieder als Seelsorgerinnen und Seelsorger kein Gesicht zu machen wie bei einer Beerdigung (EG 10), so dass man uns wirklich verwechseln kann mit Friedhofsgärtnern, die nur Gräber verschönern. Es geht nicht um Grabpflege, und sei sie noch so liebevoll und aufwändig, sondern es geht darum, etwas Neues zu pflanzen und Neuland unter den Pflug zu nehmen. Nicht zur Friedhofsgärtnerei, sondern zum Paradiesgarten gehörig soll man uns rechnen, zu Vorboten der neuen Schöpfung. Es liegt auch an uns, ob wir als Hoffnungsträger wahrgenommen werden oder als Totengräber.

Die persönliche Ansprache als entscheidende Wende – Christusbeziehung macht frei

Alles ändert sich in dem Moment, in der auferstandene Herr Maria beim Namen ruft. Jetzt erst wacht sie auf wie aus Trance, ganz benommen von der Trauer und dem Schleier der Tränen, der ihr den klaren Blick verstellt hatte. Jetzt erst kehrt Maria um im wahrsten Sinne des Wortes.

Die persönliche Christusbeziehung macht den Unterschied. Statt sich am Vergangenen abzuarbeiten, gilt es, sich an Christus zu orientieren. Wer sich am lebendigen Herrn ausrichtet, für den relativieren sich alle anderen Dinge. Die Christusbeziehung ist das wichtigste für jeden Neubeginn. Denn nicht der Erhalt des bisherigen Status Quo sind jetzt die erste Sorge, sondern die Frage, was der Herr jetzt möchte und was jetzt mehr dazu dient, das Reich Gottes aufzubauen. Die persönliche Ansprache ist im Übrigen auch die beste Methode, Menschen zu gewinnen. Denn der glaubwürdige Zeuge kann andere begeistern. Er bindet sie nicht zuerst an sich, sondern befähigt sie, das Evangelium zu leben.

Halte mich nicht fest, sondern geh und verkünde – „lass die Toten ihre Toten begraben“

Maria möchte den auferstandenen Herrn festhalten. Aber der verweigert es. Genau das soll sie lernen: sich festhalten am Herrn, ohne ihn festzuhalten. Christus ist der Hoffnungsanker im Himmel. Wer in ihm im Himmel fest verankert ist, der wird auf der Erde frei. Er muss sich nicht mühen um den Selbsterhalt der Kirche. Er darf nach neuen Formen des Gottesdienstes, nach neuen Orten der Verkündigung, nach einem neuen Auftreten und Verhaltensmustern und nach neuen Menschen Ausschau halten. Er darf neues ausprobieren im Vertrauen auf den Herrn und Hoffnungsanker. Fest-ge-halten in Christus, ohne ihn fest-zu-halten und ihn wieder festzulegen.

Das gilt auch für die Erneuerung der Kirche. Nicht das Festhalten am Bestehenden, sondern die Sendung nach draußen lassen die Kirche wachsen. Mission ist angesagt – als Wagnis und ohne irdische Absicherung. „Lass die Toten ihre Toten begraben, du aber geh und verkünde das Evangelium“ (Lk 9,60), sagt Jesus an anderer Stelle zu einem, der ihm nachfolgen möchte, zuerst aber seinen Vater beerdigen will. Nicht die Sorge um die Toten soll unsere Kraft in Anspruch nehmen, sondern unsere Sorge für die Lebenden.

Auferstehung nicht Wiederbelebung – ein österlicher Weg in vielen kleinen Etappen

Die Begegnung von Jesus mit Maria kann als Vorbild für den Weg dienen, der vom Wunsch nach Wiederbelebung des Alten die Sicht auf die Wirklichkeit der Auferstehung eröffnet. Heute gilt unser Dank Gott, der uns nicht in unserer Trauer alleine lässt. Er ruft uns wie Maria immer wieder ins Leben zurück. Bekennen wir uns zu ihm als unserem Herrn und Meister. Amen. Halleluja!