Schweinfurt (POW) Vier Pfarreiengemeinschaften sind für die Stadt Schweinfurt geplant. In folgendem Interview spricht Stadtdekan Reiner Fries über den aktuellen Stand der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften im Stadtdekanat Schweinfurt, über Stadtkirche und Lebensräume in der Stadt sowie über die Citypastoral.
POW: Wie würden Sie den aktuellen Stand des Prozesses der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften im Dekanat Schweinfurt-Stadt umschreiben?
Dekan Reiner Fries: Im Moment sind drei Pfarreiengemeinschaften errichtet: die Pfarreiengemeinschaft Sankt Anton-Maria Hilf, die Pfarreiengemeinschaft Christkönig-Sankt Josef und die Pfarreiengemeinschaft Zentrum: Heilig Geist-Sankt Kilian-Sankt Michael. Die Pfarreiengemeinschaft Sankt Peter und Paul-Sankt Maximilian Kolbe hat den Errichtungsprozess so weit abgeschlossen, will aber mit der Errichtung warten, bis der neue Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft seinen Dienst antritt. In der Phase der Errichtung gab es zunächst viele Befürchtungen und auch Widerstände, diese konnten aber zumindest bei den an den Errichtungsprozessen Beteiligten zum Teil beseitigt werden. In manchen Bereichen wird die bisherige Zusammenarbeit weiter fortgeführt und intensiviert, in anderen Bereichen lernen Gruppen der Pfarreiengemeinschaften eine neue Zusammenarbeit und manchmal entdecken sie sogar dabei einen Zugewinn.
POW: Wo liegen die besonderen Probleme, wo die besonderen Chancen in Ihrem Dekanat?
Fries: Die besondere Chance im Dekanat liegt an der je eigenen Kultur der Gemeinden und Pfarreiengemeinschaften. Diese hat sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt und in allen Gemeinden ein vielfältiges Pfarreileben ermöglicht. Werden diese Kulturen weiter gepflegt und in das größere Ganze eingebracht, ist die Chance da, dass auch in Zukunft die Gemeinden und Pfarreiengemeinschaften Träger der Seelsorge und der Glaubensweitergabe vor Ort bleiben. Allerdings müssen sich die Gemeinden auch den immer deutlicher erkennbaren gesellschaftlichen Veränderungen stellen, und nicht nur die Kerngemeinden in den Blick nehmen, sondern auch Formen der Teilhabe am religiösen Leben für Menschen ohne Gemeindebindung zulassen und vielleicht auch selbst entwickeln. Die reichhaltige Kultur stellt auf der anderen Seite auch ein Problem dar, weil viele Menschen sich in dieser Kultur beheimatet fühlen und sie nicht aufgeben wollen. Allerdings müssen andere Formen der Zusammenarbeit und Verantwortung gefunden werden, bei denen ein starres Festhalten an dieser Kultur schädlich wäre. Ein weiteres Problem wird sich sicher auch im Bereich der Finanzierung der gemeindlichen Einrichtungen ergeben. Wichtig wäre, dass der Baubeginn der zugesagten Sanierung des Dekanatszentrums, das ein „Haus der Kirche“ werden sollte, bald erfolgt. Es wird aber auch in Zukunft über die gemeindlichen Einrichtungen und deren Erhaltung zu reden sein. Hier braucht es von Seiten der Diözese klare Vorgaben und Hilfen.
POW: Das Dekanat ist auf die Stadt Schweinfurt konzentriert. Was ist unter den Begriff Stadtkirche Schweinfurt zu verstehen?
Fries: Die „Stadtkirche Schweinfurt“ hat im Moment noch den Charakter eines Projekts. In diesem Projekt sollen die Leistungen und Angebote der katholischen Kirche in Schweinfurt so entwickelt und miteinander vernetzt werden, dass die Menschen auf ganz verschiedene Art Orte und Möglichkeiten des Glaubens wahrnehmen können. Ein erstes Ziel des Projektes ist es, angemessene Pfarreiengemeinschaften zu bilden, die die Grundversorgung und ein möglichst vielfältiges Pfarrei- und Pfarreiengemeinschaftsleben sicher stellen. Dieses Ziel wird Ende des Jahres erreicht sein. Ein zweites Ziel ist, die Angebote von Pfarreiengemeinschaften, besonderen Einrichtungen und kategorialen Diensten so zu vernetzen, dass viel gemeinsam und möglichst effizient getan wird. Hier sind einzelne Projekte dabei, den sich stellenden Fragen wie Armut, Umgang mit Menschen in Lebensbrüchen, Leben und Glauben im Alter und anderen in angemessener Form zu begegnen. Die Erkenntnisse der Projekte sollen in Zukunft die Arbeit auf allen Ebenen bestimmen. Diese Projekte werden ihre Arbeit voraussichtlich im Sommer 2010 abschließen. Das dritte Ziel ist die Entwicklung der Citypastoral rund um die Heilig-Geist-Kirche aber auch an anderen Orten. Die Citypastoral als ein Standbein wird ergänzt durch den „GesprächsLaden Schweinfurt“, der bereits seit zehn Jahren mit Erfolg in Schweinfurt etabliert ist. Ebenso sind hier auch viele ökumenische Initiativen wie die gemeinsame Kirchennacht am Entstehen.
POW: In Schweinfurt werden die künftigen Pfarreiengemeinschaften mit „Lebensraum“ bezeichnet. Was wollen Sie damit ausdrücken?
Fries: Lebensraum umfasst mehr als die traditionellen und klassischen Strukturen der Pfarreien. Es ist der Raum, in dem sich für die Menschen das Leben, aber auch der Glaube abspielt. Insofern ist der Lebensraum auch die Chance, über die traditionelle Gemeinde hinaus Glauben im Leben des Einzelnen und im Zusammenleben der Gesellschaft erfahrbar zu machen und die Botschaft des Evangeliums menschennah und glaubwürdig zu verkünden.
POW: Wie konnten Sie bisher in den sogenannten Lebensraumwerkstätten auf die neuen Pfarreiengemeinschaften vorbereiten?
Fries: Die Lebensraumwerkstätten waren nur ein Teil der Bemühungen. In ihnen wie in einer Visionswerkstatt, einer Denkwerkstatt, einer großen Zukunftswerkstatt, in verschiedenen Klausuren der Seelsorgskonferenz und des Dekanatsrats und in langen Prozessen in den einzelnen künftigen Pfarreiengemeinschaften erlebten viele Menschen den Zugewinn und die größere Offenheit. In allen Prozessen war ein Aufeinanderzugehen spürbar.
POW: Wie wollen die drei Pfarrgemeinden im Zentrum zusammenarbeiten und welche Schwerpunkte gibt es in der Innenstadtseelsorge? Welche Bedeutung hat die Citypastoral?
Fries: Die Pfarreiengemeinschaft Zentrum wurde am 19. Juli gebildet. Allerdings sind die drei Pfarreien bisher nicht den gleichen Weg gegangen. Die Pfarrei Sankt Michael versucht ihren Weg der Beteiligung in Absprache mit der Diözesanleitung zu finden. Der im nächsten Jahr anstehende 75. Geburtstag von Pfarrer Roland Breitenbach wird sicher eine Zäsur sein. Gemeinsam ist den drei Pfarreien schon jetzt die Mithilfe bei der Seelsorge im Krankenhaus Sankt Josef. Auf die drei Gemeinden kommen besondere Aufgaben zu. So ist rund um Heilig Geist und Sankt Kilian ein reiches kirchenmusikalisches Angebot etabliert. Beide Gemeinden haben für viele Christen aus dem Umland besondere Bedeutung im Bereich der Familienarbeit in Sankt Kilian und im Bereich der Beichtpastoral in Heilig Geist. Ebenso hat Sankt Michael mit seinen besonderen Angeboten und seiner intensiven diakonischen Arbeit weithin Anziehungskraft. Auf Seiten der Diözese ist angedacht, im Bereich der Gemeinde Sankt Michael eine Jugendkirche anzusiedeln. Hierzu gibt es aber auch andere Ideen, die in einem Dialog erst zielführend zusammengebracht werden müssen. Die Citypastoral um Heilig Geist und der „GesprächsLaden“ können das gemeindliche Angebot ergänzen und eigene Akzente in spiritueller, seelsorglicher und künstlerischer Hinsicht setzen. So gibt es seit Jahren die Angebote des Gesprächsladens vor allem für Trauernde, seit fast zwei Jahren lädt die „Segenszeit“, ein Gottesdienst mit persönlicher Handauflegung, Menschen in Trauer und anderem Kummer ein. Ein Angebot des kontemplativen Betens ergänzt seit einigen Monaten das „Stadtgebet“. Theater, besondere Konzerte und Ausstellungen machen das Angebot der Citypastoral bunt und ansprechend auch für Menschen ohne Bindung zu einer Gemeinde.
POW: Welche neuen Aufgaben in der Seelsorge kommen auf die Stadtrandgemeinden zu?
Fries: Die Stadtrandgemeinden haben ihre je eigenen Herausforderungen, aber auch Chancen. So sind die Stadtteile stark geprägt von einzelnen Bevölkerungsgruppen, die immer neu in den Blick genommen werden müssen. Hier können die Gemeinden am Stadtrand ein Angebot für „ihre“ Menschen machen und ein eigenes Profil entwickeln.
POW: Wie geht die Stadtkirche auf andere Kirchen und andere Religionen in Schweinfurt zu?
Fries: In Schweinfurt gibt es vielfältige ökumenische Bemühungen und ein sehr gutes und geschwisterliches ökumenisches Miteinander. Ein gutes Beispiel unter vielen anderen ist die gemeinsame Aktion „Eine Stunde Zeit“ der Pfarreiengemeinschaft Sankt Anton-Maria Hilf mit der evangelischen Christuskirche. Der interkonfessionelle Dialog wird von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (AcK) geführt, in der alle christlichen Konfessionen vertreten sind. Auch im interreligiösen Bereich gibt es Kontakte, vor allem zu den islamischen Gemeinden, die aber noch intensiviert werden müssten.
POW: Wo liegen die großen gesellschaftlichen Herausforderungen für die Stadtkirche Schweinfurt 2009/2010?
Fries: Die größte Herausforderung der nächsten Jahre wird sein mitzuhelfen, die Kluft zwischen der wirtschaftlichen Dynamik und den vielfältigen sozialen Problemen in der Stadt nicht zu groß werden zu lassen. Deshalb sind auch die meisten Projekte der Stadtkirche diakonischer Natur. Diese Herausforderungen lassen sich nur gemeinsam bewältigen. Deshalb ist es gut, dass Dienste wie Caritas, Sozialdienst katholischer Frauen, Ehe-, Familien- und Lebensberatung sowie Kolping vernetzt mit den Gemeinden und den Verantwortlichen des Dekanats handeln und so dieser Herausforderung begegnen. Eine zweite Herausforderung ist es, die Kerngemeinden zu öffnen und ein Angebot für „Menschen auf der Schwelle der Kirche“ in oder ergänzend zu den Gemeinden zu schaffen. Dabei ist es vielleicht auch notwendig, manches Alte anders zu machen oder zu lassen.
POW: Was möchten Sie am ersten Fastensonntag 2010 mit Blick auf das Dekanat Schweinfurt-Stadt sagen können?
Fries: Wir haben die ersten (strukturellen) Schritte geschafft. Wir haben erkannt, dass es gemeinsam geht. Lasst uns miteinander die Botschaft des Evangeliums menschennah, glaubwürdig und mit Freude zu den Menschen bringen.
(3209/0918; E-Mail voraus)
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