Würzburg (POW) Die deutschen und polnischen Bischöfe gedenken derzeit des bahnbrechenden Briefwechsels vor 40 Jahren. Damals baten die katholischen Bischöfe beider Länder erstmals einander um Vergebung und bereiteten damit einen Weg zur Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen. Der Altbischof von Koszalin-Kołobrzeg/Köslin-Kolberg und Ehrendomherr an der Kathedralkirche zu Würzburg, Ignacy Jez (91), war damals an der Ausarbeitung des Dokuments beteiligt und gehörte zu den Unterzeichnern. Am 21. September 2005 nahm Jez am Festakt zum 40. Jubiläum in Fulda teil. Am Samstag, 24. September, wird das Ereignis in Breslau gewürdigt. Während seines Deutschlandaufenthalts besuchte Bischof Jez auch Würzburg. In folgendem Interview blickt er auf das Ereignis vor 40 Jahren zurück.
POW: Vor 40 Jahren haben die deutschen und die polnischen Bischöfe am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils in einem Briefwechsel gegenseitig um Vergebung gebeten. Voran erinnern Sie sich besonders?
Bischof Jez: Ich nahm an der ersten Konzilssitzung in Rom teil. Bei der vierten Sitzung war ich nicht anwesend, da ich keine Ausreisegenehmigung erhalten hatte. Ich konnte aber an dem Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe mitwirken. Unter den polnischen Bischöfen haben wir intensiv über den Inhalt des Briefes diskutiert. Das Schreiben sollte das uns Mögliche wiedergeben. Aufgenommen werden sollte aber auch das, was den Deutschen möglich ist. Das war das Schwierigste bei der Entstehung und Formulierung des Dokuments.
POW: Was war Ihrer Meinung nach besonders wichtig an dem Text?
Bischof Jez: Diese Worte, die jetzt so bekannt sind: „Wir gewähren Vergebung und bitten um Vergebung.“ Viele Menschen in Polen haben Anstoß daran genommen: „Was, wir sollen um Verzeihung bitten für alles, was während des Krieges geschehen ist?“, haben viele Polen gefragt. „Das ist doch unmöglich“, bekamen wir Bischöfe zu hören. Das Schwierigste für uns war, die Menschen in Polen zu überzeugen, dass sie kurz nach Ende des Kriegs auch nicht richtig gehandelt hatten. Dafür müssen wir um Verzeihung bitten, „für das Leid der Millionen von Flüchtlingen und vertriebenen Deutschen“, wie es in dem Brief heißt.
POW: In Polen gab es viele Gegner dieser Erklärung?
Bischof Jez: Na klar. Vor allem bei den Kommunisten. Sie warfen uns Bischöfen vor, wir würden uns in die Angelegenheiten des Auswärtigen Amtes einmischen. „Wir machen die Außenpolitik und nicht die Bischöfe!“, bekamen wir Bischöfe von der kommunistischen Regierung zu hören.
POW: War die Kirche Vorreiterin bei der Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen?
Bischof Jez: Ja. Nachher hat sich gezeigt: Das war der richtige Weg. Ähnliches geschieht heute bei der Aussöhnung zwischen Polen und der Ukraine. Wir Bischöfe sprechen zu den Katholiken und hoffen, dass sie den Weg weitergehen.
POW: Wo liegen die Gründe Ihres Einsatzes für die Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen?
Bischof Jez: Mein ganzes Leben ist von der Beziehung zwischen Deutschen und Polen bestimmt. In meiner Jugendzeit vor dem Zweiten Weltkrieg in Schlesien gestaltete sich das Zusammenleben zwischen Deutschen und Polen bis auf wenige Einzelfälle ruhig. Durch den Krieg veränderte sich die Situation völlig. Im Konzentrationslager Dachau von 1942 bis 1945 stellte ich sehr schnell fest, dass sich dort nicht nur Polen und Inhaftierte anderer osteuropäischer Nationen befanden, sondern auch Deutsche. Während die NS-Propaganda „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ verkündete, zeigte sich im Konzentrationslager ein differenzierteres Bild. Es gab auch Deutsche, die sich der Propaganda widersetzten. Die Erfahrungen in Dachau bestimmten meinen Einsatz für die Versöhnung zwischen Polen und Deutschen nach dem Krieg. Eine große Rolle spielten der Briefwechsel zwischen den Bischöfen im Jahr 1965 sowie die internationalen Verträge zwischen beiden Ländern.
POW: Was war für Sie das Entscheidende im Prozess der Aussöhnung beider Völker?
Bischof Jez: Nach meiner tiefen Überzeugung haben besonders die Kontakte von Mensch zu Mensch Wunder bewirkt. Sie haben Früchte getragen und das gegenseitige Verständnis vorangebracht. Langsam wurden die Barrieren niedergerissen, die beide Nationen trennten.
POW: Wie schätzen Sie die Situation 40 Jahre nach dem Briefwechsel ein?
Bischof Jez: Die Situation hat sich geändert. Es gibt sehr viele persönliche Kontakte. Die schlimmsten Sachen haben wir aufgearbeitet. Wir können langsam von einer Freundschaft sprechen. Wir müssen aber immer wieder an die damaligen Ereignisse erinnern. Wir müssen der Jugend sagen, dass das keine erfundene Geschichte ist, sondern Realität war. Es gilt heute, weiter an der Beziehung zwischen Deutschen und Polen zu arbeiten. Wir Bischöfe müssen besonders die Politikern mahnen, sich für die Verständigung einzusetzen. Ich selbst will das mir Mögliche dazu beitragen, damit die Freundschaft zwischen Deutschen und Polen wächst.
Interview: bs (POW)
(57 Zeilen/39051210; E-Mail voraus)