Würzburg/Eisingen (POW) Das Bistum Würzburg möchte dem prognostizierten Mitgliederschwund in den kommenden Jahren etwas entgegensetzen. „Wir müssen durch unsere Arbeit überzeugen“, betonte Bischof Dr. Franz Jung am Samstag, 21. September, bei einem diözesanen Forum in Eisingen. Im Bistum Würzburg ließen fast 90 Prozent aller katholischen Eltern ihre Kinder taufen, deutlich mehr als in vielen anderen deutschen Diözesen. „Wie gehen wir mit dieser großen Kontaktmöglichkeit um?“, fragte der Bischof in die Runde. „Denn wir werden von den Gläubigen letztlich wie jedes andere ‚Unternehmen‘ nach der Qualität unseres Tuns beurteilt.“ Rund 130 Mitglieder diözesaner Gremien wie Allgemeiner Geistlicher Rat, Ordinariatskonferenz, Dekanekonferenz, Priesterrat, Diözesanpastoralrat, Diözesanrat, Diözesansteuerausschuss, Diözesanvermögensverwaltungsrat und Mitarbeitervertretung nahmen an der Veranstaltung im Eisinger Pfarrzentrum teil.
David Gutmann, Mitarbeiter beim „Forschungszentrum Generationenverträge“ (FZG) der Universität Freiburg, stellte zu Beginn das Bistum Würzburg betreffende Details einer Studie vor. Diese war bereits im Mai für ganz Deutschland veröffentlicht worden und untersucht die Entwicklung der Mitgliederzahlen und Kirchensteuereinnahmen der beiden großen Kirchen bis zum Jahr 2060. Von 2000 bis heute ist die Zahl der Katholiken im Bistum Würzburg um rund 16 Prozent gesunken, die Kirchensteuereinnahmen stiegen zugleich um 39 Prozent. „Wenn man dann aber die Kirchensteuerkraft mit dem Verbraucherpreisindex misst, dann beläuft sich der Anstieg der Einnahmen auf nur drei Prozent“, sagte Gutmann. Und dieser sei auch mit der derzeit günstigen wirtschaftlichen Entwicklung zu erklären.
Bei der Projektion der Entwicklung von Kirchenmitgliedern und Kirchensteuereinnahmen betrieben er und seine Kollegen keine Hellseherei. „Die Qualität der Prognosen hängt von der Datenqualität und den zugrunde gelegten Annahmen ab.“ Auf der Basis der Demografie sei für das sehr ländlich geprägte Bistum Würzburg bis 2060 ein Rückgang der Katholiken von derzeit rund 734.000 auf 511.000 Personen (ein Minus von 32 Prozent) zu erwarten, bei einer zusätzlichen annahmebasierten Projektion auf 349.000 (ein Minus von weiteren 22 Prozent). Dem annahmebedingten Rückgang könne gegengesteuert werden. „Es gibt also ein Potential von 22 Prozent!“, ermutigte Gutmann die Zuhörer. Auch im günstigen Fall sei bis 2060 ein Rückgang der Kirchensteuer um 13 Prozent zu erwarten, wobei die Kaufkraft dieser Einnahmen nur 40 Prozent im Vergleich zu 2017 betragen werde.
Gutmann erläuterte, dass viele Katholiken mit der Firmung den letzten intensiven Kontakt zur Kirche hätten. „Dann ist mit Eintritt ins Berufsleben der erste Kirchensteuerbescheid oft das nächste und letzte Mal.“ Viele träten in Folge aus der Kirche aus. 2010 mit dem bundesweiten Bekanntwerden der Missbrauchsfälle sei ein massiver Anstieg der Austritte zu verzeichnen gewesen, 2018 mit der Veröffentlichung der MHG-Studie ein weiterer, der aber noch immer spürbar anhalte, erklärte Gutmann. „Wer geht, bleibt meist dauerhaft weg – so ist es zumindest bei den Katholiken im Gegensatz zur evangelischen Kirche.“ Bei den Kirchensteuereinnahmen werde das derzeit noch nicht deutlich, da gerade viele Kirchensteuerzahler – vor allem aus den geburtenstarken Jahrgängen – in höheren Einnahmegruppen zu finden seien und daher auch deutliche Kirchensteuereinnahmen generierten. „Es ist daher wichtig, auch den womöglich kirchenfernen Mitgliedern Danke zu sagen!“, erläuterte Gutmann.
In der anschließenden Diskussion erklärte Diözesanratsvorsitzender Dr. Michael Wolf, es gehe nicht primär um das Geld. „Viel dramatischer ist die sinkende Zahl der Kirchenmitglieder. Das Marketing fehlt!“ Generalvikar Thomas Keßler betonte, er habe keinen einfachen Masterplan in der Tasche. Grundsätzlich gehe es darum, wie die Kirche die Frohe Botschaft positiv zu den Menschen bringen könne. Dafür es sei wichtig, sprachfähig im Glauben zu werden. Es gelte unter anderem, Formen des geistigen Lebens zu finden, die das Bewusstsein geben: „Wir sind Säleute des Glaubens.“ Gerade die Generation der sogenannten „Digital Natives“ sei in den Gemeinden nicht präsent. „Denken wir vielleicht zu binnenkirchlich?“
Bischof Jung skizzierte zum Abschluss einige Ansätze für die Zukunft. „Für junge Menschen zwischen 14 und 28 Jahren haben wir zu wenig zu bieten. Dabei sind das biografisch besonders wichtige Jahre.“ Außerdem müssten Bistum und Caritas enger zusammenarbeiten, „um dort zu sein, wo es brennt und Menschen in Notlagen sind“. Die Frage, wie Seelsorge und Caritas künftig im ländlichen Raum aufgestellt werden könnten, sei eine der größten Herausforderungen. Bei den Gottesdienstzeiten und -formen regte er eine stärkere Mitgliederorientierung und Vielfalt an. Zudem sprach er sich dafür aus, alle Mitarbeiter – auch die Verwaltungskräfte – als „erste Missionare“ in den Blick zu nehmen.
Die im Mai 2019 veröffentlichte Studie des FZG besagt, dass die großen Kirchen in Deutschland 2060 nur noch halb so viele Mitglieder haben werden wie heute. Auch ihre finanziellen Möglichkeiten werden sich in etwa halbieren. Den Berechnungen zufolge wird die Zahl der Mitglieder von 44,8 Millionen im Jahr 2017 bis 2035 auf 34,8 Millionen zurückgehen (minus 22 Prozent) und bis 2060 auf 22,7 Millionen (minus 49 Prozent). Dabei wird die katholische Kirche (minus 48 Prozent) etwas weniger Mitglieder verlieren als die evangelische (minus 51 Prozent).
mh (POW)
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