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„Wir müssen nicht noch kurz die Welt retten“

Interview mit Weihbischof Ulrich Boom zur Seelsorge im Bistum Würzburg – „In der Seelsorge geht es nicht darum, die Sakramente zu verwalten, sondern sie zu spenden“ – Gute pastorale Lösungen für wiederverheiratete Geschiedene finden

Würzburg (POW) Weihbischof Ulrich Boom (64) leitet neben seiner vielfältigen Tätigkeit als Weihbischof und Dompropst zusätzlich als Bischofsvikar die große Hauptabteilung Seelsorge des Bischöflichen Ordinariats im Kilianshaus in Würzburg. In folgendem POW-Interview spricht Weihbischof Boom über Veränderungen und aktuelle Herausforderungen in der Seelsorge im Bistum Würzburg. Die Sorge um den Menschen ist für ihn die große Aufgabe einer Seelsorge im 21. Jahrhundert.

POW: Was bedeutet Seelsorge?

Weihbischof Ulrich Boom: Ein anderes Wort für Seelsorge ist Pastoral, Hirtendienst, Sorge für den Menschen, damit es ihm gut geht an Leib und Seele. In der Diözese Würzburg haben wir uns das Motto gegeben: „Kirche für die Menschen.“ Seelsorge bedeutet immer, das Wohl und das Heil der Menschen im Auge zu haben; auf die Menschen zu schauen, so wie Gott auf die Menschen schaut.

POW: Kirche für die Menschen oder Kirche für die Katholiken?

Weihbischof Boom: Kirche ist für alle Menschen, gewiss nicht immer mit allen Menschen. Einige Menschen wollen nicht in der Kirche sein, andere können nicht mit der Kirche. Das müssen wir respektieren.

POW: Die Pfarreiengemeinschaften sind errichtet, neue Strukturen geschaffen. Wie geht es weiter mit der Seelsorge in den neuen Einheiten?

Weihbischof Boom: Man sollte nicht meinen, dass wir mit der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften schon alle Aufgaben im Blick auf die Zukunft erledigt haben. Wichtige Schritte sind getan. Wir leben in einer Zeit, in der alles in Bewegung ist. Wir müssen deshalb das Geschaffene immer wieder den sich veränderten Gegebenheiten anpassen. Seitens der Diözesanleitung wurde mehrfach gesagt: Wir wollen nichts an den Menschen vorbei tun, nicht über die Köpfe hinweg entscheiden. Vieles wird vor Ort selbst erkannt. Wenn ich denke, wie viele Menschen zunächst Vorbehalte gegenüber den Pfarreiengemeinschaften hatten – und heute entdecken sie, dass es gut ist, zusammen zu sein. Die Vielfalt bereichert, ergänzt. Beispiel Jugendarbeit: Auf Ebene der Pfarreiengemeinschaft sehen Kinder und Jugendliche, dass sie gar nicht so wenige sind, die sich in der Kirche engagieren.

POW: Hat sich Seelsorge in den neuen Strukturen verändert?

Weihbischof Boom: Ja. Das Territorium, die Seelsorgeeinheit wird nicht mehr das allein Bestimmende in der Seelsorge sein. Da müssen wir noch viel lernen. Zunehmend rückt das Kategoriale in den Blick. Zum Beispiel, wenn eine Pfarrei merkt, dass die Altenseelsorge nur noch gemeinsam auf größerer Ebene organisiert werden kann. Oder in der Krankenhausseelsorge: Die Menschen im Krankenhaus sind oft weit entfernt von ihren Gemeinden. Deshalb müssen Seelsorger vor Ort, im Krankenhaus, die Menschen begleiten. Das wirkt sich dann auch auf die Stellenplanung aus.

POW: Die Priester und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind viel mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt. Braucht es wieder mehr Zeit für Seelsorge?

Weihbischof Boom: Man kann heute auf jeden Fall nicht mehr so Priester, Diakon oder pastorale Mitarbeiterin und pastoraler Mitarbeiter sein wie vor 20 Jahren. Aber auch die Verhältnisse in den Gemeinden haben sich total geändert. Der Mensch lebt ganz anders. Wenn wir früher in die Dörfer schauten, war es so: Der Pfarrer ging in die Schule, besuchte den Kindergarten und organisierte vielleicht das Pfarrbüro noch mit. Heute gibt es vieles in den kleinen Gemeinden nicht mehr. Oft sind nur noch die alten Leute tagsüber im Dorf. Die Jungen sind nur am späten Abend oder am Wochenende vor Ort. Für die Seelsorge ist es deshalb notwendig, zu schauen, was vor Ort wichtig ist. Organisation und Verwaltung gehören dazu, sind aber nicht alles.

POW: Was sollte Seelsorgerinnen und Seelsorger heute auszeichnen?

Weihbischof Boom: Genau hingucken, wie der Mensch lebt. Schauen, wo der Mensch seine Sorgen hat. Den Menschen kennen und verstehen. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger müssen Zeit für die Menschen haben. Sie müssen nach den Notwendigkeiten schauen und Schwerpunkte setzen. Dabei ist der Seelsorger nicht allmächtig und kann es ja gar nicht sein. Da überschätzen wir uns manchmal. So viel wie möglich sehen, handeln, wo Handeln möglich ist, und alles in Gottes Händen wissen. Wir müssen nicht noch kurz die Welt retten. Sie ist gerettet.

POW: Wo muss Seelsorge in den kommenden Jahren Schwerpunkte setzen?

Weihbischof Boom: Pflicht ist sicher: Wie gelingt es uns, die Sakramente, die Zeichen der Nähe Gottes, gut den Menschen weiterzugeben. Das ist eine der vornehmsten Aufgaben der Seelsorge. Der Mensch soll die Nähe Gottes spüren. In der katholischen Kirche heißt das, dass der Mensch diese Nähe in den Sakramenten erfahren kann. Das ist es nicht allein, aber im Besonderen. In der Seelsorge geht es nicht darum, die Sakramente zu verwalten, sondern sie zu spenden, dass sie immer als Geschenk erfahren werden. Das muss zum Ausdruck kommen. Weder Beliebigkeit noch Strenge sind da gute Ratgeber.

POW: Die schwierigere Frage: Worauf sollte künftig in der Seelsorge verzichtet werden?

Weihbischof Boom: Das ist immer eine sehr gefährliche Frage. Vor Ort könnte genau das wichtig sein, was ich vorschlage wegzulassen. Wir müssen immer schauen, wo wir uns in unserem Denken, Handeln und Tun an der Oberfläche befinden. Wir dürfen keine oberflächliche Pastoral pflegen. Darauf können wir verzichten.

POW: Blickt man auf die Sakramente, gehen die Zahlen insgesamt deutlich zurück. Ist die Zeit der Volkskirche beendet?

Weihbischof Boom: Dass die Volkskirche überall zu Ende ist, glaube ich nicht. Es gibt Teile in unserer Diözese Würzburg und auch in Deutschland, wo volkskirchliche Strukturen noch ganz stark sind. Teils sind diese Strukturen aber nur noch im Denken vorhanden und greifen in der Praxis nicht mehr. Insgesamt ist die herkömmliche Volkskirche in den bisherigen Strukturen mit den vielen Pfarreien, den Verbänden, den Engagements und vielem mehr aber ein auslaufendes Modell. Ich frage mich manchmal: Gibt es die „Pfarrfamilie“ noch? Oder den Lebensraum der „herkömmlichen Pfarrei“? Wo liegt die Aufgabe der Verbände heute? Oft sind unsere Gemeinden nur noch Schlaf- oder Freizeiträume. In diesem Sinn müssen wir von der Volkskirche als Lebensraum Abschied nehmen. Kirche des Volkes muss es aber weiter geben, um nahe bei den Menschen zu sein. Volkskirche morgen wird stärker temporär ausgerichtet sein. Zeit und Raum werden stärker wechseln.

POW: Christsein beginnt mit der Taufe. Wie sollte Taufkatechese, die Vorbereitung auf die Taufe, heute gestaltet werden?

Weihbischof Boom: Warum kann die Katechese nicht bei den jungen Eltern ansetzen? Hier kann über eine längere Zeit hin in einer Seelsorgeeinheit etwas wachsen. Die Eltern kommen nach der Taufe über Jahre im Kindergarten und in der Grundschule zusammen. Ähnlich ist es bei der Kommunionvorbereitung. Auch hier ist eine Zusammenarbeit in der Pfarreiengemeinschaft sinnvoll. Das schließt ja nicht aus, dass trotzdem vor Ort Feiern stattfinden können. Zum Beispiel gibt es in anderen Diözesen gemeinsame Kommunionfeiern in der Seelsorgeeinheit, die einzelnen Gemeinden empfangen dann die Kommunionkinder an den folgenden Sonntagen.

POW: Kindern, die zur Erstkommunion gehen, fehlt oft jegliches Grundwissen des Glaubens. Macht es noch Sinn, Kinder klassenweise zur Kommunion zu führen?

Weihbischof Boom: Ich würde das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Wenn ich nichts Neues habe, behalte ich erst einmal das Alte bei. Abgeschafft ist etwas ganz schnell. Es gilt, wachsam zu sein, ganz genau hinzugucken, wie die Menschen leben. Die Eltern treffen sich ja nicht nur mit Blick auf die Vorbereitung zur Kommunion und zu den Sakramenten der Beichte und Firmung, sondern auch mit Blick auf den Schulalltag, auf die Weitergabe ihrer Lebenserfahrung. Für die Gemeinden ist es eine Chance, wenn die Kinder gemeinsam in der Grundschulzeit zur Kommunion gehen. Ich will aber nicht leugnen, dass wir uns in sich stark veränderten Welten befinden.

POW: Firmungen gehören für Sie fast zum Tagesprogramm. Wie erleben Sie die jungen Christen? Gibt es ein bestimmtes Alter, das Sie für Firmlinge empfehlen?

Weihbischof Boom: Die fast tägliche Begegnung mit den vielen Jugendlichen kann schnell den Blick auf die Realität verstellen, dass das nicht der gemeindliche Alltag ist. Meist nehmen die Jugendlichen das Sakrament der Firmung sehr positiv und bewusst auf. Der Firmgottesdienst hat einen ganz hohen Stellenwert. Wir feiern, dass Gott uns nahe ist, dass Gottes guter Geist da ist, dass wir eben nicht von allen guten Geistern verlassen sind. Ich spüre das bei den Firmungen, und die Jugendlichen wissen auch darum. Jugendliche, die über Jahre einen sehr engen Kontakt zur Kirche haben, erleben die Firmung sicher nochmals ganz anders als jene, die nur sporadisch mit der Kirche verbunden sind. Insgesamt gesehen ist das Wissen um die Schätze des Glaubens aber schon geringer geworden. Das liegt nicht daran, weil die Welt schlechter geworden ist, sondern weil vieles nicht mehr eingeübt wird. Das braucht Zeit. Diese ist aber bei vielen Jugendlichen total ausgefüllt. Beim Firmalter gibt es die Spannweite von der sechsten bis zur neunten Klasse und darüber hinaus. Dabei würde ich auch bleiben. Die Gemeinden sollten darauf schauen, welches genaue Alter sinnvoll und möglich ist. Entscheidend ist es, dass im Menschen die Beziehung zu Gott aufgebaut wird und dass die Freundschaft mit Christus gepflegt wird.

POW: Die Firmung ist bei vielen Jugendlichen oft das letzte Mal, dass sie zur Beichte gehen. Ein verlorenes Sakrament?

Weihbischof Boom: Gewiss ist es oft vor der Firmung vorerst das letzte Mal, dass die Jugendlichen beichten. Aber wir wissen nicht, was alles im Leben noch geschehen wird. Es ist ja nicht so, dass überhaupt nicht mehr gebeichtet wird. Wenn ich an die Wallfahrtsorte oder an die Katholiken- und Weltjugendtage denke: Dort gehen viele – auch junge – Menschen beichten. Die regelmäßige Beichte war Teil der volkskirchlichen Struktur. Aber dieses System funktioniert einfach nicht mehr. Einmal pro Jahr zu beichten gehört zur Lebensordnung in der Kirche. Aber werben können wir nicht mit Verordnungen, sondern dadurch, dass wir die Beichte als Geschenk entdecken: Sie ist das Sakrament der Versöhnung – und wer braucht nicht Versöhnung mit den Menschen, mit sich, mit Gott? Vielleicht entdecken die Menschen die Beichte nach einer Zeit wieder neu. Annäherungen gibt es beispielsweise in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung, die ja großen Zulauf hat. Man sollte die Beratung nicht mit der Beichte verwechseln. Beratung und Beichte können aber aufeinander verweisen.

POW: Massiv zurückgegangen ist die Zahl der Trauungen. Woran liegt dies Ihrer Meinung nach und wie sollte Kirche künftigen Eheleuten begegnen?

Weihbischof Boom: Zum einen sind es ganz einfach demographische Entwicklungen. Hinzu kommt oft das fehlende Verwurzeltsein in der katholischen Kirche. Hauptgrund ist aber ganz bestimmt die Angst vor der Bindung. Junge Menschen wissen, wie schnell eine Ehe auseinandergehen kann: Die Trauung wird im großen Rahmen gefeiert und später ist der Rahmen leer oder das Bild darin zerrissen. Wenn den Eheleuten nicht mehr klar ist, wer Gott ist, wie kann ich in der Welt dann mit dem Sakrament der Ehe etwas vom Liebesverhältnis Gottes zum Menschen oder von Christus zu seiner Kirche sagen? Auch hier gilt: Ein Sakrament ist Zeichen der Nähe Gottes zu uns Menschen. Eheleute werden so zu diesem Zeichen. Sie sind gesegnet und werden zum Segen. Eine tiefere Einführung in die christliche Ehe als Sakrament halte ich für nötig.

POW: Ein großes Problem in der Seelsorge ist der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Sie waren selbst lange Jahre Pfarrer. Was antworten Sie als Weihbischof den Seelsorgern auf diese Frage?

Weihbischof Boom: Der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ist eine große Herausforderung für die Kirche. Wir haben immer gedacht, dass alles glatt läuft im Leben. Gesellschaftliche Strukturen haben auch vieles zusammengehalten, was manchmal große Risse hatte. Scheitern hatten wir oft nur im Blick auf das Bußsakrament festgemacht. Scheitern erleben wir vermehrt bei Ehepaaren, die merken, ich kann das gegebene Ja nicht mehr halten. Als Seelsorger müssen wir sehen, wie wir den gescheiterten Menschen helfen können. Ganz wichtig ist, im Gespräch zu bleiben, einander zu verstehen – und dann gibt es vor Ort viele sehr persönliche Lösungen. Vielleicht ist insgesamt die große Herausforderung in unserer Gesellschaft: der Umgang mit Scheitern, Versagen und Unvermögen.

POW: Und die große kirchenamtliche Lösung dieser Frage …

Weihbischof Boom: Die große Lösung für die Gesamtkirche wird es so einfach nicht geben. Es gibt die Möglichkeit der kirchenrechtlichen Annullierung einer Ehe. Aber nicht immer ist dies möglich. Die Ostkirchen könnten hier ein Beispiel sein. Sie ermöglichen nach einem Vergebungsritus ein neues Eheversprechen. Es gilt, das hohe Gut der ehelichen Treue zu bewahren, als auch dem Scheitern im Leben Rechnung zu tragen. In der Vorbereitung auf die Trauung müssen wir aber noch mehr auf die freie Entscheidung jedes Partners blicken. Ebenso sind nach der Eheschließung die Ehepaare zu begleiten.

POW: Was sagen Sie betroffenen Paaren?

Weihbischof Boom: Ich rate ihnen: Sprecht mit eurem Seelsorger. Ich setze darauf, dass er in seiner Verantwortung für die Menschen gute pastorale Lösungen findet. Wir spitzen das Thema immer auf den Kommunionempfang zu. Oft geht es erst einmal darum, dass wiederverheiratete Geschiedene unter dem Segen Gottes leben. Viele leben unter dem Segen Gottes, ob sie ihn ausdrücklich von der Kirche bekommen haben oder nicht. Der Segen ist ein Geschenk Gottes, er ist nicht zu verwalten.

POW: Themenwechsel: Die Begräbniskultur ist völlig im Wandel. Was bedeuten die Veränderungen für die Seelsorge?

Weihbischof Boom: Hier ist ganz viel in Bewegung – genauso wie am Anfang des Lebens. Es geht um die Grundfragen des Lebens. Wie kommt der Mensch zur Welt? Wie gehe ich aus der Welt hinaus? Der Wandel in der Bestattungskultur hängt damit zusammen, dass die Gesellschaft so mobil geworden ist. Viele alte Menschen wollen ihren Angehörigen nicht zur Last fallen, wenn sie die letzten Dinge regeln, und entscheiden sich dann für Friedwald oder Ruheforst bis hin zu anonymer Bestattung. Das ist nicht alles atheistisch oder gottlos. Aus vielen spricht eine große Einsamkeit. Viele Menschen haben oft einen Blick auf unsere Zeit, als sei dieses Leben die letzte Gelegenheit. Es ist die Frage nach dem ewigen Leben, und die stellt sich in einer total mobilen Gesellschaft ganz schwer. Was bleibt eigentlich? Die deutschen Bischöfe haben Ende des vergangenen Jahres, ich meine in guter Weise, in einem ausführlichen Wort zur katholischen Bestattungskultur angesichts neuer Herausforderungen Wichtiges gesagt.

POW: Ist für viele Menschen der Himmel verschlossen?

Weihbischof Boom: Ich glaube nicht. Aber viele Menschen sind so in sich gefangen, dass sie den Himmel nicht offen sehen. Bei der Bestattungskultur ist für uns Christen das Requiem das Entscheidende, nicht die Beerdigung. In vielen Ländern der Erde ist die offizielle Kirche bei der Bestattung nicht dabei, das übernehmen die Angehörigen. Im Blick auf die Pastoral bei Todesfällen ist wichtig: Die trauernden Menschen müssen das Herz des Seelsorgers und der Seelsorgerin spüren. Sie müssen merken, ohne dass ich es groß sage: Da glaubt einer an das ewige Leben, da ist einer mit uns als Trauernden unterwegs. „Wir sind nur Gast auf Erden“, das singen wir oft. Dies ist das Entscheidende. Da gibt es oft viele vertane Chancen in der Seelsorge. Unsere Hauptabteilung Seelsorge plant für das nächste Jahr ein Themenheft zur Trauerpastoral in der neuen Reihe „heute.glauben.leben“.

POW: Wenn auch manches abnimmt in der Kirche: Wallfahrten boomen.

Weihbischof Boom: Das Pilgern ist eine Lebensart, die dem heutigen mobilen Menschen sehr entgegenkommt. Wir sind mit dem Pilgern ganz nahe am Nerv der Zeit. Das Pilgerwesen war stets eine große Laienbewegung und wurde von geistlichen Gemeinschaften getragen. Pilgern war oft nicht eine Sache der Kirchen- und Gemeindeleitung. Früher war es manchmal den Bischöfen und Pfarrern ein Dorn im Auge. Heute natürlich nicht mehr. Wir freuen uns über die vielen Menschen, die sich auf den Pilgerweg begeben. Der Mensch unterwegs, das pilgernde Gottesvolk ist eines der treffenden Bilder des Zweiten Vatikanums.

POW: Kurze Frage zum Dialogprozess: Was ist unter der „Landkarte des Gelingens“ zu verstehen, die im Bistum Würzburg bis 2013 entstehen soll?

Weihbischof Boom: Wir wollen aufzeigen, was alles im Bistum Würzburg gelungen ist. Wir schauen nicht nur nach den Defiziten, sondern nach dem Positiven, das geschieht. Das Negative soll nicht verschwiegen, aber das Positive hervorgehoben werden. Wir wachsen mit dem Gelungenen.

POW: Was ist für Sie das Wichtigste in der Seelsorge?

Weihbischof Boom: Vertrauen in Gott und den Menschen zu stärken. Es gibt keine Pastoral ohne Vertrauen. Seelsorge geschieht da, wo Vertrauen erhalten und aufgebaut wird. Wo Vertrauen ist, holen wir uns ein Stück Himmel auf die Erde. Kirche ist da am vertrauenswürdigsten, wo sie mit den Menschen geht und um die eigenen Schwächen und die Schwächen der anderen weiß – und wir nicht den starken Mann, die starke Frau markieren und besserwisserisch daherkommen. Darum geht es ja auch im „Jahr des Glaubens“, zu dem uns Papst Benedikt XVI. einlädt. Unser Glaube und unser Vertrauen in Gott sollen gestärkt werden. Wir sind angenommen trotz all unseres Versagens und all unserer Schuld. Aber auch das Vertrauen unter uns Menschen braucht Stärkung. Je mehr wir Gott in unserer Welt sehen, desto mehr entdecken wir, dass wir als seine Kinder untereinander Schwestern und Brüder sind. Dann sind wir wieder beim Zweiten Vatikanum, dessen Eröffnung vor 50 Jahren wir in diesem Jahr feiern.

(3512/0901; E-Mail voraus)

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