Eisingen (POW) Feierlich schweben die Töne von „Sancta Maria“ durch den Probenraum des Sankt Josefs-Stifts in Eisingen. 15 Männer und Frauen bewegen synchron die Finger über die Saiten ihrer Veeh-Harfen. An der Stelle „Sancta Virgo – Virgo virginum“ wird die Melodie kurz schneller, um dann für den Bruchteil einer Sekunde innezuhalten. Als die letzte Note verstummt ist, blicken alle erwartungsvoll auf Karl Heeg. Der musikalische Leiter der Gruppe „Saitenklang“ nickt zufrieden und gibt noch ein paar Tipps: „In den ersten Teilsatz ein bisschen mehr Kraft legen. Und wenn die Punktnoten kommen bitte nicht drauf kleben bleiben.“ Die Musiker hören aufmerksam zu. Dann spielen sie das Stück noch einmal komplett durch – je nach Können und Erfahrung mit einem oder zwei Fingern. „Ihr bekommt demnächst drei Noten, dann müsst Ihr gleichzeitig noch mit den Füßen spielen“, scherzt Heeg. Die Musiker schmunzeln, einige lachen laut auf. Alle sind stolz darauf, dass das Zusammenspiel so gut geklappt hat.
„In diesem Jahr liegt ein Schwerpunkt auf Marienliedern“, erklärt Heeg. Das Repertoire von „Saitenklang“ umfasst zudem Volks- und Wanderlieder, Tänze und klassische Stücke, etwa aus Mozarts „Zauberflöte“. Zu seinen Aufgaben gehöre es auch, die Stücke und Lieder für die Veeh-Harfe umzuschreiben. „Sie müssen für alle spielbar sein. Wichtig ist, dass die Freude am Musizieren erhalten bleibt“, erklärt der 69-Jährige. Einige der insgesamt zwölf Musiker spielen nur die Melodie, während stärkere Mitglieder mit zwei Fingern eine zweite Stimme spielen. Heeg selbst spielt die Tenor- und Bassstimmen. Unterstützt wird er von den Betreuerinnen Christine Spielberger, Gertrud Keller und Theresia Enk. Ohne sie „ginge gar nichts“, erklärt er. „Sie sind nicht nur feste musikalische Stützen, sondern waschen auch die Trikots, fahren den Kleinbus zu Auswärtsterminen, besorgen kleine Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke für die Mitglieder und sind für manche auch erste Anlaufstelle bei Problemen. Sie halten mir den Rücken frei, so dass ich mich voll und ganz auf die Musik konzentrieren kann.“
Auch das Notenblatt für „Sancta Maria“ hat er selbst geschrieben. „Das Besondere an der Veeh-Harfe ist, dass man keine Notenkenntnisse braucht“, erklärt er das Prinzip. An der linken Seite markiert ein dicker schwarzer Strich, der zusätzlich mit einem „G“ gekennzeichnet ist, die G-Saite. So können die Musiker ihre Notenblätter selbst unter den Saiten einlegen. Die Notenwerte werden mit Kreisen und Punkten dargestellt, die mit Linien verbunden sind. Sie stehen direkt unter den zu zupfenden Saiten. „Dann spielt man einfach Linie für Linie weiter“, sagt Heeg und setzt mich vor eine freie Veeh-Harfe. So einfach ist das aber nicht. Gleich den ersten Einsatz verpatze ich komplett – während die anderen schon mitten im Lied sind, klebt mein Finger unentschlossen an der Saite. Alle Töne hören sich irgendwie gleich an, egal ob die Melodie zart schwebend oder kräftig klingen soll. Und was bedeutet noch mal der schwarze Kreis mit einem kleinen Punkt dahinter? Heeg lächelt und erklärt: „Man muss die Fähigkeit haben, aufeinander zu hören, und ein bisschen Rhythmusgefühl.“
Nicht zu vergessen Fleiß und Disziplin. Die Ensemble-Mitglieder proben zweimal in der Woche jeweils eine Stunde. Manche üben die Stücke zusätzlich daheim auf der eigenen Veeh-Harfe. Das Ensemble sei das „musikalische Aushängeschild des Sankt Josefs-Stifts“, heißt es auf der Homepage. „Wir machen oft Ausflüge und spielen Harfe“, erzählt Monika. In Stadt und Landkreis Würzburg, in Schweinfurt und Tauberbischofsheim tritt das Ensemble auf. „Schwerpunkt ist die Adventszeit“, sagt Heeg. Die Gruppe gestaltet aber auch Frühjahrs- und Sommerkonzerte, kirchliche Feste sowie Festtage wie etwa den Muttertag. Vor allem bei Seniorennachmittagen von Pfarreien oder Gemeinden seien sie gefragt. Ein Höhepunkt im vergangenen Jahr sei ein Konzert mit Demenzkranken und deren Angehörigen in Rottendorf gewesen, erzählt Heeg. „Unsere Musiker haben gespielt und den Gästen die Funktion ihres Instruments erklärt.“
Seit Januar 2017 leitet Heeg das Ensemble. Er habe schon früher bei „Saitenklang“ ausgeholfen, und gemeinsam mit seiner Frau, die als Heilpädagogin im Sankt Josefs-Stift arbeitet, bietet er einen Kurs „Veeh-Harfe“ bei der Volkshochschule Würzburg an. Sein ganzes Leben hat der 69-Jährige der Musik gewidmet – mehr als 40 Jahre unterrichtete er als Lehrer Musik an einer Hauptschule, im Eisinger Posaunenchor spielt er das Tenorhorn. Seine Zeit als Blechbläser neige sich auf absehbare Zeit dem Ende zu, sagt er selbstkritisch. Doch bei „Saitenklang“ habe er einen „dankbaren Abschluss“ gefunden. „Ich habe schon in vielen Gruppen, Ensembles und Orchestern mitgewirkt. Aber noch nie habe ich so viel Freude am Musizieren erlebt wie hier. Noch nie ist so viel Dankbarkeit zurückgekommen.“
Zum Abschluss spielen die Musiker noch eine Runde Volkslieder. Nacheinander erklingen „Im Märzen der Bauer“, „Wenn ich ein Vöglein wär“, „Wohlauf in Gottes schöne Welt“ und noch viele weitere. Der Tisch verschwindet unter den vielen Notenblättern. Auch privat mögen viele der Mitglieder Volkslieder, unter den persönlichen Vorlieben finden sich aber auch Schlager, Rockmusik und klassische Stücke. „Auch mal Harfenmusik zur Entspannung“, sagt Carolin. Das Wichtigste bei „Saitenklang“ ist für alle die Freude an der Musik. „Wir sitzen zusammen, musizieren und haben Spaß“, bringen es Albert und Apollonia auf den Punkt. Und Monika ergänzt stolz: „Wir sind die beste Gruppe.“
sti (POW)
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