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„Wir sägen den Ast ab, auf dem unsere Kinder sitzen“

Diözesanempfang mit Professorin Dr. Christiane Woopen als Festrednerin – Thema: „Wohin wollen wir leben? Über wertebasierte Zukunftsgestaltung“ – Rund 1100 Gäste aus Politik, Kirche, Caritas und Gesellschaft

Würzburg (POW) Was ist uns wichtig und was sollte uns wichtig sein, wenn wir an die zukünftigen Generationen denken? Für die Ethikerin Professorin Dr. Christiane Woopen, Direktorin des Center for Life Ethics in Bonn, sind dafür vor allem die inneren Haltungen entscheidend. Beim Diözesanempfang am Montagabend, 16. Januar, in der Universität am Würzburger Hubland warnte sie in ihrem mehrfach von Applaus unterbrochenen Festvortrag zum Thema „Wohin wollen wir leben? Über wertebasierte Zukunftsgestaltung“ vor der Diskrepanz zwischen „den Werten, die wir vor uns hertragen“ und der Realität in Deutschland, etwa beim Thema Pflege: „Wäre uns die Pflege wichtig, würden wir diesen Beruf anders gestalten.“ „Es ist der richtige Input zu Beginn eines neuen Jahres“, sagte Bischof Dr. Franz Jung. Die ethische Frage sei, vereinfacht zusammengefasst, die Frage nach dem „guten Leben“: „Als Christen glauben wir, dass wir dieses gute Leben nicht in Äußerlichkeiten finden, sondern dort, wo ,Gottes Reich und seine Gerechtigkeit‘ anbrechen. Doch wo sollen wir die Suche beginnen?“ Rund 1100 Gäste waren beim Empfang dabei. Nahezu 140 Menschen verfolgten die Veranstaltung live auf dem YouTube-Kanal des Bistums Würzburg, zudem wurde sie auf dem Kabelkanal von TV Mainfranken übertragen.

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„Was ist uns eigentlich wichtig?“, wandte sich Woopen an das Publikum. Schnell wurde klar, dass es ein „uns“ eigentlich gar nicht gibt. Jeder Mensch habe andere Prioritäten im Blick auf Wohlstand, Familienleben, Freizeitgestaltung oder die Wichtigkeit von Religion. Zudem gebe es eine Diskrepanz zwischen dem, was man als Wert für richtig empfindet, und dem tatsächlichen Handeln. „Wir werden dem, was wir als Wert vor uns hertragen, nicht ausreichend gerecht“, erklärte Woopen. „Wäre uns die Pflege wichtig, würden wir diesen Beruf anders gestalten. Wir würden ihn anders wertschätzen, wir würden ihn anders bezahlen, wir würden Arbeitsbedingungen anders gestalten. Lehrerinnen und Lehrer, das sind diejenigen, die unsere Kinder auf ihr Leben mit vorbereiten. Aber wir tun so, als seien sie unwichtig. Wäre uns die Mobilitätswende wirklich wichtig, hätten wir eine ganz andere Deutsche Bahn.“ Die Wirtschaft produziere Wohlstand, aber sie zerstöre auch Leben und natürliche Lebensgrundlagen, fuhr Woopen fort. Laut einer Oxfam-Studie befänden sich zwei Drittel aller seit 2020 geschaffenen Vermögen bei einem Prozent der Weltbevölkerung. Mit einer Steuer von bis zu fünf Prozent auf die Multimillionäre der Welt könne man zwei Milliarden Menschen aus der Armut holen. „Wir wissen, dass es nicht so einfach ist, aber es ist trotzdem wichtig für die Diskussion.“

Bei der Frage, was zukünftigen Generationen wichtig ist, würden in Jugendstudien und -umfragen an „alleroberster Stelle“ der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen genannt sowie Umwelt- und Klimaschutz. Doch in der Realität hätten Wirtschaft und Wohlstand Vorrang vor dem Klima. Es sei fraglich, ob das Ziel erreicht werde, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu beschränken. Der „Erdüberlastungstag“, an dem die natürlichen Ressourcen für das laufende Jahr verbraucht sind, liege weltweit im Juli und in Deutschland im Mai. „Wir nehmen zukünftigen Generationen die Entfaltungsräume“, warnte die Ethikerin. Es drohten Naturkatastrophen, die Einschränkung bewohnbarer Räume und Wohlstandsverluste. „Wir singen das Hohelied der Freiheit und nehmen sie für uns in Anspruch, verweigern sie aber der nächsten Generation und sägen damit den Ast ab, auf dem unsere Kinder und Enkel sitzen.“ Nach ihren Worten gebe es eine „ethisch begründete Pflicht“, auf vieles zu verzichten, um zukünftigen Generationen nichts wegzunehmen. Die Ethikerin forderte unter anderem „legislaturübergreifende Strategien“ für die anstehenden großen Transformationsprozesse in Wirtschaft, Mobilität, Ernährung oder Bildung.

Für eine wertebasierte Zukunftsgestaltung braucht es laut Woopen lediglich einen kleinen Referenzrahmen: „Für mich sind das die Würde und Freiheit des Menschen, das Leben im Sinne menschlichen und nichtmenschlichen Lebens, die Gerechtigkeit und Solidarität. Wenn wir uns darauf nicht einigen können, dann fällt eine Gesellschaft auseinander.“ Sie plädierte für mehr Offenheit und Toleranz gegenüber unterschiedlichen Lebensentwürfen. Die grundlegenden Werte seien „Dachbegriffe“ und könnten unterschiedlich ausgelegt werden, erklärte sie. „Mein Zimmernachbar kann gerne anders leben als ich selbst. Man kann von Unterschieden lernen und sich bereichern lassen.“ Sie schloss mit einer Abwandlung des Bistumsmottos: „Suche das Wertefundament von Würde, Freiheit, Leben, Gerechtigkeit und Solidarität, dann wird sich der Rest ergeben.“

Das noch junge Jahr sei bereits reich an niederschmetternden Bildern und Nachrichten, sagte Bischof Jung und nannte als Beispiel den Sturm auf den Kongress in Brasilien. „Wir scheinen auf den ganz großen Knall hinzusteuern. Wollen wir das?“ Im Bistum Würzburg werde man sich in diesem Jahr intensiv mit der Frage auseinandersetzen, „wie wir uns für die Zukunft aufstellen können und sollen“. Mit Blick auf das Jahresmotto „Sucht zuerst Gottes Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben“ erklärte der Bischof: „Nicht von Ressourcenfragen und organisatorischen Faktoren soll unsere Arbeit geleitet sein, sondern von der Suche nach Orten, Momenten und Gelegenheiten, in denen wir den Anbruch des Reiches Gottes spüren können. Dort, wo wir der Gerechtigkeit Gottes zum Durchbruch verhelfen können, sind wir, so glauben wir, auf dem richtigen Weg.“

Zu Beginn des Abends hieß Bischof Jung die Vertreter der Kommunal-, der Landes-, der Bundes- und Europapolitik sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirche auf Pfarrei-, Dekanats- und Diözesanebene willkommen. Besonders begrüßte er Staatssekretär Sandro Kirchner, Regierungspräsident Dr. Eugen Ehmann, Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel und Oberbürgermeister Christian Schuchardt sowie Bischof John Ndimbo aus dem tansanischen Partnerbistum Mbinga. Zu den Gästen zählten Bundestags- und Landtagsabgeordnete, Landräte, Bezirks- und Kreisräte, Bürgermeister, Dekane, Pfarrer, pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ordensleute, Mitglieder des Diözesanrats und der Dekanatsräte, der Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungen, Vertreter der Caritas sowie Professoren der Universität Würzburg mit Kanzler Dr. Uwe Klug. Weiter kamen Vertreter der Justiz, der Polizei, der Behörden und Ämter, der Fachhochschulen, der Wohlfahrtsverbände, der unterfränkischen Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammer, der Medien sowie der evangelischen Kirche.

Organisiert wurde der Diözesanempfang von der Domschule Würzburg und dem Caritasverband für die Diözese Würzburg. Viel Applaus erhielt auch das „Audax Saxophonquartett“ für die musikalische Gestaltung mit Werken von Edvard Grieg, György Ligeti und Thierry Escaich.

sti (POW)

(0323/0083; E-Mail voraus)

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