Geburtstage sind Gnadentage. Geburtstage laden dazu ein, Rückschau auf sein Leben zu halten. Tut man das, dann stößt man immer wieder auf sein Versagen. Das wiederum kann Reue erwecken, etwas vom Wichtigsten in unserem Leben. Echte Reue stößt das Tor zu einem neuen Leben auf. Schauen wir auf unseren Lebenslauf zurück, dann kommen viele in unseren Blick, die uns im Sterben vorangegangen sind: Eltern, Geschwister, Verwandte, Mitbrüder, Freunde. Je älter man wird, um so größer ist ihre Schar. Sie alle können uns bewusst machen, dass wir ihnen über kurz oder lang folgen werden. Wir wissen weder den Tag noch die Stunde. Es ist eine Gnade, diese unsere Situation realistisch zu erkennen und entsprechend zu handeln. Ja, Geburtstage sind Gnadentage. Sie lassen uns staunen über die Fülle der Gaben, die wir im Laufe unseres Lebens empfangen haben. Man beginnt zu ahnen, wie oft Gott einen immer wieder beschenkt hat. Man erinnert sich an Stunden, in denen man seine Gnade besonders intensiv erleben konnte. All das bewegt uns zum Danken und damit zu einer der wichtigsten und folgenreichsten Aktionen unseres Lebens.
Wir sind zum Danken da. Unser Dasein soll immer mehr ein Dank-sein werden. Der dankbare Samariter kann uns dabei helfen. Wie neun andere Männer hatte er unter der Geißel des Aussatzes zu leiden. Wie sie war er dadurch von den Mitmenschen getrennt. Wie sie musste er fern von allen leben. Als sie Jesus sehen dürfen sie ihm nicht näher kommen. Sie bleiben in der Ferne stehen, aber Jesus ist ihnen nahe. Sie rufen laut: „Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!" (Lk 17,13). Ihr Ruf wird erhört. Jesus sagt ihnen: „Geht und zeigt euch den Priestern!" (Lk 17,14). Sie gehen, und unterwegs werden sie geheilt.
Was hier geschieht kennzeichnet das Wirken unseres Herrn. Ohne unmittelbaren sichtbaren Kontakt heilt Jesus die zehn Aussätzigen. Er schickt sie gemäß der geltenden Ordnung hin zu den Priestern. Zu deren Aufgaben gehörte es, eine Heilung vom Aussatz offiziell festzustellen. Die Heilung der zehn geschieht nicht sozusagen „auf Kommando" in einem Augenblick; sie vollzieht sich auf dem Weg, der optisch gesehen von Jesus wegführt. Diese stille, verborgene Weise des Helfens hat zur Folge, dass neun der Geheilten nicht daran denken, ihrem Retter zu danken. Das lässt Jesus fragen: „Wo sind die übrigen neun? Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren?" (Lk 17,18).
Immer wieder ist diese Frage fällig, denn immer wieder verkennen wir die Hilfe, die der Herr uns schenkt. Alles, was wir sind und haben ist ja seine Gabe. Jede Gabe ist wiederum Zeichen seiner Hingabe, seiner grenzenlosen Liebe. Er will nicht nur dies oder jenes Geschenk geben, sondern sich selbst. Darum geht es in jeder Phase unseres Lebens. Deshalb gebührt Gott immer und überall unser Dank. Vinzenz von Paul bezeichnet daher die Undankbarkeit als „das Verbrechen der Verbrechen" . Undankbarkeit ist Unglaube. Das zeigen die abschließenden Worte Jesu: „Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen" (Lk 17,19). Jesus sagt dem dankbaren Samariter nicht: „Du hast eine gute Kinderstube. Du bist höflich, du weißt, was sich gehört." Jesus erklärt: „Dein Glaube hat dir geholfen!" Dein Glaube hat dich erkennen lassen, wer dein Retter ist; dein Glaube hat dich bewegt, zu mir zu kommen. Vom dankbaren Samariter heißt es: Er kehrte um, „er warf sich vor Jesus nieder und dankte ihm" (Lk 17,15). Als Glaubender geht er auf ihn zu; gläubig wirft er sich vor ihm nieder. Er tut, was die neun Landsleute Jesu nicht fertig bringen. Diese veranlassen ihn zu der Frage: „Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?" (Lk 17,18). Das Umkehren zu Jesus ist Umkehr zu Gott. Eben diese ist ein Wesenselement des Glaubens. Umkehr und Glaube sind wie zwei Seiten einer Münze. Dem Wort des Propheten „Glaubt ihr nicht, dann bleibt ihr nicht", (Jes 7,9) können wir deshalb hinzufügen: „Dankt ihr nicht, dann bleibt ihr nicht". Das muss uns in einer Zeit bewegen, in der viele nicht zu danken wissen.
Weihbischof Helmut und ich können mit Jesus Sirach sagen: „Der Gott des Alls, der große Dinge tut", er hat die Tage unseres Lebens vermehrt und an uns nach seinem Erbarmen gehandelt (Sir 50,22). Deshalb wollen wir ihm aus ganzem Herzen danken; deshalb bitten wir euch und alle, die mit uns verbunden sind: „Dankt mit uns, lasst uns immer mehr eine dankende Gemeinschaft werden."
In dem Maße, wie das wahr wird, werden wir auch eine frohgemute Gemeinschaft sein, was immer passieren mag. Den Dankbaren erfüllt Gott die Bitte des Ben Sira: „Er gebe uns ein frohes Herz" (Sir 50,23). Zuversichtlich können wir singen: „Er gebe uns ein frohes Herz, erfrische Geist und Sinn und werf all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz in Meerestiefen hin" (GL 267,3). Uns allen gilt der apostolische Appell: „Singt in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie Gott sie eingibt, denn ihr seid in Gottes Gnade" (Kol 3,16).
Dass Dank und Freude eng zusammenhängen hat der evangelische Theologe Helmut Gollwitzer auf seine Weise bezeugt. In seinem Bericht über die russische Gefangenschaft „... und führen, wohin du nicht willst" setzt er „ein kleines Denkmal" für Andreas Doll. Er schreibt: „>Freude aus Dank<, – das müsste auf seinem Grabstein stehen, wenn wir einen setzen könnten auf jenes ferne Grab neben dem Waldlager, das wir damals mit einem Birkenkreuz schmückten. Er war ein katholischer Holzarbeiter aus dem nördlichen Schwarzwald ... Es war seinen Augen anzusehen, dass er aufwachend den Tag mit dem Kreuzeszeichen begann und mit den Worten: >Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Heilige Dreifaltigkeit, dir sei dieser Tag geweiht!<" Helmut Gollwitzer berichtet weiter: Mittags, „wenn ich den Waldbrigaden, bei denen er seiner Berufserfahrung wegen geschätzt war, das Essen hinausbrachte und mir nach der Austeilung die enttäuschten Flüche über den Saufraß um die Ohren klangen, begleitete er mich noch ein Stück und sagte in der überzeugenden Schlichtheit, die ihm eigen war: >Jetzt wollen wir dem lieben Gott doch danken, dass er uns noch eine so gute Suppe beschert hat.<" Freude aus Dank in allen Lebenslagen: das hat das Leben und Sterben dieses Waldarbeiters so geprägt, dass es anderen geholfen hat. Bitten wir den Herrn um die Gnade, in Dankbarkeit und Freude leben zu können. Weihbischof Helmut und ich sagen euch an unserem Doppelfest: „Seid dankbar! Freut euch!" „Denn ihr seid in Gottes Gnade" (Kol 3,16). Amen.