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„Wir wollen das Lächeln wiedersehen“

Unterfränkische Delegation besucht brasilianische Millionenstadt São Paulo – Menschenrechtszentrum „Gaspar Garcia“, „Gemeinderestaurant für obdachlose Erwachsene“ und Recyclingprojekt „Reviravolta“ helfen Obdachlosen

São Paulo/Würzburg (POW) Die brasilianische Millionenstadt São Paulo ist mit rund zwölf Millionen Einwohnern im Stadtgebiet und über 20 Millionen im Großraum eine der größten Metropolen der Welt. Mehr als zwei Millionen Bewohner leben auf der Straße, in besetzten Häusern oder in riesigen Armenvierteln, den sogenannten „Favelas“. Die diesjährige Misereor-Fastenaktion unter dem Motto „Das Recht ströme wie Wasser“ legt einen Schwerpunkt auf die unmenschlichen Lebensverhältnisse. Eine Delegation aus Würzburg hat sich auf Einladung des Hilfswerks Misereor in Zusammenarbeit mit dem Bistum Würzburg im Vorfeld aufgemacht, die Brennpunkte São Paulos zu besuchen – und die Menschen, die sich dort mit Leidenschaft für andere einsetzen. Sie besuchte unter anderem das Menschenrechtszentrum „Gaspar Garcia“ (CGG), das „Gemeinderestaurant für obdachlose Erwachsene“ und das Recyclingprojekt „Reviravolta“.

Ein Beispiel für die erfolgreiche Arbeit des CGG ist der besetzte Hochhauskomplex der Rua Mauá. 237 Familien haben in acht Jahren erreicht, dass das ehemalige Verlagsgebäude und Hotel nun von der Stadt übernommen wurde. Die Bewohner, wie Joseline Nunes Aruda mit Mann und zwei Söhnen, zahlen bereitwillig monatlich einen Beitrag von etwa 50 Euro an die Gemeinschaft, damit notwendige Arbeiten am Haus gestemmt werden können. Sogar ein hauseigener kleiner Supermarkt wurde eingerichtet. „Wenn die Gemeinschaft funktioniert, sind auch die Hausprojekte erfolgreich“, bestätigt Luiz Kohara, zweiter Leiter des CGG.

Das Dach über dem Kopf hat in São Paulo viele Gesichter. Neben den Menschen, die in Favelas und besetzten Hochhäusern ein Heim gefunden haben, sind bei den stundenlangen Fahrten durch die Stadt diejenigen zu sehen, die auf Grünstreifen zwischen sechs Spuren Schnellstraße ihre Wäsche aufhängen, deren Küchenfeuer einen Brückenpfeiler schwärzen, die Tag und Nacht in einem Verschlag aus Pappkarton und Planen mitten auf dem Gehsteig verbringen. Doch auch für sie gibt es hoffnungsvolle Anlaufpunkte. Über 500 Mahlzeiten werden im „Gemeinderestaurant für obdachlose Erwachsene“ täglich ausgegeben – Frühstück, Mittag- und Abendessen. Gegessen wird in zwei Schichten. Während im unteren Teil des ehemaligen Lagerhauses mehr als 100 Obdachlose ihren Löffel mit Reis und Bohnen beladen, warten im ersten Stock ebenso viele auf ihren Platz zum Mittagessen. Gabeln, Messer oder zerbrechliche Teller gibt es nicht, zur Sicherheit. Drogen, Alkohol und die Nähe der vielen anderen am Tisch machen reizbar.

Beim vollen Magen bleibt es nicht. Im „Restaurant“ werden auch Workshops angeboten – zu Tanz, Musik, Sport und Menschenrechten. „Wir wollen das Lächeln wiedersehen, sonst haben wir etwas falsch gemacht“, erklärt Ruth Batista, Leiterin der Einrichtung und seit elf Jahren dabei. Außerdem biete man regelmäßig Gesundheits-Checks an. „Ein Teil unseres Personals ist selbst obdachlos gewesen und konnte sich durch das Gehalt ein besseres Leben aufbauen“, erklärt sie. Die meisten Gäste seien ohne feste Bleibe. Rund 16.000 Obdachlose gebe es aktuell in São Paulo – Tendenz steigend, besonders unter den Älteren.

Eine ebenfalls zunehmende Gruppe auf den Straßen seien Homo- und Transsexuelle. „Sie werden von ihren Familien verstoßen und von der Gesellschaft diskriminiert.“ Eine von ihnen ist Joyce. Sie kommt manchmal mit Freundinnen. Allein traut sie sich nicht. Joyce gibt sich schüchtern, hält die Augen gesenkt: „Es ist mir peinlich, hier zu sein.“ Seit zwei Jahren lebt die Transsexuelle auf der Straße. Sie sei nach São Paulo gekommen, um einen Job als Kindermädchen zu finden. Über die Grundschule hinaus hat die 22‑Jährige keine weiterführende Schulausbildung abgeschlossen. Sie wohne mit ihrem Freund zusammen und wolle auf keinen Fall weg aus der Stadt. „Ich warte, bis eine Arbeitsstelle auf mich zukommt, aktiv suche ich nicht. Für Transsexuelle ist es sehr schwer auf dem Arbeitsmarkt“, beschreibt Joyce ihre Aussichten.

Ebenfalls transsexuell und obdachlos ist Andrea. Sie ist 28, mit 14 kamen die Drogen und das Eingeständnis, im falschen Körper zu stecken. Beides brachte sie auf die Straße. Sie hat eine Ausbildung als Friseurin und war fünf Jahre im Beruf tätig. Dann kam die Depression. „Meine Familie hat mich verstoßen und die alltäglichen Diskriminierungen wurden mir zu viel.“ Andrea arbeitet beim Recyclingprojekt „Reviravolta“. Die Einrichtung in Partnerschaft mit dem CGG ist weit mehr als ein Umschlagplatz für Müll. Bis zu 30 Frauen, Männer und Transsexuelle können für je sechs Monate an dem Programm teilnehmen. Sie erfahren dort einen geregelten Tagesablauf. „Unser Team ist eine große Familie. Ich bin froh, dass es hier keine Vorurteile gibt“, erklärt Andrea. Bei „Reviravolta“ habe sie gelernt, sich wieder darauf zu konzentrieren, einen Job zu finden und etwas wert zu sein.

Johannes Schenkel (Internetredaktion)

(0416/0101; E-Mail voraus)

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