Estenfeld (POW) Sechs Pfarreiengemeinschaften und zwei große Einzelpfarreien mit insgesamt über 41.000 Katholiken bilden künftig das Dekanat Würzburg-rechts des Mains. In folgendem Interview spricht Dekan Joachim Bayer (Estenfeld) über den Stand der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften im Dekanat Würzburg-rechts des Mains, über Familienseelsorge, über das Kloster Fährbrück und über die Gestaltung der Seelsorge in den kommenden Jahren.
POW: Wie würden Sie den aktuellen Stand des Prozesses der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften im Dekanat umschreiben?
Dekan Joachim Bayer: Bis auf zwei Pfarreiengemeinschaften – Randersacker/Theilheim/Eibelstadt und Bergtheim/Dipbach/Burggrumbach/Unterpleichfeld/Oberpleichfeld/Prosselsheim/Eisenheim/Püssensheim – sind alle errichtet. Das wirkliche Zusammenwachsen und -arbeiten der Gemeinden benötigt aber noch viel Zeit. Dort, wo eine Zusammenarbeit schon einige Jahre besteht, sind auch Erfolge sichtbar.
POW: Wo liegen die besonderen Probleme, wo die besonderen Chancen in Ihrem Dekanat?
Bayer: Erschwerend ist, dass das Dekanat sowohl aus Gemeinden mit städtischem Milieu – in der unmittelbaren Umgebung zu Würzburg – besteht, wie auch aus Gemeinden mit eher ländlichem Milieu. Auch die Größenunterschiede der Gemeinden und die Entfernungen einzelner Gemeinden in großen Pfarreiengemeinschaften erschweren eine Zusammenarbeit. Die Gemeinden mit städtischem Milieu werden meist noch von Gemeindemitgliedern getragen, die ein traditionelles pastorales Angebot wünschen, während die Mehrheit der Katholiken neue Formen der Pastoral wünscht. Als äußerst positiv erfahre ich die gute Atmosphäre bei den Dekanatskonferenzen und die Bereitschaft, miteinander zu reden. Hier ist Platz für Austausch von Problemen und Erfolgen in der Seelsorge. Es wird Neues vorgestellt und diskutiert. Auch unterschiedliche Meinungen dürfen hier aufeinanderprallen. Fast alle Seelsorgerinnen und Seelsorger sind zum Gespräch bereit. Enttäuschend ist es allerdings, wenn ein Seelsorger, mit Seelsorgeauftrag für eine Gemeinde, nie an den Treffen teilnimmt. Zum Problem werden auch Stellen, die nicht mit einem Seelsorger oder einer Seelsorgerin besetzt werden können. Die Arbeit sollen dann die verbleibenden Hauptamtlichen übernehmen oder ehrenamtliche Mitarbeiter gesucht werden. Das ist kaum möglich, da die Belastungsgrenzen oftmals schon erreicht sind.
POW: Wie beeinflusst die Nähe zur Bischofsstadt Würzburg das kirchliche Leben der Umlandgemeinden?
Bayer: Je näher die Gemeinden an Würzburg liegen, desto stärker werden die Angebote in Würzburg genutzt. Vieles, was in anderen Dekanaten oder Pfarreien angeboten wird, läuft über die Bildungshäuser in Würzburg. Speziell ist ja auch das Matthias-Ehrenfried-Haus für die Würzburger Dekanate eine Anlaufstelle. Allerdings werden die Angebote der kirchlichen Jugendarbeit in Würzburg nicht sehr genutzt, da Würzburg Schul- und Arbeitsort ist und nicht noch als Freizeitort gefragt ist. Das große Gottesdienstangebot in Würzburg zieht teilweise auch Gottesdienstbesucher aus den Landgemeinden ab, besonders wenn nach dem Gottesdienst noch eine kulturelle Veranstaltung besucht wird oder man sich mit Freunden trifft. Allerdings steht auch leichter eine Gottesdienstaushilfe zur Verfügung.
POW: In den Vororten Würzburgs wohnen viele junge Familien mit Kindern. Wie sollte Kirche auf diese zugehen und was ist Ihrer Meinung nach nötig, um junge Familien zu erreichen?
Bayer: Um junge Familien zu erreichen, muss auch deren Bereitschaft da sein, sich erreichen zu lassen. Natürlich darf eine Gemeinde nicht warten, ob junge Familien auf sie zukommen, sondern die Gemeinde muss sich um Angebote bemühen, beispielsweise um Kinder- und Familiengottesdienste, Angebote für Eltern im Blick auf Erziehung und religiöse Begleitung der Kinder, Bibeltage, Familienwochenenden, Freizeitgestaltung und vieles mehr. Kontakte knüpfen kann zum Beispiel ein Besuchsdienst für neu Zugezogene, ein Angebot für Kinderbetreuung, Krabbelgruppen oder die Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft. Meist kommen Kontakte nur durch das persönliche Ansprechen zustande, durch Ehrenamtliche und in der Gemeinde engagierte Familien. Es ist aber utopisch zu meinen, es lassen sich viele Familien erreichen. Oftmals ist ein Interesse an Kirche nur mit den Sakramenten Taufe, Erstkommunion und Firmung verbunden. Es gibt aber immerhin die Chance, Kirche vor Ort positiv zu zeigen und sich von dem negativen Auftreten mancher Leitungspersonen abzuheben. Auch das weckt wieder Interesse an der Kirche. Unterstützung für die einzelnen Gemeinden gibt es durch unsere Familienseelsorgerin oder unsere Jugendseelsorgerin.
POW: Im Dekanat liegt das Kloster Fährbrück. Welche Bedeutung haben das Kloster und die Augustiner für die Seelsorge und wie sieht die Zukunft der Einrichtung aus?
Bayer: Die Augustinerpatres sind in ihren Gemeinden und diese in ihnen stark verwurzelt. Ein Abzug der Patres würde einen hohen Verlust bedeuten; persönlich, wie auch personell. Fährbrück ist zwar nicht mit dem Käppele zu vergleichen, aber die Wallfahrten aus der Umgebung, der Besuch der Maiandachten, Hochzeiten und Jubelhochzeiten sind ein fester Bestandteil der Seelsorge, auch für das Dekanat. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Patres in näherer Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen und die Pfarreiengemeinschaft von einem Diözesanpriester und einem Gemeindereferenten betreut wird. Ob für die Wallfahrt ein Mitarbeitender Priester zur Verfügung steht, muss die Diözese entscheiden. Der Gemeindepfarrer der Pfarreiengemeinschaft kann dies jedenfalls nicht noch mit übernehmen. Das Kloster wurde von der Diözese gekauft. Es gab bei manchem Überlegungen, es zu einem geistlichen Zentrum auszubauen. Es sollte aber erst gefragt werden, ob wir in der unmittelbaren Umgebung zu Würzburg mit seinen Bildungshäusern noch ein geistliches Haus benötigen. Bitte erst ein genaues Konzept erstellen, bevor es an Umbauten und Entscheidungen geht.
POW: Sie sind ein Sprecher der Pfarrer-Initiative. Wie steht Ihre Initiative den neuen Strukturen der Pfarreiengemeinschaften gegenüber?
Bayer: Möchten Sie Seelsorger in acht oder mehr Gemeinden sein mit all der Unzufriedenheit aus der Bevölkerung, den – oftmals überzogenen – Ansprüchen, den immer spärlicher werdenden persönlichen Kontakten? Ich kann gerne darauf verzichten. Es geht uns nicht um die Arbeit, viel arbeiten muss man auch in anderen Berufen, es geht um das Bild des Priesters und um das Bild der Gemeinde. Wir wollen keine Manager sein, keine Verwaltungsfachleute, auch wenn man uns dazu schulen möchte. Wir wollen Seelsorge in überschaubaren Gemeinden betreiben, zusammen mit anderen Haupt- und Ehrenamtlichen. Die Botschaft der Liebe Gottes an andere weiterzugeben, in Gesprächen, Katechesen, einer gut vorbereiteten Liturgie, den Sakramenten, das ist unser Anliegen. Wir wollen Ansprechpartner sein und mit der Gemeinde leben. Immer größere Seelsorgeeinheiten lassen den Überblick verlieren, erschweren persönliche Kontakte, entfremden Seelsorger und Gemeindemitglieder. Sie erhöhen das Frustpotential bei Seelsorgern und Gemeinde. Sie zerstören eine positive Wahrnehmung des Priesters sowie der Pastoral- und Gemeindeassistenten und -assistentinnen und stehen dem Interesse entgegen, den Ruf Gottes zu solchen Berufen zu folgen. Wir wissen alle, dass die jetzigen Seelsorgeeinheiten noch nicht der Endstand der Planungen sind. Es werden noch größere entstehen. Der Blick auf andere deutsche Diözesen zeigt das und auch manche Verantwortlichen in unserer Diözese geben das schon zu. Zudem sprechen die sinkenden Priesterzahlen für sich. Wir sehen in den Pfarreiengemeinschaften eine Notlösung und keine wirkliche Problemlösung. Eine Notlösung kann aber kein Dauerzustand sein. Daher muss weiter an dem Problem „Seelsorge und Gemeinde der Zukunft“ gearbeitet werden.
POW: Was ist nach Ansicht Ihrer Initiative wichtig bei der Gestaltung der Seelsorge in den kommenden Jahren?
Bayer: Offenheit gegenüber den Anliegen und Sorgen der Menschen; persönliche Kontakte halten und Gespräche führen, denn ohne Beziehung läuft nichts; den Fernstehenden nicht ablehnend begegnen. Bei unseren Gemeindemitgliedern Interesse wecken, mitzuarbeiten an der Seelsorge und Verantwortung für die Seelsorge und den Glauben zu übernehmen. Das heißt auch: Sich von der Volkskirche und ihren Strukturen verabschieden, Altes sterben lassen, völlig neue Wege in der Seelsorge gehen. Und damit ist nicht nur eine Strukturreform gemeint. Dazu braucht es allerdings Mut, geeignetes Personal und das Mitarbeiten möglichst vieler Getaufter.
POW: Was möchten Sie am ersten Fastensonntag 2010 mit Blick auf das Dekanat Würzburg-rechts des Mains sagen können?
Bayer: Es gibt wichtigere Termine als diesen. Mir kommt es nicht darauf an, Planungen einzuhalten, sondern Inhalte umzusetzen, die Pfarrgemeinden oder Pfarreiengemeinschaften mit Leben zu füllen. Das Zusammenleben und -arbeiten von Gemeinden braucht Zeit und lässt sich nicht per Dekret verordnen, ansonsten bleiben leere Phrasen von „Gemeinschaft“. Das Zusammenarbeiten zwischen den Gemeinden unseres Dekanats sollte nicht nur von der Zugehörigkeit zu einer Pfarreiengemeinschaft abhängig sein. Wir brauchen uns alle. Austausch und Information über neue Versuche, Erfolge und Misserfolge in der konkreten Seelsorge vor Ort, über Veranstaltungen in den Gemeinden und Einladungen dazu auch an andere Gemeinden können eine wirkliche Zusammenarbeit der Gemeinden – im Blick auf die Zukunft – fördern. Helfende Gremien dazu sind der Dekanatsrat und die Dekanatskonferenz (Dies).
(0410/0104; E-Mail voraus)
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