Würzburg (POW) Zur „Instruktion der Kongregation für den Klerus: Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“ gibt Bischof Dr. Franz Jung folgende Stellungnahme:
„Die Instruktion der Kongregation für den Klerus ,Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche‘ wurde in dieser Woche unvermittelt veröffentlicht. Es ist nicht erkennbar, dass dem Dokument ein eingehender Konsultationsprozess vorangegangen wäre wie dies beispielsweise geradezu vorbildlich geschah bei dem kürzlich veröffentlichten ,Vademecum‘ der Glaubenskongregation (16. Juli 2020) zum Umgang mit den Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs.
In ihrem ersten Teil beschreibt die Instruktion zutreffend die rasanten Veränderungen, mit denen die heutige Pastoral sich weltweit konfrontiert sieht und auf die es eine angemessene Antwort zu formulieren gilt. Überdies referiert die Instruktion die aufmunternden und geradezu provozierenden Äußerungen von Papst Franziskus, der von einer Kirche träumt, ,die fähig ist, alles zu verwandeln, damit die Gewohnheiten, die Stile, die Zeitpläne, der Sprachgebrauch und jede kirchliche Struktur ein Kanal werden, der mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung dient‘ (Nr. 5).
Wie im Nachgang zur Amazonas-Synode misstraut man einer reinen Versorgungspastoral durch Amtsträger. Eine ,Klerikalisierung der Pastoral‘ sei zu überwinden, heißt es. Dementsprechend seien auch ,Vorgehensweisen und Modelle zu fördern, durch die alle Getauften kraft der Gabe des Heiligen Geistes und der empfangenen Charismen sich aktiv, dem Stil und der Weise einer organischen Gemeinschaft entsprechend, in die Evangelisierung mit den anderen Pfarrgemeinden unter Berücksichtigung der Pastoral der Diözese einbringen. Da die Kirche nicht nur Hierarchie, sondern Volk Gottes ist, ist die gesamte Gemeinschaft für ihre Sendung verantwortlich‘ (Nr. 38).
Nach dieser Einleitung sieht man gespannt den nachfolgenden Hinweisen ,zur pastoralen Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung‘ entgegen. Wer jetzt Neues erwartet hat, wird enttäuscht. Die Instruktion verbleibt in den klassischen Bahnen und lässt wenig von der ,erneuerten Dynamik‘ erahnen, die im Text selbst angemahnt wird (Nr. 11).
Denn die Instruktion ruft über weite Strecken die vertrauten kirchenrechtlichen Regelungen in Erinnerung. Insbesondere die Tatsache, dass das Leitungsamt an die Weihe gebunden ist, wird wiederholt eingeschärft. Daraus folgt unter anderem, dass das Leitungsamt auch nicht ohne weiteres durch Leitungsteams ersetzt werden kann (Nr. 66). Offenbar zielt das Bemühen der Instruktion darauf, Klarheit zu schaffen in der Unübersichtlichkeit neuer Leitungsmodelle. Die Ablehnung des Begriffs ,Leitungsteam‘ hat zu kritischen Rückmeldungen Anlass gegeben und wurde als Rückschritt bewertet. Liest man jedoch das Dokument genau, zeigt es durchaus rechtliche Spielräume auf, die bei weitem noch nicht alle ausgeschöpft sind. So wird beispielsweise neben der Beauftragung zu Wortgottesfeiern auch die Feier des Begräbnisses, die Spendung der Taufe und die Eheassistenz durch nichtgeweihte Personen als Möglichkeit gesehen (Nr. 98-100), sofern geweihte Amtsträger nicht zur Verfügung stehen.
Im Blick auf den Pfarrgemeinderat wird unterstrichen, dass es sich nur um ein Beratungsgremium handelt. Allerdings zeigt auch hier die nähere Erläuterung, dass der Pfarrer gut beraten ist, das Gremium sehr ernst zu nehmen und dessen Beratungen Folge zu leisten zum Wohle der ihm anvertrauten Pfarrei (Nr. 111-113). Die deutsche Praxis weicht hiervon in der Regel dadurch ab, dass der Pfarrgemeinderat auch eigenständig Beschlüsse fassen kann, natürlich auch unter der Berücksichtigung des Votums des Pfarrers.
Etliche Regelungen kann man nur schwer nachvollziehen. Befremdlich erscheint beispielsweise, dass auch das Erreichen des 75. Lebensjahres bei einem Priester noch immer nicht als zwingender Grund für den Eintritt in den Ruhestand betrachtet wird (Nr. 72). Ebenso schwer tut man sich mit dem Hinweis, dass weder der Kleriker- noch der Gläubigenmangel noch die finanziellen Nöte eines Bistums als hinreichende Gründe dafür erachtet werden, eine Kirche zu profanieren, sondern nur die Unbrauchbarkeit für liturgische Feiern (Nr. 51).
Insgesamt fragt man sich nach der Lektüre etwas ernüchtert, wo die missionarischen Impulse für eine Erneuerung der Pfarrei geblieben sind. Das Dokument bleibt vielfach in der Erläuterung schon bislang geltender Rechtsnormen stecken. Erwartet hätte man nach dem Titel die Eröffnung neuer Initiativen oder neuer Sichtweisen, die den Horizont weiten, Neugier wecken und Mut machen, missionarisch zu wirken. Vor allem das Anliegen, dass es nicht um eine Klerikalisierung der Pastoral gehen darf, bleibt blass. Der Leser kann im Gegensatz dazu den Eindruck gewinnen, es ginge nur darum, die Rechte des Klerus einzuschärfen, ohne jedoch die geforderte Gesamtverantwortung des Gottesvolkes im gleichen Maße stark zu machen und dafür entsprechende Richtlinien an die Hand zu geben. Dass es in den Ortskirchen unterschiedliche Bedarfe geben könnte und dass für örtliche Gegebenheiten auch spezifische Lösungen ermöglicht werden müssten, worauf Papst Franziskus im Blick auf eine Dezentralisierung des Öfteren hingewiesen hat, bleibt völlig außerhalb der Betrachtung.
Die Deutsche Bischofskonferenz wird sich im Herbst mit dem Dokument auseinandersetzen und nach möglichen Konsequenzen für die diözesanen Erneuerungsprozesse fragen. Die Kriterien der Instruktion für die Bildung Pastoraler Räume, für Leitungsmodelle und Rätestrukturen dienen dabei als Orientierung auch für den Prozess im Bistum Würzburg. Unmittelbarer Handlungsbedarf ist im Bistum Würzburg momentan nicht gegeben, weil die Fragen nach den Leitungsmodellen und der inneren Gestaltung der Pastoralen Räume erst in der nächsten Etappe unseres Prozesses diskutiert werden.“
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