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Dokumentation

„Wo so viel Dunkelheit ist, da zeigt sich in diesen Tagen auch immer wieder ein Licht“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung bei der Gedenkfeier mit ökumenischem Gottesdienst am Sonntag, 26. Januar, in der Stiftsbasilika Sankt Peter und Alexander in Aschaffenburg

Liebe Angehörige und Hinterbliebene der Opfer,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

In der Lesung aus dem Römerbrief, die wir eben gehört haben, stellt der Apostel Paulus uns nur eine einzige Frage. Sie lautet: Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Der Apostel spielt verschiedene Möglichkeiten durch, die angesichts der furchtbaren Tat im Park Schöntal erschreckend aktuell erscheinen.

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis? Ja, Bedrängnis.

Bedrängnis durch die Vorstellung, dass es auch mein Kind, mein Bruder, mein Mann, mein Freund hätte sein können. Bedrängnis durch die unendliche Trauer, die über die Hinterbliebenen gekommen ist. Bedrängnis durch das Gefühl der Ohnmacht und der Wut. Bedrängnis durch das Gefühl, jetzt endlich ein für allemal aufräumen zu müssen, um so etwas Furchtbares für immer zu verhindern. Bedrängnis zugleich durch die Ahnung, es im Letzten nicht zu können. Diese Bedrängnis kann uns scheiden von der Liebe Christi.

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Not? Ja, Not.

Die Not, dass uns die Worte fehlen, um unserem Entsetzen angemessenen Ausdruck zu verleihen. Die Not, dass wir keine Antworten haben auf die quälenden Fragen nach dem Warum. Warum gerade am Mittwoch in Aschaffenburg? Warum dieses kleine wehrlose Kind? Warum der, der doch nur helfen wollte? Warum so viele Verletzte – an Leib und Seele? Die Not, keine Antworten geben zu können, kann uns scheiden von der Liebe Christi.

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Verfolgung? Ja, Verfolgung.

Die Verfolgung durch die Bilder des Schreckens, die denen nicht mehr aus dem Kopf gehen, die sie sehen mussten. Die Erzieherinnen und Ersthelfer, die Eltern, Familien, Angehörigen und Freunde. Diese Verfolgung kann uns scheiden von der Liebe Christi.

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Hunger? Ja, Hunger.

Der Hunger nach Trost und Zuwendung. Der Hunger nach einem Wort, an dem wir uns aufrichten könnten. Dieser Hunger kann uns scheiden von der Liebe Christi.

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Kälte?

Ja, Kälte. Die Kälte im Herzen von Menschen, die nichts mehr fühlen, die unfähig sind zu Mitgefühl und Mitleid. Diese Kälte macht uns Angst und sie kann uns scheiden von der Liebe Christi.

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Gefahr oder Schwert? Ja, Gefahr und Schwert.

Die Tatsache, dass der Tod so unvermutet über Menschen kommt. Dass die Gewalt völlig sinnlos zwei Menschenleben auslöscht. Diese Gefahr und dieses Schwert, sie können uns scheiden von der Liebe Christi.

So vieles steht zwischen uns und der Liebe Christi. Und dennoch: Der Apostel Paulus bleibt bei der Vermessung des Schreckens nicht stehen. Denn in all dem, sagt er, tragen wir den Sieg davon durch den, der uns geliebt hat.

Nein, Paulus will nichts beschönigen. Er will keine heile Welt heraufbeschwören. Aber eines will er: uns daran erinnern, dass Jesus Christus selbst durch Bedrängnis und Not, Verfolgung und Hunger, Kälte, Gefahr und Schwert gegangen ist. Dass der Sohn Gottes all das erlitten hat. Und dass er es in der Kraft des Heiligen Geistes zu neuem Leben gewandelt hat. Das ist das große Geheimnis, das den Apostel im Innersten erfüllt. Nur deshalb ist er gewiss, dass uns nichts scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist. Denn Christus umfängt als Herr alles. Und wo so viel Dunkelheit ist, da zeigt sich in diesen Tagen auch immer wieder ein Licht.

Ich nenne zuerst den selbstlosen Einsatz des Mannes, der sich schützend vor die Kinder geworfen hat. Er vertraute darauf, dass sein Einsatz nicht sinnlos ist, sondern Leben rettet. Ein Licht in der Finsternis, das noch weit über sein Lebensopfer hinaus leuchtet. Wir trauern umso mehr über einen solchen Menschen und seinen grenzenlosen Mut. Der Herr vergelte ihm sein Tun.

Ich erwähne die Rettungskräfte, die Polizisten, Ärzte, Helfer, Notfallseelsorger, die alle mitgeholfen haben Leben zu retten, Sicherheit zu schenken und den Verletzten beizustehen. Danke für ihren hochherzigen Einsatz. Und ich bete um die Genesung der Verletzten dieser Tage, der Verletzten an Leib und Seele.

Ich denke an das Zusammenstehen der Bevölkerung hier in Aschaffenburg, die jetzt zeigt, dass sie beieinanderbleibt. Die zeigt, dass sie sich nicht auseinanderdividieren lässt, weil es jetzt nötiger ist denn je, gemeinsam durch diese dunklen Stunden zu gehen. Weil wir gerade jetzt darauf vertrauen müssen, gestärkt aus dieser schweren Zeit hervorzugehen.

Ich danke denjenigen, die in diesen Tagen ein Zeichen des Mitgefühls und der Solidarität gesetzt haben, um deutlich zu machen, dass wir uns nicht vom Hass überwinden lassen und jeder Form von Gewalt absagen.

So vieles kann uns scheiden von seiner Liebe. Aber weil er sich von uns nicht lossagt, deshalb dürfen wir hoffen. Es ist kein einfacher Weg, sondern ein tastender Weg. Ein Weg mit vielen Umwegen. Ein Weg, auf dem wir immer wieder zurückbleiben. Aber ein Weg. Er führt uns am Ende, so hoffen wir, vom Dunkel in Sein Licht, vom Schmerz zu Seinem Trost und vom Tod zu Seinem Leben. So glauben wir.

Beten wir heute darum, dass wir uns Christi Liebe niemals nehmen lassen. Amen.