Liebe Schwestern und Brüder.
1. „Spe salvi facti sumus“ – auf Hoffnung hin sind wir gerettet (Röm 8,24), hat unser Heiliger Vater Benedikt XVI. seine zweite Enzyklika vom 30. November 2007 an die Bischöfe, die Priester und Diakone, an die Gottgeweihten Personen und an alle Christgläubigen überschreiben. Dankbar habe ich dieses Thema der Hoffnung aufgegriffen und mit dem Motto „Zur Hoffnung berufen“ in meinem diesjährigen Fastenhirtenbrief zum Jahresthema für unser Bistum Würzburg gemacht.
Ich denke, dieser Satz kann uns gut über das ganze Jahr begleiten. Es ist gut, sich der verlässlichen Hoffnung neu bewusst zu werden, die uns in der Erlösung durch Jesus Christus geschenkt wurde – dies begehen wir feierlich in der kommenden Heiligen Woche. Es ist wichtig, zu fragen, wie sich diese Hoffnung erfahren lässt und von den Menschen heute erkannt werden kann.
Christliches Leben ist immer Leben aus der Hoffnung, denn eine verlässliche Hoffnung lässt die Gegenwart, auch die mühsame Gegenwart, wie der Heilige Vater schreibt, bewältigen (vgl. SS 1). Ausgehend von der Heiligen Schrift erschließt der Papst das christliche Zentralwort „Hoffnung“, die konkret Hoffnung auf das ewige Leben und die Vollendung des Lebens bei Gott ist. Dies ist etwas anderes als ein purer Fortschrittsglaube und Fortschrittsoptimismus, der meint, eine bessere Zukunft ganz allein und selbst gestalten zu können. Wir Christen erwarten die Erfüllung unserer Hoffnung nicht aus unserem eigenen Vermögen und aus unserer eigenen Leistung. Die Erfüllung unserer Hoffnung kommt uns vielmehr von Gott her entgegen. Deshalb dürfen wir dafür offen sein und sie annehmen. Deshalb brauchen wir auch keine Angst vor der Zukunft zu haben. Es ist beeindruckend zu lesen, wie der Heilige Vater ganz persönliche Lebenszeugnisse von heutigen Christen, die in extrem schweren Lebenssituationen Hoffnung aus dem Glauben als rettend erfahren haben, schildert. Hier wird die akademische Gedankenentfaltung geerdet und berührbar.
In diesem Zusammenhang thematisiert Papst Benedikt auch die Grundzüge der christlichen Eschatologie, der Lehre von den Letzten Dingen. Der Eschatologie hatte er bereits als Professor einen bedeutenden Band gewidmet. Es wird deutlich, dass die Erfüllung der Hoffnung von Gott her geschenkt wird. Zugleich ist diese Erfüllung der Hoffnung kein Automatismus. Die Hoffnung geht nicht am Tun und am Leiden der Menschen vorbei, sie umgeht nicht das Gericht. Die Erfüllung der Hoffnung, die Gott schenkt, nimmt das Leben eines jeden Menschen ernst.
2. Christliche Hoffnung aber ist kein abstraktes Prinzip, sie ist vielmehr eine Grundlage und eine Kraft, an der das Leben selbst ausgerichtet werden kann und werden muss. Die ausgewählten Heiligen, dabei besonders der Heilige Augustinus, der gewissermaßen der Kronzeuge des Papstes ist, sind für uns Vorbilder und Beispiele für ein Leben aus der Hoffnung. Sie machen diese Enzyklika konkret, lesens- und liebenswert und vor allen Dingen lebbar. Hoffnung ist so kein abstraktes Prinzip, sondern eine personale Größe. Sie hat ihren Grund in Jesus Christus und die Heiligen sowie die Zeitzeugen zeigen, wie diese Hoffnung gelebt werden kann. Zum Schluss lenkt er den Blick auf Maria, den Stern der Hoffnung. Sie leuchtet im Licht Christi selbst den Menschen, die unterwegs sind zur Vollendung. Sie zeigt dabei auf dem bisweilen dunklen und stürmischen Meer der Geschichte und des Lebens die Richtung an. Sie lehrt im Leben, in der Freude und im Leiden zu hoffen, zu glauben und zu lieben (vgl. SS 50).
So wird die christliche Grundhaltung der Hoffnung, die alles von Gott her ersehnt, konkret und lebbar. Es gibt für den Heiligen Vater konkrete Lern- und Übungsorte der Hoffnung. Er nennt dabei als erstes das Gebet, das eine Schule der Hoffnung ist (SS 32-24). Denn das Gebet stärkt die Verbindung zu und das Vertrauen auf Gott, der der Grund der Hoffnung ist, und von dem her der hoffende Mensch alles erwartet. Aber auch im Tun und Leiden (SS 35-40) und im Gericht (SS 41-48) sieht Papst Benedikt Lern- und Übungsorte der Hoffnung. Ich kann hier darauf nicht weiter eingehen, lege ihnen aber diese Abschnitte und die ganze Enzyklika unseres Heiligen Vaters ans Herz.
3. Ohne dem Heiligen Vater zu unterstellen, dass er etwas vergessen hätte, möchte ich heute einen weiteren Ort der Hoffnung aufzeigen. Hoffnung hat immer etwas mit Zukunft und mit Vertrauen zu tun. So ist für mich ein Ort, an dem Hoffnung ganz konkret gelebt und geübt wird, die Familie. Hier eröffnet sich Zukunft. Ohne Hoffnung und Vertrauen aufeinander und auf Gott selbst kann wirkliches Leben als Familie nicht gelingen. So hat sich auch die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, die vom 11. bis 14. Februar 2008 in Himmelspforten tagte, in einem Studientag mit dem Thema „Ehe und Familie“ befasst. Da sich das übergroße Medieninteresse an unserer diesjährigen Vollversammlung – es wurde sogar das Pontifikalamt zur Eröffnung aus unserem Kiliandom live übertragen – vor allem auf die Wahl eines neuen Vorsitzenden konzentrierte und die weiteren Themen in der Öffentlichkeit eine untergeordnete Rolle spielten, möchte ich hier etwas ausführlicher von diesem Studientag berichten.
Prof. Dr. Johannes Huinink (Bremen) führte aus einer empirisch-familien-soziologischen Perspektive ein und erbrachte so eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation von Ehe und Familie. In seiner Analyse stellte er zwar fest, dass die Ehe wegen einer fortschreitenden De-Institutionalisierung hinsichtlich ihrer heutigen Akzeptanz als institutionelle Basis deutlich an Geltung verloren habe, aber deshalb sei sie – ebenso wie die Elternschaft – keineswegs bedeutungslos. Die Motivation zur Elternschaft gründe vielfach in der Hoffnung auf einen Lebenszugewinn durch die Kinder. Demgegenüber stehe aber die wachsende Schwierigkeit, dies mit den Ansprüchen einer heutigen Lebensweise zu vereinbaren. Die Gesellschaft sei nicht genügend bereit, die wachsenden Belastungen aufzufangen.
Prof. Dr. Arno Anzenbacher (Mainz) bezog aus sozial-ethischer Sicht die aktuelle Situation auf zentrale Aspekte christlichen Ehe- und Familienverständnisses. Sein Fazit: Unter dem Subsidiaritätsprinzip sei das Familienleben zu fördern. Das umschließe auch Erwerbsarbeit und Familienfreizeit, inner- und außerfamiliärer Kindererziehung.
Prof. Dr. Dieter Schwab (Regensburg) bezog aus rechtswissenschaftlicher Perspektive Stellung. Ehe und Familie seien keine staatlichen Geschöpfe sondern dem Staat vorgegeben. Der Staat habe den besonderen Schutz für Ehe und Familie übernommen. Staatliches Familienrecht habe so auch die soziale und finanzielle Situation der Ehe und Familie zu fördern. Mit der Eherechtsreform von 1977 gelte das Zerrüttungsprinzip. Es gebe über 40% Scheidungen. De facto seien die Patchwork-Familien anerkannt und die Single-Haushalte als ‚Ich-Familien’ verbreitet. Auch das ehelose Zusammenleben sei als legale Lebensform anerkannt, wenn es auch noch keine spezifische Rechtsform habe. Er hielt ein Plädoyer für die verfasste Paarbeziehung von Mann und Frau. Die staatliche Ehe sollte nicht als Gegensatz zur kirchlichen gesehen werden vielmehr komplementär. Es seien strukturelle Maßnahmen im Blick auf Erwerbmäßigkeit und finanzieller Lage zugunsten der Kindererziehung zu ergreifen. Ehe sei nicht vom Untergang bedroht, aber die materielle Absicherung unter Beachtung der Gleichberechtigung der Geschlechter vorzunehmen.
Am Nachmittag wurde in einem Gesprächsforum mit Vertretern der kirchlichen Ehe- und Familienarbeit Initiativen, Projekte und Institutionen vorgestellt. Das Fazit aus den Erkenntnissen der Familienpastoral, der Caritas, der Ehe-, Familien- und Lebensberatung sowie der Familienpolitik kann vielleicht so zusammengefasst werden: Die Monogamie und gleichberechtigter Ehewille auf Lebenszeit wurzeln im christlichen Verständnis. Die rechtlich geregelte Ehe ist besonders zu schützen, wenngleich Ehe im Schnittpunkt zwischen Privatem und gesellschaftlicher Öffentlichkeit steht.
Da die momentane Scheidungsrate sehr hoch ist, die kinderlosen Ehen zunehmen – und diese Entwicklung auch noch als Fortschritt gewertet wird – ist besondere Aufmerksamkeit für Ehe und Familie nötig. Die neue Armut sei ein mahnender Indikator an Gesellschaft und Politik, sich stärker zu engagieren. Auch die Kirchen seien hier in der Pflicht. Das Besondere der christlichen Ehesicht sei das ‚Ja’ Gottes in die Ehe hinein.
Die Kommission Ehe und Familie wird diese Thesen vor dem Hintergrund des Studientages weiter bearbeiten und die Ergebnisse zu einem späteren Zeitpunkt vorlegen.
4. Wenn es um Hoffnung geht, dann kann es nicht nur darum gehen, zu schauen was diese Hoffnung ausmacht und wie sie zu einer wirklich christlichen und begründeten Hoffnung wird, wo sie geübt, gelernt und gelebt wird. Hoffnung, die trägt kann man nicht für sich behalten, man wird Zeuge der Hoffnung, die einen erfüllt. So gilt auch uns heute die Mahnung aus dem ersten Petrusbrief: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1Petr 3,15). Aus der Hoffnung heraus erwächst die Verantwortung für das Zeugnis von dieser Hoffnung bei uns und in der ganzen Welt. So bin ich froh und dankbar, dass sich der Diözesanrat in dieser Vollversammlung das Schwerpunktthema „Die weltkirchliche Verantwortung der Diözese Würzburg heute und morgen“ gestellt. Diese Verantwortung erwächst aus der Hoffnung, die uns geschenkt ist. Von den Früchten, die diese Verantwortung trägt, konnte ich mich im letzten Jahr in unserem Partnerbistum Mbinga überzeugen. Ich hatte bei der letzten Vollversammlung entsprechend Bericht erstattet.
5. Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und Ihre Bereitschaft zum konstruktiven Mitdenken und Mitarbeiten. Gerade dieses unglaubliche ehrenamtliche Engagement, das ich immer wieder und besonders auch bei den Visitationen in den Gemeinden und Pfarreiengemeinschaften erleben darf, ist für mich ganz persönlich die begründete Hoffnung, dass wir, dass die Kirche und der Glaube eine wirkliche Zukunft haben. Lassen Sie mich Ihnen deshalb heute und hier ein wirkliches und aus tiefstem Herzen kommendes Wort des Dankes sagen.