Würzburg/Baunach (POW) Am 23. November 1975 ging die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland in Würzburg zu Ende. Derzeit forscht Stefan Menz (33), Kaplan in der Pfarreiengemeinschaft Baunach-Lauter-Mürsbach-Gereuth für seine Doktorarbeit im Fach Fränkische Kirchengeschichte an den Hintergründen. Im folgenden Interview äußert er sich unter anderem zur besonderen Rolle des damaligen Professors Karl Lehmann, zum Engagement der Diözese Würzburg und zu Folgen für die Zukunft der Kirche.
POW: Die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland ging vor dreißig Jahren zu Ende. Warum beschäftigen Sie sich mit dem Thema?
Kaplan Stefan Menz: Das Zweite Vatikanische Konzil begeistert mich seit meiner Studienzeit. Auf Vorschlag von Professor Dr. Wolfgang Weiß hin setze ich mich in meiner Dissertation mit der Rezeption und den Konsequenzen des Zweiten Vatikanischen Konzils in Deutschland auseinander. Die Würzburger Synode ist hinsichtlich ihrer kirchengeschichtlichen Aufarbeitung weithin ein weißer Fleck.
POW: Es gibt doch umfangreiche Bände zu den Ergebnissen.
Menz: Es sind aber nur die Ergebnisse der Synode sehr gut dokumentiert. Der tiefere Kontext und die spannenden Hintergründe der Zeit zwischen 1965 und 1975 verschwimmen in der Erinnerung und damit auch die innerkirchlichen Diskussionen und Spannungen in diesen Jahren der Gärung und Klärung, des Aufbruchs und der Enttäuschungen, der Neu- und Umstrukturierungen der einzelnen Ortskirchen. Gerade jetzt, da noch wichtige und maßgebliche Zeitzeugen leben, ist es wichtig, eine historische Erschließung und wissenschaftliche Reflexion dieser Zeit in Angriff zu nehmen.
POW: Wie gut lassen sich die Entwicklungen während der verschiedenen Sitzungsperioden rekonstruieren?
Menz: Man kann die Diskussionen relativ gut verfolgen. Das ist eine sehr spannende Sache. Die Sitzungsprotokolle, aber auch die Änderungsvorschläge und schriftlichen Einwände sind gut überliefert. Zum einen im Archiv der Deutschen Bischofskonferenz, das dem Historischen Archiv des Erzbistums Köln angegliedert ist, aber auch in den Korrespondenzen der Hauptverantwortlichen. Hier ist das Kardinal-Döpfner-Archiv in München besonders interessant, da hier sein Schriftverkehr als Präsident der Synode und die Aufzeichnungen seines Sekretärs archiviert sind. Auch lassen sich hinter den großen Meinungsführern so genannte „Holy-Ghost-Writer“ ausfindig machen, das sind die Theologen, die die Bischöfe und Kardinäle beraten haben. Gerade in der Frage der Laienpredigt lassen sich da auffällige Verbindungen nachweisen, die ich hier aber nicht nennen möchte.
POW: Warum wurde ausgerechnet Würzburg als Standort gewählt? Hatte es am Ende mit dem Frankenwein zu tun?
Menz: Mit dem Frankenwein hat die Standortwahl sicherlich wenig zu tun gehabt, auch wenn bei einem guten Bocksbeutel hinter den Kulissen und außerhalb der Sachkommissionen viel diskutiert und so manche Unklarheiten aus dem Weg geräumt wurden. Vielmehr waren meines Wissens die verkehrsgünstige Lage Würzburgs, die Angliederung des Sankt Burkardushauses an den Dom und das klare Votum von Kardinal Döpfner, dem damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, für Würzburg als Tagungsort ausschlaggebend.
POW: Noch vor der dritten Sitzungsperiode kam es zum heftigen Disput mit Rom. Was war der Grund dafür?
Es ging um das Thema der Laienpredigt. Sie kam auf die Tagesordnung der Synode, weil sich die Mehrheit der Synodalen auf der zweiten Sitzungsperiode vom 10. bis 14. Mai 1972 dafür ausgesprochen hatte und die Bischöfe sich unter diesem Druck durchgerungen hatten, dieses Thema beraten zu lassen. Zwei Tage vor Weihnachten 1972 traf beim Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Julius Döpfner, ein Brief von Nuntius Corrado Bafile (Nuntius in Deutschland von 1960 bis 1975) ein. Erzbischof Bafile erklärte darin, dass der Präfekt der Kleruskongregation, Kurienkardinal John Wright, der Synode die Zuständigkeit abspricht und verweigert, über diesen Punkt zu entscheiden. Er betonte aber, dass Rom zu Gesprächen bereit sei. Wright hatte Bafile mitgeteilt, ein Gesetz über die Zulassung von Laien zur Verkündigung gehört nicht in die Zuständigkeit einer Ortskirche oder dieser Synode, sondern muss auf der Ebene der Weltkirche behandelt werden.
POW: Wie hat die Synode reagiert?
Menz: Die Mitteilung kurz vor der 3. Sitzungsperiode löste größte Bestürzung aus. Kurz vor dem Beginn der Vollversammlung sprachen einige Synodalen sogar sehr erregt über einen Abbruch der Synode, weil sie entmündigt wurden und von Rom ein Maulkorb verpasst worden sei. In der Nacht vom 2. auf den 3. Januar 1973 war im Mutterhaus der Erlöserschwestern in der Ebracher Gasse in Würzburg der kritische Kontaktkreis Synode erstmals an die Öffentlichkeit getreten, Karl Rahner und Norbert Greinacher waren zwei bedeutende Mitglieder. Sie forderten eine vernünftige Konzentration auf einige neuralgische Punkte und befürchteten, die Synode könnte zu einem ohnmächtigen Instrument werden, das immer wieder von Rom überrundet wird. Sie wollten die deutschen Bischöfe in fortschrittlichen Entschlüssen unterstützen.
POW: Haben die Bischöfe dazu den Mut gehabt?
Menz: Nach Angaben des damaligen Theologieprofessors Karl Lehmann tagten in derselben Nacht die Bischöfe „in einem dramatischen Ringen“ und kamen zu dem Ergebnis, dass sich ihre Haltung nicht ändern dürfe. Das betraf einmal die Synodenvorlage wie auch einen Beschluss der bundesdeutschen Bischöfe vom November 1970, dass Laien in Ausnahmefällen zur Predigt zugelassen sind. Auch dieser Erlass wurde von Kardinal Wright unter Hinweis auf das bestehende Kirchenrecht für ungültig erklärt. Den Beschluss des deutschen Episkopats für die Beibehaltung der Vorlage sowie der erlassenen Norm gab Bischof Friedrich Wetter aus Speyer bekannt. Diese Entscheidung ist im Würzburger Dom mit großem und langem Beifall quittiert worden. Bischof Wetter erklärte im Namen der deutschen Bischöfe, dass sie das Gesprächsangebot Roms wahrnehmen. Und er hielt fest, dass Nuntius Bafile bereits früher zugesichert habe, dass sich die deutschen Ansichten zur Laienpredigt innerhalb des Rechtsrahmens der Gesamtkirche bewegten.
POW: Was sagten die Theologen zu diesen Ausführungen?
Menz: Professor Karl Lehmann bedankte sich bei den Bischöfen für ihre mutige Haltung und auch Karl Rahner stimmte mit ein. Er verlangte vehement und ungewohnt temperamentvoll mehr Eigenständigkeit der Regionalkirchen. Lehmann, damals Referent der zuständigen Sachkommission I, wies darauf hin, dass es auch die Situation gebe, „dass ein Paulus einem Petrus ins Angesicht widerstehen musste.“ Der Beschluss zur Laienpredigt wurde schließlich umgesetzt und im November 1973 konnte bekannt gegeben werden, dass Rom eine vierjährige Probezeit genehmigt hat.
POW: Welche Bedeutung hatte der frühere Würzburger Bischof Dr. Josef Stangl für den Ausgang der Synode?
Menz: Bischof Stangl war der Gastgeber, der für das passende Umfeld sorgte. Was er, sein Weihbischof Alfons Kempf und sein ganzer Mitarbeiterstab geleistet haben, übertrifft jede normale Vorstellung von Einsatzbereitschaft und Gastfreundschaft. Hier müssen Namen genannt werden wie Paul Bocklet, Berthold Lutz, sämtliche Mitarbeiter des Ordinariats, die Ordenshäuser, das Priesterseminar und viele andere kirchliche Institutionen. Was die Bischofsstadt Würzburg da geleistet hat, ist nur zu bewundern. Ich glaube kaum, dass angesichts der angespannten Finanzsituation sich heute ein Bistum freiwillig für ein solches Vorhaben melden würde. Bischof Josef musste als Gastgeber viel repräsentieren und bei den meisten öffentlichen Empfängen und Veranstaltungen der Synode dabei sein. Dabei wurde er tatkräftig von seinem Vorgänger im Würzburger Bischofsamt, Julius Döpfner, unterstützt, der nicht ohne Stolz bei seiner „Heimspiel-Synode“ den Synodalen die Geschichte und Kirchlichkeit Würzburgs nahe gebracht hat.
POW: Seit der Synode sind 30 Jahre vergangen. Welche Fragestellungen der Synode müssten dringend weitergeschrieben werden?
Menz: Der Dialog, der auf der Synode begonnen wurde, darf nicht mehr abgebrochen werden, wenn wir als Kirche glaubwürdig bleiben wollen. Kirche und Jugend, die Kirche und die Arbeiterschaft, Kirche und die Fernstehenden, Ehe und Familie, das sind nur einige Themen, an denen wir uns messen lassen müssen. Mir persönlich geht es um die, die der Kirche den Rücken kehren, um die Armen und Ausgestoßenen unserer Gesellschaft. Diese Gruppen gibt es bei uns wirklich. Ihre Zahl steigt ständig. Zu viele binnenkirchliche Themen, die durchaus ihre Berechtigung haben und diskutiert werden müssen, lenken da zu sehr von unserem eigentlichen Auftrag und vielen dringenden Aufgaben ab. Wir sind Kirche für die Menschen und nicht für uns selber. Genauso sollte sich jeder das Beten und Arbeiten für die Einheit der Christen zur Hauptaufgabe machen, wie es uns Papst Benedikt XVI. unmittelbar nach seiner Wahl exemplarisch vorgemacht hat. Die Glaubwürdigkeit der Kirche steht und fällt mit der Ökumene. Vorbildlich ist für mich der diözesane Dialogprozess „Wege suchen im Gespräch“ in Würzburg gewesen. Er war hoffentlich keine einmalige Sache, sondern muss immer wieder neu lebendig bleiben. Nicht dass er im Archiv auf den Forscher warten muss, der ihn in 30 oder 40 Jahren entstaubt – so wie ich momentan die Synodenakten.
Interview: Markus Hauck (POW)
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