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Zeit und Ewigkeit - Im Zeichen des Wasser

Meditation mit Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Sonntag, 12. Oktober 2008, um 10.45 Uhr im Bayerischen Fernsehen

„Leben, so richtig leben möchte ich“, antwortete ein Schüler auf die Frage, was ihm wichtig
ist. Und man konnte seinen Augen förmlich den Durst nach Leben ansehen. So richtig
leben, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, das wünschen sich wohl alle Menschen tief in
ihrem Herzen, und in ihrem Inneren spüren sie den Durst nach Leben.

„Ich bin durstig“ – das gehört zu den Urerfahrungen eines Menschen. Wenn ein Baby
schreit, dann sagt es damit: „Ich habe Durst. Ich will leben.“ Und die Mutter stillt den Durst
ihres Kindes. Durstig zu sein – das kennen Kleine und Große, und das zieht sich durch
unser ganzes Leben. Diesen Durst nach Leben kann ich aber nicht dadurch stillen, dass ich
das richtige Mineralwasser auswähle. Der Lebensdurst beziehungsweise Lebenshunger
lässt sich nicht einfach mit Lebensmitteln abspeisen. Leben ist doch mehr als essen und
trinken und braucht deswegen auch mehr als Essen und Trinken. Satt zu werden und einen
vollen Bauch zu haben, genügt nicht. Das Herz hungert und dürstet nach mehr.
Wer sich auf die Suche macht nach Quellen, die den Herzensdurst stillen können, braucht
manchmal gar nicht so weit zu gehen. Oft wird schon fündig, wer in seinem Innern in die
Tiefe gräbt. Dort liegen Quellen verborgen, die zu sprudeln beginnen, wenn wir sie nur
lassen.

Bei all den Stellen aus der Heiligen Schrift, die helfen wollen bei der Suche nach den
Quellen des ewigen Lebens, stoße ich immer wieder auf ein Gespräch, das seinerzeit in
Sychar stattgefunden hat. Dies ist ein kleiner Ort zwischen dem See Genezareth und
Jerusalem mit dem so genannten Jakobsbrunnen – einem Brunnen mitten im Ort wie hier
in Hammelburg, mitten im alltäglichen Leben. Die Leute gingen dorthin mit ihren Gefäßen,
um Wasser zu schöpfen, unterhielten sich ein wenig und gingen wieder heim. Dort traf
Jesus auch mit einer Frau aus dem Ort zusammen. In ihrem Gespräch hatte vor allem ein
Satz alle aufhorchen lassen: „Wer von dem Brunnenwasser trinkt, wird wieder Durst
bekommen. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr
Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm geben werde, in ihm zur sprudelnden
Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“

Diese Worte können wirklich aufhorchen und hinhören lassen. Da ist einer, der mitten im
Alltag vom Leben in Fülle spricht. Er sagt: „Ich weiß, wonach Ihr sucht. Ich kann Euch das
geben, was Eure Sehnsucht stillt.“

Was meint er damit: Heilwasser, das Leben in Fülle bringt?

Christen bringen das, was Jesus Christus am Jakobsbrunnen mit „Wasser ewigen Lebens“
anspricht, in Verbindung mit dem Sakrament der Taufe. Gott wirkt in besonderer Weise
durch die Sakramente Heil für uns Menschen. Er will, dass unser Leben heil wird, dass es
gut wird und gelingt. Wenn Eltern ihre Kinder hierher in den Würzburger Dom zum
Taufbecken bringen oder wenn Erwachsene getauft werden, dann wird über die Täuflinge
Wasser gegossen. Im Zeichen des Wassers berührt Gott selbst den Täufling. Er sichert
ihm zu: „Du bist jetzt mein Sohn, meine Tochter. Zusammen mit allen anderen aus der
großen Gemeinschaft der Kirche darfst Du mich Vater nennen. Ich bin Dir nahe. Ich werde
in Deinem Herzen wohnen. Und ich schenke Dir eine sprudelnde Quelle, die in Dir Wasser
ewigen Lebens bereithält.“

Es ist faszinierend für mich, dass Gott selbst sich uns Menschen zuwendet, dass er meinen
Namen kennt, dass er in der Taufe einen Quell des Lebens, einen Lebensbrunn in mir und
in jedem Christen zu Grunde gelegt hat. Was Jesus seinerzeit zur Frau am Jakobsbrunnen
gesagt hat, gilt auch mir und jedem Getauften für alle Zeit und Ewigkeit: „Das Wasser, das
ich Dir geben werde, wird in Dir zur sprudelnden Quelle, die ewiges Leben schenkt.“

In der Taufe wurde das Wasser Christi über mich ausgeschüttet, ja eingegossen. In mir
sind lebendige Quellen verborgen, ein Brunnen mit lebenswichtigem Wasser. Von daher
wird verständlich, was Jesus meint, wenn er sagt: „Wer an mich glaubt, aus dessen
Innerem werden Ströme von lebendigem Wasser fließen.

Brunnen brauchen Pflege. Mit den Brunnen, die bei der Taufe innerlich angelegt werden,
verhält es sich wie mit dem alten Dorfbrunnen eines Bauern. Das Wasser dieses Brunnens
war besonders gut, so erzählte man sich. Und was besonders wichtig war: Dieser Brunnen
versiegte nie. Einmal aber kam die Zeit, in der alles modernisiert wurde. Moderne Wasserleitungen
wurden gelegt. Der alte Brunnen hatte ausgedient. Er wurde verschlossen und
versiegelt. So blieb es mehrere Jahre. Eines Tages wollte ein Mann aus Neugierde noch
einmal in die Tiefe des Brunnens schauen. Er deckte ihn ab und wunderte sich: Der
Brunnen war total ausgetrocknet.

Lange brauchte der Mann, bis er den Grund dafür erkannte. So ein Brunnen wird von
unzählig vielen kleinen Bächlein gespeist. Die Öffnungen dieser Bächlein bleiben so lange
offen, wie immer wieder Wasser abgeschöpft wird. Wird aber ein solcher Brunnen nicht
mehr benützt, dann versiegen die Bäche, und es bräuchte viel Zeit und Mühe, ihn wieder in
Gang zu bringen. Brunnen, die nicht gebraucht werden, versiegen.

Mir gibt diese Erkenntnis zu denken, denn wenn dem so ist, dann stellen sich doch die
Fragen: Wie ist das mit meinem Brunnen? Wie gehe ich mit ihm um? Hole ich mir immer
wieder frische Kraft aus meiner inneren Quelle, damit ich nicht austrockne?

Wer im Leben aus dem Vollen schöpfen will, der muss zu sich selber kommen und in die
Tiefe graben. Dazu ist es nie zu spät. Natürlich können sich mittlerweile in der Tiefe
Schmutz und Schlamm abgelagert haben. Darauf muss jeder gefasst sein, der nach seinen
Lebensquellen gräbt. Das Freilegen innerer Quellen kann manchmal anstrengend werden.
Fehlbohrungen können mich zwingen, immer wieder neu anzusetzen. Oder der Brunnen
bricht an einer Stelle auf, an der ich gar nicht gebohrt habe.

Wer einmal zu graben beginnt, der kann etwas erleben. Es ist unglaublich, wie sich diese
göttliche Quelle aus uns heraus Bahn bricht. Die Konsequenzen, dieser Quelle freien Lauf
zu lassen, können nämlich manchmal ganz schön wehtun und Tränen verursachen. Die
Tränen aber, die aus der Tiefe hervorgeschwemmt werden, sind nicht Zeichen des Todes,
sondern Zeichen des Lebens. In diesen Tränen aus Trauer und Freude tritt das Grundwasser
der Seele an den Tag. Wer auf diese Wasseroberfläche blickt, wird sein Gesicht
erkennen – wer er ist, zu welcher Hoffnung er berufen ist.

Und dann, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, darf er schöpfen für sich und für andere.
Er kann seinen Brunnen öffnen für alle, die Durst haben. Wer sich an seinem Brunnen
ausruht und auftankt, der soll wieder Lust zu leben bekommen. Das erfahren viele an
Wallfahrtsorten, an denen Quellen sprudeln – wie Lourdes, Retzbach oder Wemding. Aber
auch die Kirche in Ihrer Nähe vermag Ihnen die Wege, die Quellen zum Heil zu zeigen. Ich
wünsche Ihnen einen schönen Sonntag!