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„Zeiten, die persönlich im Innersten betreffen“

Niederschrift der Ansprache von Bischof Dr. Franz Jung in der Kiliani-Vesper für die Priester, Diakone und Pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Es ist schön, dass in der Kiliani-Wallfahrtswoche auch für die Seelsorgerinnen und Seelsorger ein eigener Termin vorgesehen ist. Für uns, die wir beauftragt sind, für andere in der Verkündigung zu stehen, ist die Selbstvergewisserung am geistlichen Ursprung unseres Christseins in Würzburg besonders wichtig, an den Reliquien unserer drei Frankenapostel.

Ich möchte zu Beginn Ihnen ganz, ganz herzlich danken - den Mitbrüdern und allen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihren Dienst. Ich bin dankbar für jeden einzelnen, der in unserem Bistum den Dienst tut auch jetzt in diesen nicht ganz einfachen Zeiten des Umbruchs. Umso mehr weiß ich es zu schätzen, wenn wir heute zusammen kommen und uns die Zeit nehmen, um uns nochmal auf das zu besinnen, was in dieser Stunde unseres Bistums wirklich zählt und wichtig ist. 

Zunächst ein kurzes Wort zur Situation des Prozesses „Pastoral der Zukunft“: Mich haben in den letzten Tagen und Wochen viele Schreiben von Pfarrern erreicht, in denen darum gebeten wird, die Einheit, die jetzt vor Ort durch die Beratungen gebildet wurde, noch einmal von bischöflicher Seite in Kraft zu setzen. Ich möchte dieser Bitte jetzt, zu Beginn meines bischöflichen Dienstes, noch nicht entsprechen. Warum? Für mich bedarf es in diesem Prozess noch vieler grundsätzlicher Klärungen, die in nächster Zeit herbeigeführt werden müssen.

Eine der wichtigsten Klärungen wird sein: Wie sind unsere Beratungsprozesse eigentlich strukturiert? Wer berät was mit wem bis wann? Wer muss eingebunden werden, wer muss gehört werden? Wie geht Beratung? Das wird eine der wichtigsten Fragen sein, denen wir nachgehen müssen, damit klar ist, dass alle in diesem Prozess auch die Möglichkeit haben, sich einzubringen, und dass auch ich als Bischof die Möglichkeit habe, jeden und jedes der Gremien, die dafür kirchenrechtlich vorgesehen sind, zu hören und sein Votum wertzuschätzen.

Ich habe mir vorgenommen, die 19 Dekanate jetzt in der nächsten Zeit zu besuchen und bei diesen Besuchen mit den hauptamtlichen Seelsorgern am Nachmittag ins Gespräch zu kommen und mich abends jeweils mit dem Dekanatsrat zu treffen und einmal zu hören, wie die Einschätzung der Situation vor Ort ist und wie man glaubt, dass es gut weitergehen kann.

Eine der wichtigsten Fragen, die mich umtreibt, seit ich hier bin, lautet: Was ist denn damit gemeint, wenn wir im Prozess vom „Pastoralen Raum" sprechen? Vor allem: In welche kirchenrechtliche Form soll nun ein solcher „Pastoraler Raum“ am Ende überführt werden? Bleibt es bei Pfarreiengemeinschaften oder geht die Tendenz hin zu neuen Pfarreien? Das ist eine für mich sehr wichtige Frage, weil es mir ein Anliegen ist, dass wir kirchenrechtlich diese Schritte auch abgesichert gehen. Das bedarf noch einmal einer grundsätzlichen Reflexion und einer Besinnung darauf, wo wir momentan stehen – auch vor dem Hintergrund, dass unser Bistum in weiten Teilen sehr ländlich strukturiert ist. Was könnte da in dieser Stunde eine angemessene Antwort sein, die auch nachhaltig für die kommende Zeit trägt, so dass wir nicht dauernd nachbessern müssen.

Und schließlich brauchen wir auch eine Zeitleiste. Ich möchte nicht, dass wir unendlich über die Fragen der Strukturen diskutieren, sondern dass wir diese sehr wichtigen Fragen bis zu einem gewissen Zeitpunkt geklärt haben, um uns nicht immer wieder an diesen Strukturfragen abzuarbeiten, sondern wirklich zu den inhaltlichen Fragen zu kommen, die uns jetzt in der nächsten Zeit werden beschäftigen müssen. Denn wie ich bei meiner Rede bei der Bischofsweihe ausführte geht es nicht darum, alte Dinge wiederzubeleben, sondern wirklich Schritte hin in die Zukunft hin zu gehen.

Diejenigen, die in der Vakanz als Administratoren eingesetzt wurden, so haben wir im Allgemeinen Geistlichen Rat beschlossen, werden nach den Maßgaben der Deutschen Bischofskonferenz zunächst auf sechs Jahre zu Pfarrern ernannt, damit sie Handlungssicherheit haben im Amt. Damit wird aber auch deutlich, dass die nächsten Jahre für uns eine Zeit der Beratung sein werden bis wir Klarheit gefunden haben, wohin uns unser Weg in Zukunft führt.

Ein Zweites: Zeiten des Umbruchs in den Diözesen sind Zeiten, in denen es nicht nur um pastorale Fragen geht, nicht nur um Fragen der Struktur, der Finanzen und der Verwaltung. Es sind vor allem Zeiten, die uns persönlich betreffen in unserem Innersten – sei es als Priester, Diakon, Pastoral- oder Gemeindereferentin und -referent. Immer wenn sich etwas verändert, wenn sich der Rahmen verändert, stellt sich an uns die Frage: Wie gehe ich damit um? Was macht das mit mir? Will ich das überhaupt? Möchte ich mir das zumuten? Und wenn es mir denn zugemutet wird, wie möchte ich dort meine Rolle finden?

Das ist keine banale Frage, sondern eine Frage von einem tiefen, existentiellen Ernst, eine Frage, die jede Generation von Priestern, von Pastoral- und Gemeindereferenten und -referentinnen anders trifft und anders beantwortet werden muss.

Jeder von uns hat sich irgendwann einmal für diesen Dienst vorbereitet. Er hatte Ideale, aber auch Vorstellungen, die ihm vermittelt wurden, was denn seine Rolle ist und wie er sie zu füllen hat. Und er hat wohl in den letzten Jahren, auch jetzt gerade in dieser Unsicherheit der Übergangsphase gemerkt: Wie geht das mit mir persönlich weiter? Was will ich machen?

Da gibt es die einen, die schauen auf ihre persönlichen Dienstzeiten. Die werden sagen: Naja, das sind noch ein paar Jährchen, die kriegen wir schon noch rum, egal, was die da in Würzburg so aushecken. Das sitze ich auch noch aus. Das ist in einer gewissen Weise auch legitim, wenn jemand sagt: Ich habe mein Berufsleben gelebt, jetzt kommt etwas ganz Neues. Ich kann das jetzt wahrscheinlich nicht mehr und ich will es auch nicht mehr. Und trotzdem wäre es wichtig, auch wenn man persönlich diesen Schritt nicht mitgehen kann, doch diesen Weg im Gebet mitzutragen, selbst wenn man weiß: Es ist im Grunde nicht mehr meine Welt, vielleicht will ich es mir auch nicht mehr zumuten.

Dann gibt es sicher die, die sagen: Oh, das klingt interessant, es tut sich mal was. Und jetzt sehe ich auch einen Gestaltungsspielraum, für den ich die ganze Zeit Ideen mit mir herum getragen habe, die könnten jetzt tatsächlich in der einen oder anderen Art realisiert werden, wenn man nur die Dinge richtig ordnet und wenn das Potential, das ich da sehe, zur Geltung gebracht werden kann. 

Und dann gibt es sicher auch diejenigen – völlig normal –, die sich fragen: Wo ist da mein Ort? Die auch, einmal überspitzt gesagt, an Flucht denken. Ich suche mir etwas Anderes, das mir mehr gemäß ist. Pfarrseelsorge unter den neuen Bedingungen ist nicht mehr meins. Wo könnte dieser Ort sein? Sei es im schulischen Bereich, sei es im kategorialen Bereich, sei es in einem Bereich, den ich mir gewissermaßen mal selbst versuche zurechtzuschneiden. Die Frage ist: Wo ist mein Ort? Wo will ich in diesem Bistum Würzburg unter den veränderten Umständen meinen Dienst tun?

Drittens: Zeiten der Veränderung sind Zeiten der Vertiefung der eigenen Berufung. Ehe man eine Veränderung anstrebt, werde ich gefragt, was ist mein geistiges Fundament. Von daher war es so wunderbar, in der Lesung, die eben vorgetragen wurde, davon zu hören, dass die Schöpfung in einer großen Neuordnung begriffen ist.

„Gott, mein Gott bist du, dich suche ich.“ Dich suche ich jetzt in dieser Situation und ich suche dich als derjenige, vor dem ich mich vergewissere über meine Sendung, über das, was mich angetrieben hat, und über das, was in dieser Situation für mich und mein Leben wichtig ist. Der heilige Ignatius gibt uns in diesen Umbruchszeiten den wichtigen Rat: „Jeder wird im geistlichen Leben nur insofern Fortschritte machen, wie er aus der Eigenliebe herausspringt.“

Indem er nicht zuerst fragt, was ist da für mich gut, auch wenn diese Frage sicher eine wichtige und legitime ist. Fortschritte macht aber nur der, der über sich hinausschaut, der in dieser Situation fragt, was der Kirche von Würzburg mehr dient, und wie der Kirche von Würzburg jetzt in dieser Situation mehr geholfen wird. Und wie ich genau auch darin und dadurch noch einmal tiefer hineinwachse in das Geheimnis von Tod und Auferstehung Jesu Christi, denn darum geht es.

„Wenn jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.“ Christus ist gestorben, so hieß es in der Lesung aus dem Zweiten Korintherbrief eben, damit wir nicht mehr für uns selber leben, sondern für ihn, der uns miteinander vereint, der für uns starb und auferweckt wurde. Deshalb, sagt Paulus, sind die Dinge nicht mehr nach menschlichen Maßstäben allein zu beurteilen, sondern es geht um die geistliche Dimension des Wachstums, des Wachsens auf Jesus Christus zu. Es geht um nichts anderes als das Einlösen unseres Taufversprechens: Getauft auf den Tod des Herrn, um mit ihm neu aufzuerstehen zu ihm.

„Gott, mein Gott bist du, dich suche ich“ – und nicht mich. Und wenn ich Dich gefunden habe, werde ich mich in Dir finden, wie Teresa von Avila so wunderbar einmal dichtete.

Danken wir dem Herrn für unsere drei Frankenapostel. Es waren Menschen, die sich selbst vergessen haben, die alles hinter sich gelassen haben und die aufgebrochen sind in eine unbekannte Zukunft. Die schließlich in ihrem Martyrium mit Christus gestorben sind, um in ihrem Sterben mit Christus aufzuerstehen. Mögen sie uns mit ihrem Segen Geleit und Ansporn sein, jetzt in diesen nächsten Wochen, Monaten und Jahren des Umbruchs.