Würzburg (POW) Am 24. Oktober ist der tschechische Komponist Professor Petr Eben im Alter von 78 Jahren gestorben. Er zählt zu den bedeutendsten Komponisten unserer Zeit. Über sein Vaterland hinaus wurden ihm mehrfach in anderen Ländern Auftragskompositionen übertragen. Seine Kirchenoper „Jeremias“ wurde in Würzburg erstmals für ein Ballet inszeniert und im Frühjahr 2000 in der Sankt Michaelskirche mehrfach aufgeführt. Das geschah unter der Schirmherrschaft von Bischof Dr. Paul-Werner Scheele. Im folgenden Interview spricht Bischof Scheele unter anderem über seine Verbindung mit Eben sowie über die spirituelle Seite im Schaffen des Komponisten.
POW: Herr Bischof, für die Ballett-Inszenierung von „Jeremias“ in Würzburg haben Sie die Schirmherrschaft übernommen. Das war gewiss ungewöhnlich. Was hat Sie dazu bewogen?
Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele: Vor allem die Kenntnis der Werke Ebens und mein Kontakt mit dem Komponisten. Ich war froh darüber, dass unser Stadttheater bereit war, Ebens Kirchenoper aufzuführen, und hielt es für gut, das nach Kräften zu unterstützen. Dabei war zunächst durchaus offen, ob das Werk sich überhaupt durch ein Ballett wiedergeben lässt.
POW: Ist das Wagnis gelungen?
Bischof Scheele: Heute noch bin ich dafür dankbar, dass es zu einer bewegenden Inszenierung kam, die auch vom Publikum geschätzt wurde. Besonders wichtig war für mich, dass der Komponist diese Aufführung sehr gelobt hat. Sie hat auch ihm selber neue Dimensionen seines Werkes aufgezeigt.
POW: Wann haben Sie Petr Eben kennen gelernt?
Bischof Scheele: Zum ersten persönlichen Kontakt kam es, als er auf dem Katholikentag in Mainz 1998 zusammen mit Professor Bertold Hummel den „Kunst- und Kulturpreis der Deutschen Katholiken“ überreicht bekam. In einem Festakt wurden Werke beider Komponisten aufgeführt. Zudem hatte jeder Gelegenheit zu einem persönlichen Wort.
POW: Was hat der Komponist dabei über sich und seine Motivation erzählt?
Bischof Scheele: Professor Eben sprach damals von der Erfahrung, die er im Konzentrationslager Buchenwald gemacht hat, als er mit seinem Bruder in den Duschraum geführt wurde, den man so oft als Tötungsraum benutzte. Als die Türen geschlossen wurden, mussten beide mit ihrem Tod rechnen. Professor Eben berichtete: „Es war eine unendliche Weile in Grabesstille und der Tod war zum Greifen nahe. Dann plötzlich begann aus den Duschen Wasser zu strömen, und ich habe mit diesem Strom das Leben als ein unermessliches Geschenk umarmt.“ Beim Festessen ergab sich die Gelegenheit zu einem guten Gespräch. Die noble Menschlichkeit und die tiefe Frömmigkeit Ebens, die ich dabei erkennen konnte, veranlassten mich, ihm zu seinem 70. Geburtstag zusammen mit meiner Gratulation mein Buch „Abba-Amen“ zu übersenden. Das war der Anfang einer Begegnung, die zunächst in Briefen und der Musik vor sich ging.
POW: Können Sie das näher beschreiben?
Bischof Scheele: Ich war überrascht, als Professor Eben mir schrieb: Das Buch „ermutigt mich, dass ich noch mehr das vertiefe, was mir in meiner schweren Jugend geschenkt war, und zwar Dankbarkeit für die Gabe des Lebens und der Kunst.“ Diese Worte kennzeichnen seine Person und sein Schaffen.
POW: Bei der Feier ihres Silbernen Bischofsjubiläums kam es in Würzburg zu einer weiteren Aufführung einer Komposition Ebens. Was bedeutete das für Sie?
Bischof Scheele: Es handelt sich um den Chor „Abba-Amen“, den mir Petr Eben zu diesem Fest gewidmet hat. In einer gleichzeitig erschienenen Festschrift ließ er mich wissen, er habe die Worte „Abba-Amen“ als Motto des Schlussaktes seines Lebens angenommen, und fügte wörtlich hinzu: „Sie helfen mir, mich mit meiner Vergangenheit zu versöhnen.“ Mich hat besonders beeindruckt, wie er aus dem umfangreichen Buch Texte ausgewählt hat, die auch mir wichtig waren.
POW: Zum 600. Geburtstag von Nikolaus Cues schuf Petr Eben das Werk für Chor und Orchester „Cusanus-Meditationen“. Wie werten Sie dieses Werk?
Bischof Scheele: Erneut zeigt sich in ihm die Fähigkeit Ebens, zentrale Aussagen großer Lehr- und Lebemeister aufzugreifen und sie durch die Komposition neu zu erschließen und heutigen Zeitgenossen zu vermitteln. Als Professor Eben mit seiner Frau bei mir zu Gast war, habe ich erlebt, wie intensiv er sich um solche Aussagen bemüht hat. Damals beunruhigte es ihn, dass er die Texte noch nicht gefunden hatte, die ihm vorschwebten. Ich konnte ihm mehrere Bücher ausleihen und ihn auf verschiedene Aussagen des Cusaners hinweisen. Die Auswahl traf er später selber. Das Werk beginnt mit den Worten: „Du, Herr, bist der Begleiter meiner Wanderfahrt. In welche Richtung ich auch gehe, deine Augen weilen stets bei ihr.“ Am Ende singt der Chor: „Sei du meine beglückende Liebe, mein Gott in Ewigkeit gepriesen.“ Das ist wie ein Testament, dass Petr Eben uns hinterlassen hat.
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