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Zur Not auch ohne Schuhe

Rund 730 Pilger aus Franken fahren mit Pilgerzug zum Papstgottesdienst nach München – Strenge Einlasskontrollen – Begeisterte Wallfahrer
Würzburg/München (POW) Ein wenig ratlos schauen die in weißen Overalls gekleideten Verkäufer drein. Vor ihnen stehen in Folie verpackte belegte Brötchen mit Käse oder Salami und gekühlte Getränke. Doch kaum einer der rund 730 Pilger aus den Diözesen Würzburg und Bamberg, die am Sonntagmorgen, 10. September, um kurz nach halb acht am Bahnhof Haar aus dem Pilgerzug steigen, kauft bei ihnen Proviant ein. Zu wenig Zeit. Gut 30 Minuten hat der Zug auf der Strecke von Aschaffenburg nach München irgendwann zwischen halb zwei Uhr morgens und der Ankunft in Haar an den Zwischenhalten verloren.

Wer nicht bis 9 Uhr auf dem Gelände der Papstmesse ist, muss draußen bleiben. Das will keiner riskieren. „Wir werden rechtzeitig ankommen“, hat vor der Einfahrt in den Bahnhof Chefreiseleiter Martin Zeiser über Lautsprecher verkündigt. Dennoch legen Bernhard Meyer, Geschäftsführer des Bayerischen Pilgerbüros und heute Träger des blau-weißen Banners mit der „Patrona Bavariae“, auf dem drei Kilometer langen Schotterweg ein strammes Tempo vor. Eilig löst sich aus dem karawanenartigen Tross ein Pulk junger Erwachsener und springt die Stufen zum Toilettencontainer hinauf, der rechts des Wegs zur Papstmesse aufgestellt ist.

Paul Fleckenstein ist nicht nach Springen zumute. Der Zehnjährige aus Laufach hat keine Schuhe mehr: Sie fielen der Reinlichkeit von Vater Friedrich Fleckenstein (37) und dessen Bruder Christof (39) zum Opfer. Die hatten kurz vor Fürth gemeint, die verkrümelte Sitzdecke einmal in Richtung offenes Fenster ausschleudern zu müssen. Auf der hatten es sich Paul und sein Cousin Felix zum Kekse essen gemütlich gemacht. „Und dann fragt mich der Papa, ob ich nicht die gleichen Schuhe hätte wie die da unten auf den Schienen.“

Mit der Flagge seines Heimatorts in der Hand hat Paul im Wechsel auf den Schultern von Onkel und Vater den besten Überblick über die mehrere hundert Meter lange Gruppe von Pilgern. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“ und „Segne du, Maria“, singen sie, während am Horizont die vielen Hubschrauber und der Messeturm schon das Messegelände ankündigen. „Warum nehmen Sie eine solche Strapaze auf sich?“, fragt die Redakteurin vom ZDF, die den Pilgerzug aus Franken mit ihrem Kamerateam begleitet. „Wissen Sie, ich komme aus Veitshöchheim und gehe jedes Jahr bei der Würzburger Kreuzbergwallfahrt mit. Mir macht das heute nichts aus“, verkündet Elsbeth Hirn (65) ins Mikrofon. „Im Gegenteil: Und wann werden wir schon einmal wieder einen deutschen Papst haben?“

„Ich finde den Papst cool. Der hat eine klare Linie und steht für christliche Werte ein“, sagte Nathalie Hartmann, 26-jährige Friseurmeisterin aus Würzburg. Und auch ihre Eltern strahlen vor Vorfreude auf den Gottesdienst mit Benedikt XVI. „Es ist toll, dass wir ihn heute live erleben dürfen.“ Der Eingang ins Gelände erinnert ein wenig an ein Rockfestival: Großes Polizeiaufgebot zu Fuß und zu Pferd. Taschen werden kontrolliert. Eintrittskarten müssen vorgezeigt werden. Erst nach längerer Diskussion darf auch die Marienflagge des Bayerischen Pilgerbüros mit aufs Gelände. Zu gefährlich sei das Messingkreuz an der Spitze, erklärt der bullige Mann vom Sicherheitsdienst. Während Geschäftsführer Meyer mit der Demontage beginnt, bleibt Reiseleiter Zeiser gelassen und redet auf den allzu pflichtbewussten Wachmann ein. Schließlich winkt dieser Flagge und Träger durch.

Hinter der Einlasskontrolle stehen Dutzende von Helfern und geben Pilgerbeutel mit Erfrischungsgetränk (an was bloß die Fußbälle auf dem Etikett erinnern?), Regenponcho, Liedheft und Multifunktions-Wink-Sonnenschutz-Erinnerungstuch aus. Gut 45 Minuten dauert es noch, die geschätzten 500 Meter Luftlinie bis zum Block N10 zu schaffen. Immer wieder geht es nicht mehr vorwärts, weil sich Besucherströme kreuzen und Sicherheitsdienst und Feuerwehr immer etwas Zeit benötigen, bis sie wieder den Überblick haben und der Verkehr wieder fließt.

Der Gottesdienst selbst vergeht wie im Flug. Wer einen guten Platz erwischt hat, sieht den Papst bei seiner Ankunft im Papamobil direkt an sich vorbei fahren. Die anderen haben ihn auf den großen Videowänden bestens im Blick und gehen bei der La-Ola-Welle zur Begrüßung mit. Nach dem Schlusssegen gleicht der Platz einem großen Picknickgelände: Unter den Klängen der ausziehenden Gebirgsschützen-Blaskapellen werden die Brotzeitdosen ausgepackt: Paprikastreifen, Wiener Würstchen, Aufschnittplatte, frische Brezeln.

Gut fünf Stunden später finden sich am Münchener Hauptahnhof die fränkischen Bahn-Pilger wieder zusammen und warten auf die Abfahrt des Pilgerzugs. Paul Fleckenstein lässt von Oma Gusti und Opa Ruthard seine neuen Schuhe begutachten: Quietschgrüne Flipflops mit dem Aufdruck „Fußball-WM Deutschland 2006“. Hat ihm sein Vater gerade für 1,50 Euro am Souvenirstand im Bahnhof gekauft. „Die Organisation, der Gottesdienst, überhaupt die Begegnung mit dem Papst. Das war einfach alles Spitze“, fasst Manfred Hartmann seine Eindrücke zusammen. Nebenan diskutiert eine Gruppe, aber es ist still dabei. „Auch wenn ich nicht hören kann, ich habe die Ruhe gespürt, die der Papst ausstrahlt. Das hat mir Kraft gegeben“, sagt der Würzburger Gregor Gropp (24) in Gebärdensprache. Zusammen mit 20 anderen Gehörlosen aus dem Bistum Würzburg hat er an der Pilgerreise teilgenommen. „Schön, dass der Papst da war. Das Evangelium von Jesus und dem Gehörlosen hat mich besonders angesprochen“, erklärt die ebenfalls Gehörlose Rebecca Mathes (23) aus Würzburg. Und der Rottendorfer Klaus Langhans (23), der ebenfalls den Gottesdienst im Block für die Gehörlosen verfolgt hat, ergänzt: „Ein bisschen stolz bin ich schon, dass der Papst ein Deutscher ist.“

Mit der Abenddämmerung wird es in den 13 Waggons des Pilgerzugs still. Auch im Speisewagen ist die Lautstärke gedämpft. Die Pilger sind müde, viele haben die Liegeflächen ihres Abteils herunter geklappt, andere schlafen im Sitzen. Das frühe Aufstehen und die Strapazen des Tages fordern ihren Tribut. Auch Pfarrer Clemens Siewek lässt das Gebet ein wenig kürzer ausfallen als am Morgen um 5 Uhr. Nur ein Gesätz Rosenkranz betet er vor. Und zur Verabschiedung gibt er den Pilgern mit auf dem Weg: „So ist das bei Fahrten mit dem bayerischen Pilgerbüro: Da versteht man sich, da klappt einfach alles.“

(3706/1237; E-Mail voraus)

Markus Hauck (POW)

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