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„Zuwendung war schon immer Kernaufgabe der Kirche“

Interview mit Diözesanbeauftragtem Walter Lang über Chancen und Probleme in der Internetseelsorge – Einblicke in persönliche Motivation und Pläne – „Der Mensch zählt, der jetzt gerade da ist“

Würzburg (POW) Walter Lang (52) ist seit 1. September der neue Diözesanbeauftragte für Internetseelsorge der Diözese Würzburg. In seinem neuen Amt ist er für die Entwicklung, die Vernetzung und den Ausbau der Angebote im Bistum zuständig, die Menschen in Not über E-Mail helfen sollen. Im Interview gibt Lang einen Überblick über seine Aufgaben und die derzeitige Lage der Internetseelsorge im Bistum. Auch erzählt er, wo er Chancen und Probleme sieht, und lässt in seine persönliche Motivation hineinblicken.

POW: Herr Lang, Sie sind der neue Diözesanbeauftragte für Internetseelsorge der Diözese Würzburg. Was genau sind Ihre Aufgaben?

Walter Lang: Seit 1998 engagiert sich die Diözese in der Internetseelsorge. In dieser Zeit wurde das Angebot für Menschen, die per Mail Rat suchen, immer weiter ausgebaut. Inzwischen gibt es viele Stellen, die eine Mailberatung anbieten, wie die Caritas, die Telefonseelsorge, die Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Als Diözesanbeauftragter bin ich dafür verantwortlich, die Angebote der Internetseelsorge zu betreuen und weiterzuentwickeln. Heute nutzen viele Menschen das Handy für ihren Mailverkehr, für Informationen, Kalender, Fotos oder Familienchats. Seelsorge muss also auch über das Handy möglich sein. Zurzeit wird das Angebot dadurch weiter ausgebaut, dass die Internetseelsorge bundesweit einheitlich von einem Server abgewickelt wird. Das Internet macht nicht vor Bistumsgrenzen halt, und so bieten die Internetseelsorger aller Diözesen zukünftig über eine einzige Plattform Mailberatungen an.

POW: Wie ist die Internetseelsorge aufgebaut und wie viele Mitarbeiter umfasst das Team?

Lang: Die Internetseelsorge ist ein Teilbereich der Diakonischen Pastoral des Bistums Würzburg und ist in die Hauptabteilung Seelsorge eingegliedert. Zurzeit gibt es 27 ehrenamtliche und hauptamtliche Internetseelsorgerinnen und -seelsorger. Diese arbeiten mit einer gewissen Stundenzahl ihres Engagements beziehungsweise ihrer Arbeitszeit für die Internetseelsorge und treffen sich außerdem zu Konferenzen und zur Supervision. Die Mailberatung läuft über einen Sicherheitsserver und ist anonymisiert. Die Seelsorger kennen nicht die Mailadresse des Ratsuchenden und umgekehrt.

POW: Wie groß ist die Nachfrage nach Internetseelsorge?

Lang: Für die Internetseelsorge des Bistums Würzburg wurden im Zeitraum August 2014 bis August 2015 466 Beratungen mit 2275 Antworten (Durchschnitt: vier pro Klient) gezählt. 76 Prozent der Ratsuchenden waren Frauen, 24 Prozent Männer. Partnerschaftsfragen, Sinnkrisen und Angst sind die häufigsten Nennungen bei den Auswahlmöglichkeiten, die die Ratsuchenden vorher angeben können.

POW: Empfinden Sie es nicht manchmal als schwierig, Menschen über einen Chatverlauf oder eine E‑Mail zu helfen und dabei weder das Gesicht zu sehen noch ihre Stimme zu hören?

Lang: Früher hat man auch den Menschen nur Briefe schreiben können. Erst mit der Einführung des Telefons war es möglich, über größere Distanzen mit Menschen zu sprechen. Unsere Form der Beratung ist eine Kurzzeitberatung, und da gilt es eben in den geschriebenen Worten, manchmal auch zwischen den Zeilen zu lesen, was den Ratsuchenden gerade bewegt. Natürlich habe ich keinen Gesichtsausdruck oder einen Tonfall, der mir im Gespräch signalisiert, meine Antwort hat etwas bewegt. Dafür kommt allein durch das Aufschreiben ein Prozess beim Ratsuchenden in Gang, der die Probleme und Fragen in einem anderen Licht erscheinen lassen kann.

POW: Wo sehen Sie Probleme, wo Chancen in einer seelsorgerlichen Onlineberatung?

Lang: Unsere Form der Beratung ist eine Kurzzeitberatung, bei der – auch um den Anfragenden gerecht zu werden – in der Regel nach maximal vier Mails vom Ratsuchenden und vier vom Berater der Dialog wieder geschlossen werden kann. Oft gelingt es, Ratsuchende zu motivieren, ihre Fragen direkt an eine Beratungsstelle, eine Vertrauensperson oder einen Seelsorger vor Ort zu richten und dort weiter begleitet zu werden. Manchmal endet ein Dialog auch einfach abrupt, und der Seelsorger bleibt vielleicht „ratlos“ zurück. Die große Chance der Mailberatung sehe ich darin, dass Menschen von zu Hause aus etwas „loswerden“ können, was sie vielleicht nicht sofort jemandem direkt sagen können ‑  weil es zu viel Überwindung kostet, weil es ein Tabu ist, weil es so verletzt hat, dass nicht darüber direkt gesprochen werden kann. Eine Tastatur dagegen lässt sich leichter bedienen.

POW: Der Abhörskandal ist immer noch Bestandteil der täglichen Berichterstattung. Gibt es spürbare Auswirkungen des Skandals auf Ihre Arbeit? Sind die Menschen vielleicht misstrauischer geworden?

Lang: Beim Umgang mit den persönlichen Daten werden die Menschen sensibler, auf der anderen Seite veröffentlichen immer mehr Menschen persönliche Aussagen und Einschätzungen in den sozialen Medien und wollen auf diese Art und Weise auch eine Rückmeldung zu sich und zu ihrer Darstellung von sich selbst im Netz. Da unser Mailverkehr über eine sichere Verbindung und auch anonymisiert erfolgt, kann ich nicht feststellen, dass die Anfragen weniger werden.

POW: Wo sehen Sie die Internetseelsorge der Diözese in der Zukunft und wo wollen Sie bei Ihrer Arbeit Schwerpunkte setzen?

Lang: Die Nutzung des Internets nimmt immer mehr zu, die Möglichkeiten der Information weltweit lassen die Menschen zusammenrücken. Menschen erfinden sich neu in sozialen Netzwerken und sind ständig in Kommunikation. Auf der anderen Seite erleben wir immer größere Formen von Vereinsamung und Kommunikationsabbruch. Die Kirche darf sich aus dieser Welt nicht heraushalten. Die Möglichkeit der Mailberatung muss weiter qualifiziert von ausgebildeten Seelsorgerinnen und Seelsorgern angeboten werden können. Zudem sehe ich noch viele Möglichkeiten, Menschen auch im Internet auf einem geistlichen Weg zu begleiten: Onlineexerzitien, Impulse für den Tag, den reichen Schatz geistlicher Begleitung in der Kirche auch im Internet zugänglich zu machen mit Menschen, die sich auch auf diesem Weg zur Verfügung stellen. Dazu gehört auch, dass diese Angebote in den sozialen Medien bekannt sind und weiterverbreitet werden. Die Zuwendung zu den Menschen, dort wo sie unterwegs sind, war schon immer eine Kernaufgabe der Kirche.

POW: Wie finden Sie selbst Ausgleich zu ihrer täglichen Arbeit, die sich ja vor allem mit Problemen von anderen Menschen beschäftigt?

Lang: Zum einen ist es ganz bestimmt meine Familie. Gerne koche ich mit ihr und für sie. Darüber hinaus genieße ich es, die Wege rund um Alzenau mit meiner Frau und unserem Hund zu erkunden. Zum anderen gibt es ein ganz praktisches Engagement im Weltladen in Alzenau, das mich noch einmal einen ganz anderen Blickwinkel auf unser globales Vernetztsein erleben lässt.

Zur Person

Walter Lang begann seinen Dienst im Bistum Würzburg 1988 als Pastoralassistent im Steigerwald. Von 1992 bis 2006 war er in der Seelsorge in Alzenau-Hörstein und -Wasserlos als Pastoralreferent tätig. Zugleich arbeitete er als Internetseelsorger bei „Kummernetz“ und später in der Internetseelsorge der Diözese Würzburg. Außerdem war er in der Notfallseelsorge im Kahlgrund tätig und bis 2015 auch Verantwortlicher für die Notfallseelsorge im Kahlgrund. 2006 wurde er Klinikseelsorger im Kreiskrankenhaus in Alzenau-Wasserlos und arbeitete als Dekanatsjugendseelsorger, später als Ehe- und Familienseelsorger im westlichen Landkreis Aschaffenburg. Zusätzlich absolvierte er in Freising einen Ausbildungskurs zum Geistlichen Begleiter.

Interview: Antonia Schlosser (POW)

(4715/1188; E-Mail voraus)

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