Óbidos/Bad Neustadt/Kirchberg bei Crailsheim (POW) Aufgeregt wuseln die Kinder durch den überdachten Innenhof des Kindergartens „Centro Educacional Bom Pastor“ in Óbidos, dem Sitz der gleichnamigen Partnerdiözese des Bistums Würzburg. Während Kindergartenleiterin Schwester Dr. Ivaldete Rodrigues die Gäste aus Deutschland empfängt, bilden die Kleinen einen Kreis und fassen sich an den Händen. Und dann gibt es eine richtige brasilianische Begrüßung mit vielen lautstark gesungenen Liedern, Klatschen, Winken und einem selbst gemalten Plakat. Mittendrin die beiden „weltwärts“-Freiwilligen Greta Kühnert (19) aus Bad Neustadt und Katja Lauton (21) aus Kirchberg bei Crailsheim. Seit September 2017 unterstützen sie die Erzieherinnen des Kindergartens bei der Arbeit. Organisiert und begleitet wird ihr Aufenthalt vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und der Diözesanstelle Mission-Entwicklung-Frieden, die für die konkreten Einsatzstellen vor Ort verantwortlich ist. „Man lernt viel über sich selbst und wird selbständiger“, sagt Katja im Rückblick auf das vergangene Jahr. Und Greta ergänzt: „Man wächst mit den Erfahrungen.“
Der Kindergarten liegt im Viertel São Francisco, einem der ärmsten Stadtteile von Óbidos. Die Straßen ringsum sind staubig und voller Schlaglöcher, viele Häuser sind klein und umgeben von Bretterzäunen. „Es sind wirklich arme Familien“, sagt Schwester Rodrigues. Das Hauptziel des Kindergartens sei, die Kinder mit Mathematik und dem Beginn der Alphabetisierung auf den Unterricht in der Grundschule vorzubereiten. Außerdem gebe es zum Beispiel Musik- und Malprojekte. Aber auch die Körperhygiene werde gefördert. Manche Kinder hätten daheim keinen Spiegel, sagt die Kindergartenleiterin. Die insgesamt rund 90 Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren werden von vier Erzieherinnen betreut. „Unsere Hauptaufgabe ist es, die Erzieherinnen zu unterstützen und zu entlasten“, erklärt Katja. Fünf Tage in der Woche, vormittags und nachmittags, arbeiten die beiden Freiwilligen im Kindergarten.
Neben dem ganz normalen Kindergartenalltag gibt es auch immer wieder Aktionen zu besonderen Anlässen. So hat Greta zum „Tag des Wassers“ ein großes Unterrichtsplakat gestaltet. Darauf klebten die Kinder „Wassertropfen“ aus Papier. Ihre Familien schrieben darauf, warum Wasser wichtig ist. „Agua fonte de vida“ – „Wasser, die Quelle des Lebens“, ist da zum Beispiel zu lesen. Katja hat für die Kinder deutsche Spiel- und Bewegungslieder ins Portugiesische übersetzt. Die ausgebildete Erzieherin hat bereits ein Jahr in einem deutschen Kindergarten gearbeitet. Schwester Rodrigues ist voll des Lobs über „ihre“ beiden Freiwilligen, die sich so engagiert in die Arbeit einbringen würden.
In ihrer Freizeit unternehmen Greta und Katja viel mit Freunden. Sie wohnen im gleichen Viertel, in dem sich auch der Kindergarten befindet. „Eigentlich ist es gefährlich. Bei Dunkelheit sollten wir nicht mehr allein auf der Straße sein“, sagt Greta. Deshalb begleiten Freunde aus dem Viertel sie nach Hause. Die Unternehmungslust der zwei Deutschen schränkt das nicht ein. So haben beide bei einer Kreuzweg-Aufführung am Karfreitag mitgemacht. Eine Freundin hatte ihnen davon erzählt, sie besuchten eine Probe und waren gleich Teil des Teams. „Wir haben drei Wochen lang jeden Abend geprobt“, erzählt Greta. Zufällig erfuhren sie auch von einem Videoprojekt, in dem sich Jugendliche mit dem Thema psychische Gewalt auseinandersetzten. „In Deutschland hätten wir das anders gemacht. Wir sind viel perfektionistischer“, ist Katja bei den Dreharbeiten aufgefallen. „In Brasilien macht man einfach – und es wird auch etwas.“
Beide kamen auf unterschiedlichen Wegen nach Óbidos. „Ich wollte einen Freiwilligendienst machen, und Südamerika hat mich schon immer interessiert“, erzählt Katja. Sie habe sich über die verschiedenen Möglichkeiten informiert und sei dabei auf Óbidos gestoßen. Ein Vortrag von Misereor, den sie in der 10. Klasse gehört hatte, gab für Greta den Anstoß, ein Freiwilligenjahr zu machen. „Der Vortrag handelte von der Katastrophenhilfe auf den Philippinen.“ Pastoralreferentin Christiane Hetterich vom Referat Mission-Entwicklung-Frieden habe sie dann auf die Idee gebracht, nach Óbidos zu gehen.
„Alles, was am Anfang an der Grenze war, gehört jetzt zum Alltag“, sagt Greta. Die Menschen lebten mehr im Hier und Jetzt, findet Katja. Das Tanzen fand sie anfangs ungewohnt. „Aus Deutschland kenne ich das nicht so, aber hier ist das ein großes Thema. Jetzt machen wir einfach mit.“ So war es auch keine Frage, dass beide bei dem traditionellen Tanz mitmachten, der bei einem Begegnungsabend in der Pfarrei São Francisco e Santa Clara – der Partnergemeinde der Pfarreiengemeinschaft der Frankenapostel, Zellingen – für die Besucher aus Deutschland aufgeführt wurde. Und als bei einem Ausflug aufs Land in einer überdachten Hütte eine große Vogelspinne sitzt, besänftigen Greta und Katja die erste Aufregung: „Die machen nichts. Die sitzen in der Ecke und chillen.“
Rückblickend sagen beide, es sei eine gute Entscheidung gewesen, nach Brasilien zu gehen. „Man ist nicht dazu da, um die Welt besser zu machen. Man leistet ja nur einen kleinen Beitrag“, stellt Greta klar. „Aber man wächst selbst mit den Erfahrungen, bekommt eine andere Sensibilität für Menschen in anderen Ländern, für die Art, wie sie leben.“ Diese Erfahrungen könne man wertschätzen und weitergeben. Man lerne, sich über Kleinigkeiten zu freuen, ergänzt Katja. „Beispielsweise, wenn ein Freund unangekündigt vor der Tür steht und einen zum Baden mitnehmen will. Es sind viele kleine schöne Momente, die einen Zauber in den Tag legen.“
sti (POW)
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