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Lautstarker Glockenersatz mit Handantrieb

Manfred Lehnert aus Dürrnhof baut Ratschen für die Kartage – Erstes Exemplar für die eigenen Kinder gefertigt – Klappern in Dürrnhof hat lange Tradition – Anfragen nach Ratschen aus ganz Deutschland

Bad Neustadt-Dürrnhof (POW) Ohrenbetäubender Lärm erfüllt die kleine Werkstatt von Manfred Lehnert im Keller seines Einfamilienhauses im Bad Neustädter Ortsteil Dürrnhof. Mit einem verschmitzten Lächeln dreht der 53-Jährige die Handkurbel der hölzernen Ratsche. „In einem geschlossenen Raum ist es natürlich noch viel lauter“, ruft er. Auf einer Werkbank stehen Kisten voller Hämmerchen, Wellen und Spannleisten. Seit rund 20 Jahren fertigt der gelernte Schreinermeister als Hobby Ratschen an, die in Dürrnhof auch Klappern genannt werden. Die allererste baute er für seinen ältesten Sohn. Danach kamen immer wieder Anfragen von anderen Eltern oder Großeltern. Mittlerweile hat er auch schon Ratschen nach Regensburg, ins Allgäu und in den Hamburger Raum geschickt. Sein Prinzip: „Eine Ratsche muss handlich sein, leicht zu spielen und leicht zu tragen.“

Um eine Ratsche zu bauen, braucht man kein Spezialwissen, erklärt Lehnert: „Als Schreiner sieht man das.“ Schon nach Weihnachten schneidet er die benötigten Einzelteile aus Buchenholz zurecht und lagert sie in kleinen Kisten. „Das wird dann nur noch zusammengebaut“, sagt Lehnert und legt los. Er nimmt einen sogenannten Klangkörper – ein Holzkasten in der Größe eines Schuhkartons – und zeichnet mit einer Schablone die Bohrlöcher für die Hämmerchen an. Sechs Hämmerchen werden in einer Reihe aufgeschraubt und mit einer Spannleiste fixiert. Dann befestigt Lehnert links und rechts Halterungen für die Welle. Auf den ersten Blick sieht sie wie ein kleines Nudelholz aus. Mit dem Unterschied, dass in diagonalen Linien kleine Holzzapfen hervorragen. Wird die Welle gedreht, prallen die Hämmerchen an den Zapfen ab und knallen auf den Klangkörper. Mit einem Hammer schlägt Lehnert behutsam die Handkurbel in die Welle – je nachdem, ob das Kind Rechts- oder Linkshänder ist, in die passende Seite. Noch ein „Soundcheck“, dann ist die Ratsche fertig. Das Ganze hat keine Viertelstunde gedauert.

„Das Wichtige beim Ratschenbauen ist, dass man mit den Leuten spricht und dass man die Kinder beobachtet, wie sie beim Ratschen zurechtkommen“, sagt Lehnert. Früher hätten die Kinder in der Regel die Ratschen ihrer Eltern oder Großeltern geerbt. „Die sind oft sehr schwer und auch schwer zu spielen. Aber wenn es zu schwer ist, verlieren die Kinder ruck, zuck die Lust daran. Sie laufen ja mitunter stundenlang damit durchs Dorf.“ Traditionell wird um 6 Uhr morgens, 12 Uhr, 18 Uhr und natürlich zum Gottesdienst geklappert – am Karfreitag und Karsamstag. Lehnert schraubt deshalb an die Rückseite jeder Ratsche einen verstellbaren Gurt. Damit können die Kinder das Instrument bequem über der Schulter tragen und die Gurtlänge individuell verstellen. „Der Gurt muss morgens über eine Winterjacke und einen dicken Schal passen, aber nachmittags scheint ja oft schon die Sonne.“ Alle Holzteile werden mit einem speziellen Öl behandelt, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen. Und falls einmal etwas kaputt geht oder die Ratsche herunterfällt, können die einzelnen Teile auch ausgewechselt werden.

Das Klappern an den Kartagen hat in Dürrnhof eine lange Tradition. Auch Lehnert war als Kind mit der Klappergruppe unterwegs, damals noch mit der alten Ratsche seines Vaters. „Wir haben geklappert fürs Heilige Grab und bitten um eine kleine Gab‘“, zitiert er einen der Sprüche, die traditionell beim Klappern aufgesagt werden. Oder: „Wir klippern und klappern auf Haufen, wer in die Kirche will muss laufen.“ Damit habe man scherzhaft alle zur Eile gemahnt, die sich zu spät auf den Weg zur Kirche machten. Als Dank für das Ratschen habe er damals zwei Eier und 30 Pfennig bekommen. „Die Eier haben wir dann in der Wirtschaft verkauft und das Geld aufgeteilt.“ Auch Schabernack wurde mit den Ratschen getrieben. „Wenn wir jemanden piesacken wollten, haben wir eine Ehrenrunde vorm Haus geklappert.“

Der Brauch des Klapperns ist in Dürrnhof bis heute lebendig. Jedes Jahr würden sich zehn bis 15 Jungen und Mädchen beteiligen und bekämen dafür von den Einwohnern Süßigkeiten und Geld. „Es ist der Dank für die Ministranten“, erklärt Lehnert. Außerdem sei das Klappern für die Kinder eine wertvolle Erfahrung, denn sie würden es ganz alleine organisieren – ohne die Hilfe der Erwachsenen. „Sie treffen sich ein paar Tage davor, proben gemeinsam und organisieren sich selbst. Sie sind auch stolz darauf, wenn sie klein angefangen haben und später in der vordersten Reihe stehen und darauf aufpassen, dass alles klappt. So soll es auch bleiben.“

Stichwort: Klappern oder Ratschen

Am Karfreitag und Karsamstag sind in zahlreichen katholisch geprägten Dörfern und in Kirchengemeinden größerer Städte Kinder mit hölzernen Klappern oder Ratschen unterwegs. Mit diesen erzeugen sie einen ohrenbetäubenden Lärm, dazwischen singen sie kurze Verse. Geklappert wird, weil die Glocken nach katholischem Ritus am Gründonnerstag mit dem Gloria verstummen und erst bei der Auferstehungsfeier in der Osternacht wieder erschallen. Zum Dank für ihren Dienst erhalten die Kinder am Karsamstag von den Bewohnern Eier, Süßigkeiten oder Geld. In Unterfranken sind Lärmgeräte an den Kartagen bereits für das 17. und 18. Jahrhundert belegt. Ratschen gibt es in unterschiedlichen Größen – kleinere Exemplare haben die Maße eines Schuhkartons, es gibt aber auch fahrbare Schubkarrenratschen. Je nach Ort und Bauart haben die Lärminstrumente verschiedene Namen, beispielsweise „Kärre“ in Gaukönigshofen (Landkreis Würzburg), „Klöpper“ in Wernfeld (Landkreis Main-Spessart) oder „Rappel“ in Retzstadt (Landkreis Main-Spessart). (Quelle: „Schönere Heimat. Bewahren und gestalten“, Heft 1/2016, Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e. V.).

sti (POW)

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